Die aktuellen Krisen sind auch eine Frage der Zukunft der Demokratie. Vogel verwies auf den bulgarischen Politologen Ivan Krastev: „Die Fähigkeit, mit Verwundbarkeit umzugehen, markiert die Überlebensfähigkeit demokratischer Gesellschaften.“ Wesentliche Faktoren der Resilienz (Widerstandskraft) sind die Leistungsfähigkeit öffentlicher Dienste und Güter, eine vielgestaltige Zivilgesellschaft und die ökonomische Innovationsbereitschaft. Zentrale Herausforderung sei dabei die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, dessen wesentliche Ressourcen eine gerechte öffentliche Infrastruktur, gemeinwohlförderliche Prozesse von unten und gleichwertige Lebensverhältnisse sind.
„Kirchen könnten im gesellschaftlichen Wandel wichtiger Akteur sein“
Vogel wies eindringlich darauf hin, dass der Erfolg der ökologischen Transformation sich nicht nur im städtischen Raum, sondern vor allem in der Fläche entscheide. Die Kirchen könnten im gesellschaftlichen Wandel ein wichtiger Akteur sein, weil sie in der Breite vor Ort sind.
Der gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche widmete sich Prof. DDr. Karl Gabriel vom Excellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster. In seiner religionssoziologischen Analyse kritisierte Gabriel die Säkularisierungsthese, wonach der moderne Fortschritt zwangsläufig die Religion schwäche und zu einer Entkirchlichung führe. Diese Annahme übersehe, dass die katholische Kirche auf einzigartige Weise eng mit der modernen Entwicklung verflochten ist. Unabhängig davon, habe sie zugleich in einem langen historischen Prozess ihre Sozialgestalt zu einer monarchischen, heilsnotwendigen Papstkirche transformiert. Die Kirche ist so eine widersprüchliche Polarisierung geraten: nach außen moderne Freiheitsbewegung, nach innen zentralistisch organisiert. Diese „halbierte Häutung“ und „Selbstfesselung“, so Gabriel, hat die Rolle der katholischen Kirche im globalen Religionssystem geschwächt. Für ihre Zukunft müsse sich die Kirche stärker als Akteur im sozialen und religiösen Feld der Zivilgesellschaft profilieren. Dazu brauche es die Entlastung von der Heilsnotwendigkeit von Institution und Amt und subsidiäre Strukturen statt Zentralismus.
Professionelles Management des Vertrauens eher selten
„Vertrauensmanagement in Krisenzeiten“ war das Thema des Vortrags von Prof. Dr. Ralf Brickau von ISM Dortmund. Der Professor für Marketing und strategisches Management plädierte für ein strukturiertes und effektives Vertrauensmanagement in Unternehmen und Institutionen. Gerade in Krisenzeiten werde viel von Vertrauen und Vertrauensverlusten gesprochen, ein professionelles Management des Vertrauens gebe es aber selten. Die Kommunikation in komplexen und vieldeutigen Zeiten könne man nicht steuern und beherrschen, sondern nur aktiv begleiten. Hierarchie und Kontrolle seien daher veraltete, überkommene Managementansätze. Marketing, so Brickau weiter, ersetze kein Vertrauensmanagement. Die Kirche als 2000 Jahre alte Institution verfüge noch über eine gute Basis zum Vertrauenszuschuss. Allerdings sei es höchste Zeit für ein systematisches Vertrauensmanagement. Wichtige Aspekte wären Transparenz, Identifikation und Integrität.