Redaktion: Seit wann engagieren Sie sich in der Flüchtlingshilfe, und wie kam Ihr Engagement zustande?
Birgit Esken aus Arnsberg
Birgit Esken: Bei der Flüchtlingswelle im Sommer 2015 und dem Umgang unserer Mitbürger und unserer Politiker damit vermissten mein Mann und ich Aspekte der Nachhaltigkeit. Wir waren beide in unseren jungen Jahren als Entwicklungshelfer der Bundesrepublik Deutschland in Asien bzw. Lateinamerika tätig und verfügten somit über Erfahrungen zur Alltagsbewältigung als „Ausländer in einem fremden Land“.
Uns war klar, dass man sich als Privatperson nur innerhalb von bereits vorhandenen Hilfs-Strukturen sinnvoll einbringen kann. So lernten wir im September 2015 bei der Einweihungsfeier einer vom Erzbistum Paderborn finanzierten Außenanlage einer Asylbewerber-Unterkunft in Arnsberg die Vorsitzende der Caritas-Konferenz Hl. Kreuz, Martina Gerdes, kennen. Mit ihrem umwerfenden Enthusiasmus beeindruckte sie uns so sehr, dass wir an ihrem „Runden Tisch für Flüchtlingshilfe“ gerne Platz nahmen.
Und was auch ganz wichtig war: gute Fortbildungen und gute Begleitung. Ganz konkret habe ich in bester Erinnerung eine Veranstaltung mit der Überschrift „Die Angst lässt uns nicht los“ im November 2015. Da ging es um die Themen Flucht, Trauma, Asylverfahren und Aufenthaltsrecht… diese Veranstaltung hat mich überhaupt erst in die Lage versetzt, fundiert Flüchtlingshilfe zu leisten. Für alle Helferinnen und Helfer ist das wichtig!
Redaktion: Ganz generell: Wie ist die Situation für Flüchtlinge in Arnsberg?
Birgit Esken: Die Stadt Arnsberg hat insgesamt etwa 75.000 Einwohner. 2015 wurden Arnsberg 966 asylbegehrende Ausländer bzw. Ausländerinnen zugewiesen. 2016 waren es 190, 2017 dann 226 und 2018 nur noch 76. Von den 76 Asylbewerbern kamen 15 aus den Hauptanerkennungsstaaten Syrien, Irak, Iran, Eritrea, Somalia. Das bedeutet, 61 Asylbewerber, also 80 %, müssen eher mit einer Ablehnung ihres Asylantrages rechnen. Im letzten Jahr lebten noch 232 Personen in den städtischen Übergangswohnheimen, aber 237 in eigenen Wohnungen.
Redaktion: Wie startete Ihr Engagement?
Birgit Esken: Die ersten beiden Jahre hielten meine Freundin Rita Finke und ich regelmäßig Beratungen zu festen Sprechstundenzeiten ab. Diese fanden in unserem „Schulungsraum“ statt, den wir in der Asylbewerberunterkunft gemeinsam mit den Bewohnern hergerichtet haben. Für meinen Mann und mich war aber ernüchternd, dass der Schwerpunkt der Flüchtlingshilfe in Deutschland bei der Integration der Flüchtlinge lag, obwohl wir alle wissen, dass mehr als zwei Drittel der Asylbewerber kein Bleiberecht haben. Wir schwammen gegen den Strom und nahmen die Möglichkeiten einer „qualifizierten Reintegration“ in den Fokus. Wir übernahmen für zwei ausreisepflichtige Familien aus dem Balkan die Patenschaft, sammelten in unserem Freundeskreis Geld für ein Pilotprojekt, mit dem die Familienväter einen Schweißer-Intensivkurs absolvierten und einen „Internationalen Schweißerpass“ erwarben. Leider hat die öffentliche Hand diesen Reintegrationsweg nicht in ihr Rückkehrprogramm integriert – stattdessen werden die Menschen lediglich mit einer gewissen Summe Geld nach Hause geschickt. Besser wäre es doch, dafür zu sorgen, dass sie in ihren Herkunftsländern durch den Erwerb von spezifischen Fähigkeiten eine Zukunftsperspektive erhalten…