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© Hans Blossey / luftbild-blossey.de

Frau Dennemark, Franz Stock und der Frieden

Der Zweite Weltkrieg klingt für viele heute weit weg und wenig relevant. Margreth Dennemark versucht, trockenen Zahlen ein Gesicht zu geben.

Manchmal stolpert man über etwas. Manchmal sieht man etwas mit neuen Augen. Und dann stellt sich die Frage: Ist die Neugierde groß genug, um weiterzuforschen? Wer mit Margreth Dennemark aus Arnsberg spricht, der merkt: Für sie lautet die Antwort auf diese Frage häufiger Ja als Nein. Und das ist gut und wichtig. Ganz besonders, wenn es um den Priester Dr. h.c. Franz Stock (1904-1948) aus Arnsberg-Neheim geht – der von vielen Menschen in Deutschland und vor allem in Frankreich sehr verehrt wird, weil er während der deutschen Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg als Seelsorger für gefangene und zum Tode verurteilte Widerstandskämpfer wirkte.

Ein Beispiel: In Franz Stocks (1904-1948) Tagebuch findet Margreth Dennemark einen Eintrag. Darin berichtet der Geistliche von einer Gruppe französischer Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg, die von den deutschen Besatzern festgenommen wurden und nun ihre Hinrichtung erwarten. Stock begleitet sie bis zuletzt als Seelsorger. Unter den Gefangenen sind auch drei Schüler, gerade 18 Jahre alt. Stock vermerkt ihre Namen und schreibt: „Zwei haben gebeichtet und kommuniziert. Der dritte hat aus Trotz abgelehnt.“ Eine Tagebuchnotiz von hunderten. Drei Namen von hunderten. Doch Margreth Dennemarks Neugierde ist geweckt.

Wer war Franz Stock?

 

Hier finden Sie eine Beschreibung des Lebens und Wirkens von Abbé Franz Stock mit vielen Fotos.

 

 

Drei Schüler und Franz Stock

Sie forscht nach und erfährt, dass diese drei Jungen auf ein Gymnasium in der Bretagne gegangen sind. 2018 ist sie für einen Kongress selbst in der Gegend und nimmt Kontakt zu der Schule auf. Ein Geschichtslehrer trifft sich mit ihr. Sie zeigt ihm die Tagebuchnotiz und er fällt aus allen Wolken: „Das sind ja unsere Schüler! Der Priester, der die drei Jungen begleitet hat, das war Franz Stock? Das war uns nicht bewusst!“ Die drei hatten in Briefen an ihre Familien nur von einem katholischen Priester geschrieben. So etwa George Jeoffry: „Es ist Mittag und der katholische Priester kommt zu uns. Obwohl ich niemals praktizierte, werde ich beichten. Die Erschießung wird um drei Uhr sein. Sicherlich wird man uns in zwei Stunden abholen.“ Diese Briefe – die Franz Stock für sie aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt und ihren Familien weitergeleitet hatte – kennt wiederum Margreth Dennemark noch nicht. Der Geschichtslehrer kann ihr sogar drei Fotos der Jungen zeigen. Aus einer Tagebuchnotiz werden dreidimensionale Figuren. Menschen.

All diese Informationen nimmt sie mit nach Hause ins Sauerland. Da hat Dennemark ihn überhaupt kennengelernt, den Priester Franz Stock. Auch das hat mit dem Stolpern und der Neugierde zu tun. Denn Margreth Dennemark ist keine gebürtige Sauer-, sondern Saarländerin. In ihrem Geburtsjahr 1948 gehört diese Region noch zu Frankreich. Sie besucht ein französisches Pensionat, macht Urlaub in der Bretagne. Später, als das Saarland schon Bundesland der Bundesrepublik Deutschland ist, ziehen Dennemark und ihr Mann ins Sauerland. Sie lässt sich zur Erzieherin ausbilden. Und übernimmt im Jahr 1987 die Leitung eines Kindergartens in Arnsberg-Neheim.

© privat

"Der Mensch war ihm wichtig"

Dieser Kindergarten ist nach einem gewissen Franz Stock benannt. Für Margreth Dennemarks neue Kolleginnen ist der Name Alltag. Ein Politiker vielleicht? Oder ein Priester? Margreth Dennemark möchte es genau wissen. Man verweist sie an das Haus, in dem Franz Stock aufgewachsen ist. Das steht immer noch und wird bewohnt: von den beiden Schwestern des Priesters, von denen die ältere in Paris seinen Haushalt geführt hat. Die beiden erzählen, zeigen ihr die Einrichtung seiner Wohnung – die sie komplett aus Paris mitgenommen haben –, seine Bilder. Und Margreth Dennemark merkt: Der ist in so vielem ja wie ich! Beide haben einen engen Bezug zu Frankreich, sprechen die Sprache, waren in katholischen Jugendgruppen, lieben die Bretagne. Aus dem Namen am Eingang ihres Kindergartens wird ein Mensch.

Ein Mensch, der sich für andere eingesetzt hat. Auch wenn es für ihn selbst gefährlich wurde. „Franz Stock hat den Menschen, die Würde eines jeden Menschen ins Zentrum seines ganzen Handelns gestellt. Während seiner ganzen Zeit in Frankreich“, sagt Margreth Dennemark. „Der Mensch war ihm wichtig, nicht die Religion, nicht die Herkunft, nicht die Staatszugehörigkeit.“ Geprägt vom Ersten Weltkrieg und den schwierigen Jahren der Zwischenkriegszeit, setzt sich Stock zeitlebens für die Versöhnung zwischen Franzosen und Deutschen ein – die sich damals als „Erbfeinde“ sahen.

"Wir müssen dankbar sein, dass wir in Frieden leben dürfen."

„Es ist mir wichtig, die Friedensbotschaft von Franz Stock weiterzugeben. Wenn wir uns die Auseinandersetzungen und Kriege unserer Tage anschauen – die wir nie für möglich gehalten hätten und die trotzdem ausgebrochen sind – müssen wir uns erinnern: Jede und jeder kann sich für Frieden, Freiheit und Demokratie einsetzen.“ Und die Geschichte der deutsch-französischen Versöhnung zeige, dass man auch etwas erreichen kann. „Wie Franz Stock: Durch Menschlichkeit, durch das Hinwenden zum Anderen und durch Verständnis.“ Gerade junge Menschen will sie dafür sensibilisieren, dass Frieden nicht selbstverständlich ist, dass Demokratie erhalten werden muss.

Als Margreth Dennemark 2018 aus der Bretagne zurück ins Sauerland kommt, gibt sie die Briefe der jungen Widerstandskämpfer einer Französischlehrerein am Arnsberger Franz-Stock-Gymnasium. Im Unterricht übersetzt ihr Kurs die Texte. Die Lehrerin sagt ihr hinterher: „Ich habe noch nie eine so andächtige Stille im Unterricht erlebt wie in dieser Stunde.“ Und ihre Schülerinnen und Schüler sagen: „Ich bin erschüttert, diese Schüler waren nicht viel älter als ich.“ „Beeindruckend, wie sich Franz Stock jedem Menschen zugewandt hat“, sagt ein anderer. „Es ist bewundernswert, was Franz Stock für den Frieden getan hat.“ Oder: „Wir müssen dankbar sein, dass wir in Frieden leben dürfen.“

Frau Dennemark sagt: „Darum mache ich das! Wenn ich nur trockene Zahlen in den Raum werfe, erreiche ich kaum jemanden. Mit diesen Geschichten schon.“ Und die Botschaft dieser Geschichten hat auch heute weiter Relevanz. Wie gut, dass Margreth Dennemark zu den Menschen gehört, die auf die Frage „Ist die Neugierde groß genug, um weiterzuforschen?“ häufiger mit Ja als mit Nein antwortet.

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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© phive / Shutterstock.com

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