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„Signalisieren, dass Du gewollt bist“

Themenspecial Innehalten: Am Bahnhof Gott in den anderen Menschen erkennen

Themenspecial Innehalten: Am Bahnhof Gott in den anderen Menschen erkennen

Wenn Harald Mallas, ehrenamtlicher Helfer bei der Bahnhofsmission, über den Alltag am Bielefelder Hauptbahnhof spricht, dann verfällt er in Baustellenrhetorik. Der 65-Jährige spricht dann davon, dass der Regionalexpress Ladungen an Menschen „abkippe“. Massen an berufstätigen Pendlern, Schülern und Studenten würden durch den Bahnhofstunnel „durchgeschleust“. Der Bahnhof, wie hier in Bielefeld, scheint kein Ort des Innehaltens zu sein – eher der Hektik und der Anonymität. Doch auch zwischen Bahnsteigen, Zeitschriftengeschäften und Werbetafeln ist Gott. Oder genauer gesagt: mittendrin.

Für die meisten Menschen ist der Bahnhof ein „Durchlauferhitzer“, wie Pensionär Mallas gewohnt technisch ausdrückt. Ein Ort, an dem man möglichst wenig Zeit verbringen möchte. Man will ja von A nach B kommen. Manchmal fast unsichtbar, manchmal offensichtlich, sind da noch die Menschen, die die Mitarbeiter der Bahnhofsmission ihre Gäste nennen: obdachlose und drogenabhängige Menschen, die sich im Umfeld des Bahnhofs aufhalten sowie Reisende, die in Bielefeld gestrandet sind.

So hilft die Bahnhofsmission

Die erste Bahnhofsmission wurde 1894 am heutigen Berliner Ostbahnhof gegründet, um Frauen und Mädchen vor drohender Ausbeutung und Gewalt zu schützen. Bis heute ist ein Bestandteil der Arbeit der Bahnhofsmission, alleinreisende Kinder zu begleiten und hilfebedürftige Reisende, zum Beispiel Fahrgäste mit Behinderung, beim Umsteigen zu helfen und zum Zug zu begleiten. Dazu betreuen die Mitarbeiter Menschen im Umfeld des Bahnhofs, die in Notsituationen stecken. Im Erzbistum Paderborn wirken katholische Träger an den Bahnhofsmissionen in Bielefeld, Dortmund, Lage/Lippe und Paderborn mit.

Wenn die Theke zum Segensort wird

Für diese Menschen bieten die Mitarbeiter der Bahnhofsmission Kaffee, Tee, geschmierte Baguettes, manchmal sogar Obst, und vor allem ein offenes Ohr an. In der Bahnhofshalle, neben dem Aufgang zu den Gleisen 1 und 2 sind die Räumlichkeiten der Bielefelder Bahnhofsmission. Wer an der Klingel schellt, dem werden elektronisch die beiden Glastüren geöffnet, um zur Theke zu gelangen. Dem Ort, an dem Harald Mallss die Gäste mit einem „Herzlich Willkommen“ oder „Willkommen“ begrüßt. „Wenn ich das sage, dann geht den Menschen ein Lächeln über die Lippen, als wenn sie diese Worte länger nicht mehr gehört hätten“, sagt der 65-Jährige.

Dann bietet er etwas zu Essen und zu Trinken an, das die Gäste mit nach draußen nehmen. Die Bahnhofsmission hat schlicht nicht genug Platz, damit sich mehrere Menschen miteinander zum Essen hinsetzen können. Dafür entwickeln sich manchmal im Stehen bereichernde Gespräche, wie Mallas sagt: „In besonderen Momenten wird die Theke zu einem Segensort.“ Auch, wenn die Gäste diesen Segen manchmal gar nicht spürten. „Wir versuchen durch unsere Offenheit und Freundlichkeit zu signalisieren, dass Du gewollt bist.“

Begegnugnen von Arm und Reich

So wie Harald Mallas engagieren sich rund 30 Ehrenamtliche in der Bahnhofsmission. Josefine Georgi leitet die Station hauptamtlich. Die 30-Jährige findet den Ort Bahnhof so spannend, weil er fast der einzige sei, an dem alle gesellschaftlichen Schichten zusammentreffen. Sie sagt: „ Ich glaube, dass Gott im Miteinander der Menschen ist, im Dialog und der Gemeinschaft.“

Doch gerade am Bahnhof ist eine echte Gemeinschaft zwischen Menschen nur selten zu erkennen. Das gilt auch für Menschen gleicher gesellschaftlicher Schichten – aber noch mehr für finanziell Arme und Reiche, die sich begegnen. Josefine Georgi, gelernte Sozialarbeiterin, findet es wichtig, andere Menschen anzulächeln, sie anzusprechen, und Ärmere danach zu fragen, was sie benötigen. Denn manchmal reicht eine gute Absicht nicht aus, um einem anderen Menschen zu helfen.

Beispielhaft erzählt Georgi die Story von einem Mann, der mit kaputten Schuhen am Bielefelder Hauptbahnhof rumlief. Ein anderer, wohlhabenderer Mann, sah ihn und kaufte ihm ein paar ordentliche Schuhe – doch der Mann wollte sie nicht haben. „Der reichere Mann kam dann auf uns zu und fragte uns, warum er die Hilfe nicht annehmen wollte“, erzählt Georgi.

Was hilft wirklich?

„Wir konnten nur versuchen, zu erklären, dass das nicht gegen ihn persönlich gerichtet war. Jeder Mensch hat ein anderes Gefühl davon, was er braucht. Wenn ich jemanden sehe, der kaputte Schuhe trägt, dann benötigt derjenige vielleicht etwas ganz anderes.“ Wer sich scheue, direkt auf scheinbar bedürftige Menschen zuzugehen, der könne auch zu Hilfsorganisationen wie der Bahnhofsmission kommen, um zu erfragen, wie man helfen könne.

Für alle Pendler und Reisenden ist also die innere Haltung entscheidend, mit der man anderen Menschen und sich selbst begegnet. Der Paderborner Dompastor Nils Petrat sagt: „Auch am Bahnhof bieten sich immer wieder Möglichkeiten zum Innehalten. Besonders dann, wenn ich warten muss.“ Petrat und die Domgemeinde unterstützen die Paderborner Bahnhofsmission mit einer Solidaritätsaktion an der Krippe. Die Wartezeit am Bahnhof könne jeder für Augenblicke der inneren Stille nutzen: „bewusst ein- und ausatmen, ein inneres Gebet sprechen, mein Herz aus den vielen Gedanken und Zerstreuungen in die Gegenwart zurückholen. Obwohl ich vielleicht von vielen Menschen und Geräuschen umgeben bin, wächst in meinem inneren Raum der Stille dann eine neue Gelassenheit und innere Kraft“, sagt er. „Ein echter Advents-Moment: Gott kommt mir inmitten meines Alltags entgegen. Ich steige dann anders in den erwarteten Zug ein…“

Heiligabend im Bahnhof

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Wenn der Alltag im Bielefelder Hauptbahnhof auch hektisch ist – an Heiligabend wird es dort besinnlich. Dann richtet die Bahnhofsmission gemeinsam mit anderen caritativen und kirchlichen Einrichtungen aus Bielefeld einen ökumenischen Gottesdienst mit anschließender Feier aus.

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