„Wir müssen mit Reue eingestehen, dass Antisemitismus und – in seiner religiös motivierten Form – Antijudaismus viel zu lange auch im Denken unserer Kirche verankert waren“, räumt Generalvikar Hardt ein. „Umso dankbarer bin ich, dass wir heute auf Grundlage eines veränderten Denkens auf Augenhöhe einen lebendigen jüdisch-christlichen Dialog führen.“ Antijudaismus werde zu Recht auch in der Gegenwart hinterfragt – so geschehen etwa auch im Erzbistum Paderborn, als im Februar in Willebadessen zwei historische Kreuzwegstationen mit antisemitischen Inschriften öffentlich in der Kritik standen.
Umdenken durch Zweites Vatikanisches Konzil
Ein Blick in die Kirchengeschichte zeige, dass das theologische Denken gegenüber dem Judentum bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil leider deutlich negativ geprägt gewesen sei, erklärt Generalvikar Hardt. Jüdische Menschen seien für den Tod Jesu verantwortlich gemacht worden. Die daraus entstandene Welle des Antijudaismus habe viele antijüdische Darstellungen an kirchlichen Gebäuden mit sich gebracht. Erst der Konzilstext Nostra Aetate, den das Zweite Vatikanische Konzil am 26. Oktober 1965 verabschiedete, habe ein Umdenken eingeleitet – hin zu der Überzeugung, dass auch das Judentum in der Heilsgewissheit Gottes stehe. „Aus heutiger Sicht ist kaum zu verstehen, warum die Kirche so lange für ein geschwisterliches Verhältnis zu dem Volk brauchte, dem Jesus selbst angehörte“, so Generalvikar Hardt. Das Zweite Vatikanische Konzil habe die Grundlage für einen interreligiösen Dialog in der katholischen Kirche geschaffen – mit dem Judentum, ebenso wie mit anderen Religionen.
Das Beispiel des Kreuzweges in Willebadessen werfe die Frage nach einem angemessenen Umgang mit historischen antijüdischen Darstellungen auf. Geschichte lasse sich nicht ausradieren, stellt Generalvikar Hardt dazu fest. Aber sie müsse ein Mahnmal bleiben, „das dazu befähigt, es durch die Lehren der Vergangenheit künftig besser zu machen. In diesem Sinne können vielleicht auch antisemitische Darstellungen – mit der entsprechenden Aufarbeitung – mahnende Zeichen und ein Auftrag sein, es besser zu machen.“
Lebendiger jüdisch-christlicher Dialog
In vielen Städten gibt es heute Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Viele Kirchengemeinden gedenken der Opfer der Schoa. Wie andere (Erz-)Bistümer in NRW und Deutschland thematisiert auch das Erzbistum Paderborn jedes Jahr die Schoa mit dem dringenden Aufruf, dass Antisemitismus keinen Platz im Christentum und in der Gesellschaft hat. In NRW geben zudem alle (Erz-)Bistümer und Landeskirchen jährlich zum jüdischen Neujahrsfest Rosh-ha-shana gemeinsame Grußworte heraus.
Blog-Beitrag „Steine des Anstoßes oder mahnende Zeichen?“ von Generalvikar Alfons Hardt