Er versteht die Wut der Menschen
„Wer nun sicher auf den Straßen und in den Städten gehen will, der muss das geistliche Gewand ablegen und verstecken“, schreibt er. Das zu tun, kostet ihn Überwindung. Er tut es trotzdem. Denn im Habit wird er verspottet, teilweise mit Dreck und Steinen beworfen. Manches Mal wird er von Räubern überfallen. Bruder Göbel klagt darüber, versteht aber sehr genau, woher der Antiklerikalismus seiner Zeit kommt: „Leider sind wir überall verachtet und geschmäht – und das leider, fürchte ich, um unserer Sünden willen.“
Sündig ist in seinen Augen das Verhalten des geistlichen Standes, vor allem der Obrigkeit. Bruder Göbel notiert über eine Hochzeit, die der gewählte, aber nicht geweihte Fürstbischof Erich von Braunschweig-Grubenhagen in Böddeken veranstalten lässt: „Unser gnädiger Herr nahm alle Frauen mit in das Kloster und in den Herren-Remter, da tanzten und sprangen sie wie die Teufel.“
Als Mensch seiner Zeit kennt Bruder Göbel nichts anderes als die ständische Gesellschaft, die ganz klar in oben und unten teilt. „Aber er fragt sich auch: Machen die Bischöfe und Fürsten eigentlich das, wofür sie von Gott bestimmt sind?“, sagt Schmalor. Dass sein Bischof wie ein weltlicher Fürst lebt und verschwenderisch feiert, während die Bevölkerung hungert, „das lässt Bruder Göbel nicht kalt“.
Kraftort Kloster
Es sei erstaunlich, findet Schmalor, dass Bruder Göbel bei all dem Chaos nicht verrückt wird. „Er hat einen tiefen Glauben. Ohne den hätte er all die Dinge, die auf seinen Reisen passiert sind, nicht verkraftet. Und diesen festen Glauben hat er sich bis zum Ende bewahrt.“ Wie ihm das gelingt? Mithilfe der Gemeinschaft im Kloster Böddeken.
Der Konvent ist ganz von der Reformbewegung der devotio moderna („neue Frömmigkeit“) durchdrungen. Die stellt den persönlichen Bezug zu Jesus Christus in den Mittelpunkt und orientiert sich an den christlichen Urgemeinden: Bibelstudium, praktische Arbeit, Demut und Verzicht spielen hier eine große Rolle – und tun Bruder Göbel gut. „In seinem Kloster hat er nicht nur eine Heimat, sondern auch eine Glaubensheimat gefunden“, sagt Schmalor.