Das 1500-Seelen-Dorf Fleckenberg, heute der Stadt Schmallenberg zugehörig, hat eine seltsame Geschichte. Jahrhundertelang verlief eine befestigte Gerichtsgrenze, eine Aneinanderreihung von Grenzsteinen in gewissem Abstand, durch den Ort. In vorpreußischer Zeit gehörte Niederfleckenberg zum Gericht Bilstein und kirchlich zu Wormbach, Oberfleckenberg hingegen zum Gericht Oberkirchen und kirchlich zu Grafschaft. Daher hatte jeder Ortsteil eine eigene Kapelle, eine gemeinsame Kirche gab es nicht.
Die Trennung blieb lange über das Ende der deutschen Kleinstaaterei hinaus erhalten. Erst im Jahr 1900 wurde die Kirchengemeinde Fleckenberg gegründet. Damit war die Kirche bei der Vereinigung der Ortsteile schneller als der Staat. Die Trennung in zwei politische Gemeinden hielt sich sogar bis 1920.
Synagogenorgel in Fleckenberg
Zeugnis der Vereinigung von Ober- und Niederfleckenberg ist St. Antonius Einsiedler. Der Grundstein der im neoromanischen Stil erbauten Wandpfeilerkirche wurde 1905 an der Grenzlinie zwischen den Ortsteilen gelegt, ein Jahr später war der Bau fertiggestellt. Das Gotteshaus nimmt Frank Hanses aus gleich drei Perspektiven in den Blick: Als geschäftsführender Kirchenvorstandsvorsitzender gilt sein Augenmerk der Entwicklung der Gemeinde, als Ortsheimatpfleger sieht er die kulturgeschichtliche Bedeutung des Gotteshauses, als Pianist und Organist legt er den Fokus auf die Kirchenmusik. „Und in allen Belangen“, so Hanses, „ist unsere Kirche etwas Besonderes.“
Ihre außergewöhnliche Rolle hat die Kirche St. Antonius Einsiedler paradoxerweise dem Umstand zu verdanken, dass beim Bau des stattlichen Gotteshauses finanzielle Schwierigkeiten auftraten. Deswegen wurde vieles von der Ausstattung der alten Antoniuskapelle in die neue Kirche übernommen und blieb auf diese Weise erhalten. Wesentlicher noch ist, dass Geldnot die Fleckenberger im Jahr 1906 zwang, eine möglichst günstige Orgel zu erwerben. Die Wahl fiel auf ein gebrauchtes, noch rein mechanisches Stück. „Erst in den 1990er-Jahren stellte sich bei einer Reparatur heraus, dass wir eine Rarität besitzen“, weiß Frank Hanses. „Wir haben in Fleckenberg eine von wenigen erhaltenen Synagogenorgeln.“
„Bible Poems“
Diese ist das Zeugnis eines Sonderwegs des deutschen Reformjudentums. Während orthodoxe jüdische Gemeinden Orgelmusik ablehnten, setzten sich in reformorientierten jüdischen Gemeinden Deutschlands ab Mitte des 19. Jahrhunderts Synagogenorgeln als Begleitinstrumente für die Liturgie durch. Ursprünglich wurde die Fleckenberger Orgel im Jahr 1865 von der Orgelbaufirma Adolph Ibach & Söhne für die Synagoge in Aachen gebaut. Als die dortige jüdische Gemeinde 1905 ihre Orgel gegen ein besseres Stück austauschte, kam die alte Orgel über den Gebrauchtinstrumentenmarkt nach Fleckenberg und konnte im Schoß der Kirche der Zerstörung durch die Nationalsozialisten in der Pogromnacht des 9. Novembers 1938 entgehen.
Jüdische Orgelmusik aber ging in der NS-Zeit unter. „Selbst wenn jüdischen Komponisten die Flucht gelang, bot ihnen das Exil nicht die gleichen Rahmenbedingungen für ihre Kunst“, erklärt Frank Hanses. Umso wichtiger ist es, das Erbe der jüdischen Orgelmusik zu erhalten und sie nach Möglichkeit wiederzubeleben. Dazu leistet Fleckenberg einen wichtigen Beitrag: Nach der Wiederentdeckung der Synagogenorgel wurden in der Kirche Konzerte mit jüdischer Orgelmusik gegeben, 2021 beteiligten sich internationale Künstlerinnen und Künstler an der CD-Produktion „Bible Poems“. Erhältlich ist die CD gegen eine Spende im Schriftenstand der Pfarrkirche St. Antonius.