Die geforderte Abschaffung der geltenden Regelung halte ich aus zwei Gründen für vollkommen falsch: Erstens widerspricht die beabsichtigte Streichung der Erklärung von Rechtswidrigkeit der Tötung eines ungeborenen Menschen und die Strafandrohung in einigen Fällen fundamental der Rechtsordnung, die in Deutschland auf Grundlage des Naturrechtes als Personenrecht beruht und zwar konkret auf Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dies gilt unbedingt, unter Absehung jeder Bedingung von Schuld eines Menschen – weswegen auch die Todesstrafe für einen schuldigen Menschen verboten ist – oder Umständen der Tat, etwa im Fall der Vergewaltigung.
Allenfalls ist, wie es der derzeitige Kompromiss im geltenden Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches korrekt vorsieht, eine Differenzierung von Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit möglich, in sehr schweren Fällen, in denen eine Zumutbarkeit der Schwangerschaft für die Frau vom Gesetzgeber nicht durchführbar und durchsetzbar erscheint. Daher eben die straffreie Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs nach vorheriger Beratung trotz bestehender Rechtswidrigkeit, wie es Paragraf 218 im Strafgesetzbuch vorsieht. Das bedeutet aber auch: Es gibt kein Recht auf Abtreibung, es bleibt ein Unrecht gegenüber dem ungeborenen Kind, auch wenn der schwangeren Frau himmelschreiendes Unrecht zuvor angetan wurde. Abtreibung bleibt als direkte Tötung eines Menschen Bestandteil des Strafrechts.
Nicht betroffen hiervon ist der vitale oder medizinische Konflikt: Wenn nur das Leben der Mutter oder das Leben des Kindes gerettet werden kann, ist der Arzt zur Rettung der Mutter auch um den Preis der in Kauf genommenen Tötung des Kindes – als Nebenfolge der medizinischen Handlung – berechtigt, da es sich dann um – moraltheologisch gesehen – eine Handlung mit Doppeleffekt und nicht um eine direkt gewollte und angestrebte Tötung des Kindes handelt.
Und das ist dann auch mein zweiter Grund, warum ich das Vorhaben für falsch halte: Wir würden hinter diese wichtige Differenzierung und den Kompromiss zwischen den Gütern des Selbstbestimmungsrechts der Frau und des Lebensrechts des Kindes zurückfallen in die graue Vorzeit grausiger rechtsfreier Räume. Denn: Das Strafrecht und überhaupt der Gesetzgeber betrachten mit besonderer Sorgfalt den je schwächeren Teil der Rechtsordnung, in diesem Fall also das ungeborene Kind, das selbst seine Stimme zur Selbstbestimmung nicht erheben kann.