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Erzbistum Paderborn
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© Dragana Gordic / Shutterstock.com

Warum es wichtig ist, zu vergeben

Vergebung ist nicht immer einfach – die Fastenzeit kann uns dabei helfen, unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen und zu Gott neu zu entdecken und eigene Wunden zu heilen

Moritz kam neulich stolz von der Schule nach Hause. Er wurde zum Klassensprecher gewählt. „Toll“, sagte ich und freute mich mit ihm. Doch die Wochen vergingen und Moritz wirkte immer frustrierter: Fast täglich, meinte er, sei er damit beschäftigt, die Streitereien zwischen seinen Mitschülern zu schlichten. Er merkte, dass die Aufgabe als Klassensprecher gar nicht so einfach ist. An einem Tag eskalierte es dann völlig, als er wieder einmal versuchte, eine Situation friedlich zu klären. „Du bist doof. Ich hasse dich“, beschimpfte ihn ein Junge. Und als er dann auch noch begann, sich mit seinem Bruder um das abendliche Fernsehprogramm zu streiten, war der Tag gelaufen.

Vor dem Schlafengehen schlug ich den beiden vor, das Vaterunser zu beten. Aber Moritz wollte nicht mitbeten. Er würde schließlich wissen, warum ich genau dieses Gebet ausgesucht habe. „Wegen dem Verzeihen. Das will ich aber nicht“, sagte er mir wütend und knallte seine Zimmertür hinter sich zu. Das machte es natürlich nicht besser.

Fastenzeit

Als Fastenzeit werden die 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag bezeichnet. Sie dient der Vorbereitung auf das wichtigste Fest des Christentums: Ostern. Doch was sind Ursprung und Bedeutung der Fastenzeit? Worauf verzichten Sie in diesem Jahr?

Verzeihen als Herzensangelegenheit

Aber Moritz hatte im Grunde genommen Recht. Das mit dem Verzeihen ist eine große Herausforderung und nicht zuletzt auch eine Herzensangelegenheit. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Denn wir alle erfahren im Laufe des Lebens Enttäuschungen und Unrecht. Die entscheidenden Fragen sind: Wie gehe ich mit Verletzungen um? Wie funktioniert Vergebung? Wie reagiere ich, wenn ich mich selbst schuldig gemacht habe?

„Schuld wird heutzutage oft plausibilisiert. Die eigene Verantwortung wird dann ausgeblendet. Da brechen Menschen beispielsweise den Kontakt zu ihren Eltern, Großeltern, Ehepartnern oder Freunden ab. Oft wird hier eine Reihe von Gründen vorgeschoben, und Schuld seien dann oft der oder die andere oder eben die Verhältnisse“, sagt Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer, Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars Paderborn. Ob fehlende Aufmerksamkeit, Missverständnisse oder eine falsche Erziehung, viele der angegebenen Gründe seien meist gar nicht zutreffend, würden jedenfalls zu kurz greifen. Denn die Frage, ob man selbst auch einen Anteil Schuld daran trüge, würde oft gar nicht erst gestellt.

Über den eigenen Schatten springen

Doch dort, wo Menschen zusammentreffen, gehören Konflikte eben dazu. Oft erwischen wir uns dabei, dass wir die Situation zwar bereinigen wollen, dem oder der Anderen verzeihen wollen, aber wir spüren auch: Unsere Gefühle hinken hinterher. Wir sind noch verärgert, unser Stolz ist verletzt, die Wunden sind noch nicht verheilt. Der Prozess des Vergebens stellt hohe Ansprüche an uns selbst und setzt Großherzigkeit voraus.

Vergebung bedeutet nicht, alles unter den Teppich zu kehren oder eine Schublade zu schließen, bloß, weil uns gewisse Konfrontationen gerade nicht in den Kram passen und wir unsere Ruhe haben wollen. Wie leicht ist dann der Gedanke, wie Moritz lieber die Augen vor dem Scherbenhaufen zu verschließen – beziehungsweise die Tür davor zuknallen – anstatt über den eigenen Schatten zu springen und Vergebung zu wagen.

„Vergebung ist kein Automatismus“

Es ist nicht leicht, aber Versöhnung kann man einüben. „Ich verzeihe dir“ – ein Satz, der eigentlich leicht auszusprechen ist wird nun zu einer großen Herausforderung. Selbst wenn es nicht immer gleich von Herzen kommt, ist es dennoch ein kleiner Versuch, dass das Vergeben vom Mund mit der Zeit ins Herz wandern kann. „Vergebung heißt für mich, bereit sein, geschehenes Unrecht nicht im Raum stehen zu lassen, sondern auch von Herzen zu verzeihen. Auch wenn es länger dauert, bis ich den entscheidenden Schritt setzen kann“, sagt Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer.

Und wer selbst vergeben lernt, heilt damit auch seine eigenen Wunden. Er wandelt sie in neue Lebensmöglichkeiten. Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer sieht den Prozess des Vergebens in mehreren Schritten: „Vergebung ist kein Automatismus. Vieles ist leicht daher geredet. Folgende Schritte können beim Verzeihen helfen: Erstens, ein Nachspüren mit der Frage: Was ist da eigentlich mit mir geschehen? Zweitens, versuchen, mit dem Gefühl der Schuld umzugehen und drittens, den Schuldigen benennen und reflektieren, ob ich ihr oder ihm jetzt überhaupt verzeihen kann. Vielleicht braucht es manchmal einfach Zeit, bis ich so weit bin zu vergeben. Es gibt schließlich keinen Anspruch auf Vergebung. Und sie ist erst recht kein Automatismus.“

Befreit und erleichtert

Auf YOUPAX erzählt Katharina Schmitt, warum sie gern zur Beichte geht und warum die Beichte so befreiend und erleichternd wirkt. Die Beichte ist nämlich nicht die Folterkammer, für die sie die meisten Menschen halten, sondern ein wichtiges, trostspendendes Sakrament.

Vergebung als Vertrauensvorschuss

Vergebung ist wichtig für unser eigenes Wohlbefinden. Der Theologe Lewis Benedictus Smedes bemerkte dazu: „Zu vergeben bedeutet einen Gefangenen freizulassen und zu erkennen, dass dieser Gefangene du selbst warst“. Die Seele aufzuräumen tut gut, auch wenn wir uns nicht ständig selbst den Spiegel vor Augen halten wollen. Wie schnell sind wir innerlich „überschuldet“ und verdrängen die eigenen Fehltritte. Diese ziehen sich dann wie ein roter Faden quer durch unseren Alltag und wandern gewissermaßen in das Untergeschoss unserer Seele. Ob in Träumen oder in unverständlichen Reaktionen und versteckten Aggressionen – sie machen sich bemerkbar, auch in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Als Christen sind wir zudem der Überzeugung: Schuld trennt uns nicht nur voneinander, wir entfernen uns jedes Mal, wenn wir schuldig werden, auch ein Stück weit von Gott. Sich bei seinen Mitmenschen zu entschuldigen, das ist schon schwer genug. Aber sich bei Gott zu entschuldigen – ist das überhaupt notwendig geschweige denn zeitgemäß? Fällt ein Schuldbekenntnis in der Beichte heutzutage nicht völlig aus dem Rahmen?

Wir erleben Schuld zweifellos als etwas, was uns von unseren Mitmenschen trennt und Schaden anrichtet. Für gläubige Menschen in biblischer Zeit war es in der Konsequenz selbstverständlich, dass uns Schuld auch von Gott trennt. „In den biblischen Büchern finden wir immer wieder Texte, zum Beispiel in den Psalmen, in denen der Mensch Gott um Verzeihung bittet, weil er durch seine Taten das Vertrauensverhältnis zu Gott aufs Spiel gesetzt hat“, sagt Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer.

Die Buße

Fehler zu machen und an sich selbst oder seinen Mitmenschen schuldig zu werden, ist und bleibt etwas zutiefst Menschliches. Im Sakrament der Buße erfahren die Glaubenden Vergebung.

© godongphoto / Shutterstock.com
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Versöhnung als Sakrament

Für Katholiken kommt hier zusätzlich das Sakrament der Versöhnung mit ins Spiel: Gott öffnet im Bußsakrament seine Arme für uns und schenkt uns eine Art „Vertrauensvorschuss“ – so wie der barmherzige Vater im Gleichnis des Lukasevangeliums dem verlorenen Sohn entgegentritt und zu Verzeihen bereit ist (Lk 15,11-32). Selbst wenn er weiß, dass es erneut zu Fehlverhalten kommen kann. Und Gott stellt dann keine Fragen. Er kennt uns, so wie wir sind und er weiß um uns.

Die Beichte ist deshalb ein Geschenk Gottes, ein wirksames Zeichen seiner Großherzigkeit, das wir empfangen können, wenn wir uns schuldig gemacht haben – und sie ist deshalb ein Ort, an dem wir Gott näher kommen. Hier entlädt sich unsere Schuld auf wunderbare Weise. Wenn wir Gott um Vergebung bitten, heilt dies unsere Beziehung zu Gott und dann auch zu unseren Mitmenschen, aber auch Verletzungen in uns selbst.

Das Bußsakrament in der Fastenzeit – „ein Frühjahrsputz für die Seele“

Dabei spielt die Zeitspanne, in der wir uns auf Ostern vorbereiten, eine wichtige Rolle, sagt Msgr. Dr. Michael Menke-Peitzmeyer: „Die Fastenzeit eignet sich dafür als intensive geistliche Vorbereitungszeit, in der wir auf das österliche Geheimnis zugehen. Denn im Kreuze Jesu erfahren wir Christen die Vergebung unserer Schuld. Insbesondere im Hinblick auf das Osterfest sehe ich die Beichte als eine Art von Frühjahrsputz für die Seele, jedenfalls als eine Gelegenheit, mich vom Ballast meiner Schuld befreien zu lassen: von Gott her.“

Bei Moritz hat es jedenfalls noch etwas gedauert, bis er seinem Mitschüler vergeben konnte. Als er ein paar Tage später von der Schule nach Hause kam erzählte er, dass er sich bei ihm entschuldigt und auch er ihm verziehen habe. Seitdem hat sich sogar eine gute Freundschaft zwischen den beiden entwickelt.

Verzeiht Gott alles?

Ein Beitrag von:

Miriam Westfechtel

Redakteurin
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