Sexualisierte Gewalt umfasst sowohl strafbare als auch nicht strafbare sexualbezogene Handlungen und Grenzverletzungen. Sie betrifft alle Verhaltens- und Umgangsweisen (innerhalb und außerhalb des kirchlichen Dienstes) mit sexuellem Bezug gegenüber Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen, die mit vermeintlicher Einwilligung, ohne Einwilligung oder gegen deren ausdrücklichen Willen Dies umfasst auch alle Handlungen zur Vorbereitung, Durchführung und Geheimhaltung sexualisierter Gewalt.
Dabei ist zu beachten, dass die Entwicklung und Umsetzung der einzelnen Maßnahmen immer in der Verantwortung der jeweiligen Rechtsträger unter Einbezug der Akteure vor Ort erfolgt und diese an die spezifischen Rahmenbedingungen vor Ort angepasst werden. Dies ist in der Forschung angemessen zu berücksichtigen.
2. Einbettung des Vorhabens in den vorliegenden Forschungsstand
Erwartet wird ein Anschluss an den aktuellen Forschungsstand zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt. Insbesondere der Forschungsstand zu institutionellen Bedingungen, die sexualisierte Gewalt begünstigen (z. B. Pöter/Wazlawik 2018), sowie den Qualitätsmerkmalen von Schutzkonzepten (z. B. Derr u.a. 2017) und Strategien zur Prävention (z. B. Ferring/Wilms 2014) stehen hier im Fokus. Forschungsbefunde zur allgemeinen Verbreitung, von Täterstrategien etc. stellen zwar eine wichtige Grundlage dar, sind jedoch nicht expliziter Bestandteil dieses Projektes. Die Forschung zur Wirkung von Ansätzen zur Prävention konzentriert sich bislang auf kurzfristig messbare und gut operationalisierbare Veränderungen (vgl. Kindler/Derr 2018), wie beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen ein verbessertes Wissen über Handlungsmöglichkeiten in Gefahrensituationen oder eine gesteigerte Bereitschaft, nach sexuellen Übergriffen Hilfe zu suchen. Bezogen auf Fachkräfte die Bereitschaft, Hinweisen auf sexualisierter Gewalt nachzugehen, und ihr Kompetenzgefühl beim Ansprechen der Thematik.
Erwünscht sind Forschungskonzepte, die sich ergänzend hierzu bewusst auf die Erfassung komplexerer Zusammenhänge einlassen und den Versuch unternehmen, längerfristige Entwicklungen zu erfassen – und damit das Potential der 12-jährigen Entwicklungsgeschichte und -erfahrungen in den einzelnen (Erz-)Diözesen erschließen wollen. Dies kann beispielsweise im Rahmen retrospektiver Befragungen von Fachkräften und Stakeholdern erfolgen sowie der Analyse und Auswertung vorhandener Dokumentationen.