Eine kurzfristige Ausweitung der niedrigschwelligen Suchthilfe fordert die Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Sucht (KLAGS) in NRW. „Die Zahl der Drogentoten in Nordrhein-Westfalen ist weiterhin erschreckend hoch, das kann man nicht länger einfach so hinnehmen“ sagt der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor Ralf Nolte. Nolte ist in der vergangenen Woche zum neuen Vorsitzenden der KLAGS gewählt worden. In der KLAGS NRW haben sich die Diözesan Caritasverbände und die Verbände der Suchtselbsthilfe im Kreuzbund zusammengeschlossen.
Mit 703 Drogentoten liege NRW nach den jüngst veröffentlichten Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums bei den absoluten Zahlen mit weitem Abstand an der Spitze der Bundesländer, so Nolte. Deswegen müssten möglichst schnell Angebote der Suchthilfe ausgebaut werden. „NRW braucht mehr Kontaktläden und Angebote zur Schadensminderung, dem sogenannten „harm reduction“, wie beispielsweise Spritzentausch“, sagt Nolte. Ergänzt werden müsse diese Sozialarbeit durch zusätzliche Drogenkonsumräume und Angebote zum Drug-Checking, Substitutionsbehandlungen, aber auch Überlebenshilfen für wohnungslose Drogenabhängige. „Alles das sind notwendige und geeignete Maßnahmen, um Menschen früher in Kontakt mit dem Hilfesystem zu bringen und ihnen so auch einen früheren Ausstieg zu ermöglichen“, sagt Nolte.
Höchstzahl in 2021
Besorgt sei er über den kurzfristigen steilen Trend bei den Drogenopfern, sagt der KLAGS-Vorsitzende. So sei im Jahr 2021 mit einem Anstieg um 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 693 Rauschgifttote der höchste Stand seit 30 Jahren erreicht worden. Wie aus den Lagebildern des Landeskriminalamtes weiter hervorgehe, habe sich binnen vier Jahren die Zahl der Drogentoten mehr als verdreifacht.
Die Gründe hierfür sind nach Ansicht von Experten vielfältig. „Dazu gehört der Konsum von immer mehr tödlichen Drogencocktails (Mischkonsum / Polyvalente Intoxikationen)“, sagt die Suchtexpertin Angelika Schels-Bernards vom Diözesan-Caritasverband Köln.
Aber auch Langzeitkonsumenten, die an den Spätfolgen ihres Drogenkonsums versterben, würden in der Statistik mitgezählt sowie tödliche Unfälle im Kontext von Substanzkonsum, der Tod durch Überdosierung, die Selbsttötung aus Verzweiflung über die Lebensumstände beispielsweise unter Einwirkung von Entzugserscheinungen.
Abwärtsspirale aufhalten
„Neben dem Substanzkonsum müssen auch die Lebensumstände suchtkranker Menschen mehr in den Blick genommen werden“, sagt Schels-Bernards. „So weisen etwa Opioidkonsumenten, die den größten Anteil der Verstorbenen ausmachen, häufig körperliche und psychische Erkrankungen und Infektionserkrankungen (HCV, HIV) auf.“ Sie seien oft von Arbeits- und Wohnungslosigkeit, Schulden und Armut betroffen. „Zu Suchtmitteln greifen Menschen dann, wenn sie nicht in der Lage sind, die damit einhergehenden Probleme adäquat zu bewältigen. Treten dann noch Krisen, wie die der letzten Jahre hinzu, verschärft dies das Erleben, Probleme nicht bewältigen zu können und so geraten Abhängigkeitserkrankte in eine Abwärtsspirale, aus der sie ohne professionelle Hilfe kaum herauskönnen“, erklärt die Suchtexpertin.
Da die Suchthilfe in NRW immer noch eine freiwillige Leistung der Kommunen ist, sind politische Akteure auf regionaler und Landesebene gefordert, diesen dramatischen Entwicklungen entgegenzuwirken, indem die Versorgung suchtkranker Menschen sichergestellt und die Suchthilfe und Suchtprävention gestärkt und auskömmlich finanziert wird.