Marcel Eliasch legt die Finger auf die Tasten. Und dann wird es für kurze Zeit laut im Paderborner Dom. Der junge Kirchenmusiker sitzt am Spieltisch im Hochchor und spielt eine Tonfolge – improvisiert. Aus Zuhörendenperspektive ist Musik ohnehin schon eine sehr flüchtige Erfahrung. Ohne auf Notenpapier festgehalten zu sein, sind die Klänge, die Marcel Eliasch den Domorgeln entlockt, noch weniger greifbar. Sobald sie verklungen sind, sind sie vergangen.
Dieses im Augenblick Verhaftete ist etwas, was Marcel Eliasch am Improvisieren reizt. Auf die Frage, wie ein Kirchenmusiker betet, sagt er: „Die Musik ist mein Gebet, gerade das Improvisieren. Denn darin beschäftige ich mich direkt mit dem, was in der Liturgie gelesen oder gebetet wurde.“ Das Improvisieren sei geradezu intim, sagt er. „Weil die Zuhörenden direkt mitbekommen, was in dem Menschen an der Orgel vorgeht.“
Wie man Bibelstellen in Musik verwandelt
Bei seiner kurzen Improvisation im Dom schlägt Eliasch sanfte Töne an, er spielt romantische Harmonien. Um die Betenden im Dom nicht zu stören. Er kann aber auch ganz anders. Etwa, wenn er sich beim Internationalen Improvisationsfestival Marsberg – das er ins Leben gerufen hat – der Königsdisziplin des Improvisierens widmet: aus abstraktem Material Musik machen. Eliasch greift dann also nicht auf bestehende Notenliteratur zurück und baut seine Improvisation darauf auf, sondern lässt sich von einem Text inspirieren.
Wie soll das gehen? Das erläutert Eliasch anhand der Stelle aus dem Matthäusevangelium, in dem vom Sturm auf dem See Genezareth erzählt wird (Mt 8,23-27). „Das ist eine sehr lebendige Szene, die Wellen im Text kann man musikalisch mit Wellenbewegungen andeuten. Um den Sturm darzustellen, kann man mit düsteren, fast donnerartigen Klängen arbeiten. Die Szene lässt sich sehr plastisch akustisch umsetzen.“ Die Herausforderung sei dabei, die Improvisation nicht nur dramatisch, sondern auch dramaturgisch zu gestalten – und dabei nicht plakativ zu werden.