Stellten die Informationen aus dem Erzbistum Paderborn vor, die im Rahmen der MHG-Studie erhoben wurden (v.l.): Karl-Heinz Stahl, Dr. Michael Werneke, Dr. Petra Lillmeier, Generalvikar Alfons Hardt und Dr. Franz Kalde.pdp / Maria Aßhauer „Als Erzbistum Paderborn sind wir erschrocken und bestürzt über uns bekannt gewordene Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Wir empfinden eine tiefe Trauer und Reue, dass im ‚Raum der Kirche‘ und im ‚Kontext der Kirche‘ durch ‚Männer der Kirche‘ diese Verbrechen stattgefunden haben. Wir bitten die Betroffenen und Opfer der Verbrechen um Verzeihen und um Vergebung.“ Das sagte Generalvikar Alfons Hardt am Dienstag in einem Pressegespräch, bei dem die aus dem Erzbistum Paderborn kommenden Informationen der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ vorstellen wurden. Die MHG-Studie sorge für Klarheit und Transparenz, so der Generalvikar des Paderborner Erzbischofs. „Wir werden aus der Studie lernen. Wir werden unsere Prävention und unser tägliches Handeln auf den Prüfstand stellen. Wir werden den Betroffenen auch weiterhin zuhören.“
Im Erzbistum Paderborn seien die Personalakten aller Geistlichen im Sinne der MHG-Studie geprüft worden, die zwischen dem 1.1.1946 und dem 31.12.2015 im Verantwortungsbereich der Erzdiözese entweder eine Funktion ausübten oder sich im Ruhestand befanden, erläuterte Generalvikar Hardt. Nicht nur strafrechtlich relevante Formen sexuellen Missbrauchs, vielmehr auch Grenzverletzungen und sonstige Übergriffe unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit, alle Hinweise, Verdachtsmomente und Mutmaßungen, nicht lediglich verifizierte oder verifizierbare Taten, seien durch die Studie erfasst worden, weshalb sie von „Beschuldigten“ und „Betroffenen“ spreche. Durch die durch den Missbrauchsbeauftragten bearbeiteten Anträge auf „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt worden ist“ und die 2.502 geprüften Personalakten seien zu 111 Personen Hinweise gefunden worden im Sinn der Studie: „Priester, die des Missbrauchs, einer Grenzüberschreitung, eines Übergriffs beschuldigt wurden. Diese 111 Beschuldigten bilden im Hinblick auf die untersuchten 2502 Personen-Akten einen Anteil von 4,44 Prozent“, erklärte Generalvikar Hardt.
„Hinter den Zahlen stehen Menschen“, sagte Generalvikar Alfons Hardt bei der Vorstellung der Informationen aus dem Erzbistum Paderborn, die in der MHG-Studie berücksichtigt wurden.pdp / Maria Aßhauer Generalvikar Hardt erläuterte weiter, dass sich die Mehrzahl der in den Akten gefundenen Hinweise auf die Vergangenheit beziehen, dass von den 111 Beschuldigten 82 bereits verstorben seien. Zugleich wisse er aus Begegnungen und Gesprächen, „dass die Betroffenen auch heute noch Schmerz empfinden, Wunden offen und sichtbar sind, wir Verantwortung tragen. Der Missbrauch Minderjähriger innerhalb der Kirche darf nicht als abgeschlossenes Phänomen betrachtet werden, vielmehr begleitet uns das Thema und bedarf unserer weiteren Aufmerksamkeit und unseres konsequenten Vorgehens“.
Bei der Personalaktenanalyse und der Durchsicht der Anträge auf Anerkennungsleistungen seien 197 Personen als Betroffene festgestellt worden, so Generalvikar Hardt weiter. „In 125 Fällen (63,5 Prozent) liegen Hinweise mit männlichen Betroffenen vor, in 64 Fällen Hinweise (32,5 Prozent) mit weiblichen Betroffenen. Acht Hinweise lassen keine Zuordnung zu, welches Geschlecht der oder die Betroffene hat.“ 456.500 Euro seien bis heute in Anerkennung des Leids, das Betroffenen sexuellen Missbrauchs zugeführt wurde, gezahlt worden, davon 301.000 Euro in Fällen, in denen ein Kleriker der Beschuldigte war. „Es war und ist mein Wunsch, dass diese Zahlungen den Betroffenen unkompliziert und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden, es muss eine Plausibilität vorliegen, es kann aber nicht um eine juristisch stichhaltige Prüfung gehen.“
Ein Missbrauch Minderjähriger durch einen Kleriker habe nicht allein im weltlichen, sondern auch nach kirchlichem Recht strafrechtliche Konsequenzen, erklärte der Generalvikar weiter. „16 Verfahren wurden entsprechend der Verfahrensordnung an die Glaubenskongregation in Rom gemeldet. In fünf Fällen wurden die kirchenrechtlichen Verfahren ohne Ergebnis eingestellt. In zwei Fällen erfolgte eine strafweise Entlassung aus dem Klerikerstand, in einem weiteren Fall hat der Beschuldigte selbst sein Amt niedergelegt. In anderen Fällen wurden verschiedene Maßnahmen verfügt.“
Dr. Petra Lillmeier und Dr. Franz Kalde gaben einen Einblick in ihre Arbeit als Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Paderborn.pdp / Maria Aßhauer Ein nachhaltiges, dauerhaftes und kontinuierliches Engagement in der Aufdeckung und in der Prävention sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs sei notwendig, führte Generalvikar Alfons Hardt weiter aus. Er sei dankbar für die Arbeit der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Paderborn, bis 2014 Manfred Frigger, seitdem Dr. Franz Kalde und Dr. Petra Lillmeier. „Im Vordergrund ihrer Arbeit stehen der Wille zur Aufklärung und die Unterstützung der Opfer. Betroffene sind für uns keine Bittsteller, sie verdienen unseren Respekt und sie haben ein Recht auf Anerkennung ihres Leids.“ „Der Einsatz gegen sexuellen Missbrauch Minderjähriger ist für uns eine bleibende Aufgabe. Eine Vertuschung von Straftaten und Verbrechen darf es aus einer falschen Loyalität gegenüber der Institution Kirche und ihres Ansehens nicht geben.“ Generalvikar Hardt abschließend: „Durch die Hinweise der Studie werden Fragen deutlich, denen wir uns stellen müssen, beispielsweise nach der priesterlichen Lebensform. Wir sehen unsere Verantwortung und ich bin dankbar, dass die Wissenschaftler der Kirche Empfehlungen geben.“
Im Anschluss informierten die beiden Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Paderborn, Dr. Franz Kalde und Dr. Petra Lillmeier, über ihre Arbeit. „Als Missbrauchsbeauftragte können wir Taten weder ungeschehen machen noch aus dem Gedächtnis und der Erinnerung von Opfern radieren, aber wir können zuhören, ernst nehmen, Anträge von Opfern begleiten und Hinweise auf Taten und Täter an die Verantwortlichen im Erzbistum weiterleiten“, sagte Dr. Kalde. „Betroffene tragen oft ihr Leben lang an ihren grausamen Erlebnissen, die sie als Kind erdulden mussten. Als Missbrauchsbeauftragte stehen wir an der Seite der Betroffenen“, erklärte Dr. Lillmeier. Es komme darauf an, Vertrauen aufzubauen, Hürden möglichst klein zu halten, Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Betroffene wünschten eine Ansprechperson, „um sich mit ihrer leidvollen Geschichte im Raum der Kirche zur Sprache bringen zu können. Sie möchten in Kirche eine Anerkennung ihres Leides erfahren.“
Karl-Heinz Stahl vermittelte einen Überblick über die Präventionsarbeit im Erzbistum Paderborn.pdp / Maria Aßhauer „Das Erzbistum Paderborn hat 2011 eine ‚Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen für die Erzdiözese Paderborn (Präventionsordnung – PrävO))‘ in Kraft gesetzt“, führte Karl-Heinz Stahl als Präventionsbeauftragter aus. Die eingerichtete Präventionsstelle biete umfangreiche Fort- und Weiterbildungen an und sei mittlerweile mit drei Personen mit einem Beschäftigungsumfang von 250 Prozent ausgestattet. „Seit dem Jahr 2013 haben insgesamt 31.151 Personen in den Gemeinden, Diensten und Einrichtungen im Erzbistum Paderborn an einer Informationsveranstaltung oder Präventionsschulung teilgenommen, es wurden bisher 578 Priester, 103 Diakone, 283 Gemeindereferentinnen und –referenten sowie 150 weitere Personen (Dekanatsmusiker, EFL Mitarbeitende, Klinikseelsorger, etc.) geschult“, so Stahl. Alle haupt- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter, die Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, seien zur Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses verpflichtet. Jeder katholische Rechtsträger müsse ein eigenes Schutzkonzept entwickeln.
Erzbischof Hans-Josef Becker hat sich in einem Brief an die Seelsorger im Erzbistum Paderborn gewandt. Hier finden Sie unsere Meldung dazu, zudem den vollständigen Brief des Paderborner Erzbischofs.
In einer Pressekonferenz während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda ist heute (25. September 2018) die MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ vorgestellt worden.
Die Statements von Kardinal Reinhard Marx (München und Freising), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier), Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Staatsministerin a. D. Roswitha Müller-Piepenkötter (Remscheid), Mitglied im Beirat der Studie sind unter www.dbk.de verfügbar.
Dort finden Sie außerdem:
- den Forschungsbericht (MHG-Studie),
- eine Zusammenfassung des Forschungsberichts auf Deutsch, Englisch und Italienisch,
- die Präsentation des Forschungskonsortiums von Prof. Dr. Harald Dreßing (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim), Verbundkoordinator der Studie,
- einen Überblick über das Studien-Design (Deutsch und Englisch),
- häufige Fragen und Antworten zum Forschungsprojekt.