„Stellen Sie sich vor, Sie sind Teil einer polizeilichen Ermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie. Ihre Aufgabe besteht darin, Beweise zu sichern und die Täter zu identifizieren. Tagtäglich stoßen Sie im Darknet und in Chats auf schrecklichste Verbrechen. Sie sehen verletzte und erniedrigte Opfer und Sie schauen zu, wie sich Täter mit ihren Schandtaten brüsten. Natürlich sind Sie für Ihre Arbeit gut ausgebildet, müssen Sie Ihre psychische Stabilität regelmäßig unter Beweis stellen. Und trotzdem: Was würde das mit Ihnen anstellen? Wie könnten Sie schlafen? Was von dem Erlebten tragen Sie in Ihre Familie? Wie können Sie ein glückliches Familienleben führen?“
Die Fragestellungen, mit denen Monsignore Wolfgang Bender, Polizeidekan im Erzbistum Paderborn, die Notwendigkeit der Polizeiseelsorge erklärt, sind drastisch. Ausgedacht ist das Beispiel nicht. Im Netzwerk Psycho-soziale Unterstützung (PSU) sind Seelsorgerinnen und Seelsorger in sogenannten KiPo-Supervisionsgruppen aktiv. KiPo steht für Kinderpornografie.
Kinderpornografie ist ein besonders beklemmendes Ermittlungsfeld, aber nur eines unter vielen. Doch auch abseits von dieser Extremform der Kriminalität oder von Sondersituationen mit Schusswaffeneinsatz ist der normale Polizeialltag voller Belastungssituationen: Polizeibeamte erleben häufig, wie Menschen bei Unfällen verletzt, verstümmelt und getötet werden. Dann lautet die schwere Aufgabe, die Nachricht den Angehörigen zu überbringen. Durch direktes Erleben oder durch Erzählen werden Polizistinnen und Polizisten, aber auch Verwaltungskräfte in den Polizeirevieren regelmäßig zu Zeugen von Gewalt und Selbstverletzung, von Alkohol- und Drogenabhängigkeit, von Diebstahl und Betrug, vom Scheitern von Hoffnungen und Plänen. Das zeigt Wirkung. Wenn sich hinter jeder Tür, auch der an einer bürgerlichen Fassade, ein moralischer Abgrund auftun kann, ist es nicht einfach, in allen Situationen Freund und Helfer zu sein. Auch Polizistinnen und Polizisten brauchen starke Freunde und Helfer. Der stärkste von allen: Gott.