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Erzbistum Paderborn
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Läutemannschaft von St. Cäcilia aus Werl-Westönnen© Cornelius Stiegemann / Erzbistum Paderborn

Beiern: Glockenkonzerte mit Potenzial

Am 10. März gibt es in Paderborn zur Einführung von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz etwas Besonderes zu hören: Ein Glockenkonzert an fünf Kirchen, bei dem zehn Frauen und Männer die Glocken manuell anschlagen. Pastor Martin Hufelschulte erzählt, was ihn und die anderen am Beiern fasziniert

Der Aufstieg ist beschwerlich. Pastor Martin Hufelschulte muss den Kopf einziehen, damit er sich nicht an der niedrigen Decke stößt. Die Ärmel seiner schwarzen Fleecejacke streifen den weißen Putz an den Wänden. Die Wendeltreppe im Seitenturm des Paderborner Domes ist nicht für großgewachsene Menschen wie Hufelschulte gebaut.

Das Wichtigste bei einem Glockenkonzert

Doch der Pastor lässt sich nicht beirren. Es geht um eine letzte Kurve – dann steht Hufelschulte im Glockenstuhl. Ein einziger, hoher Raum. Ein einziger, riesiger Klangkörper. Das ist direkt zu hören, als draußen an der Turmuhr der große Zeiger auf Minute 15 vorrückt. Eine Glocke schlägt dreimal zur Viertelstunde. Der Ton ist so laut, dass man die gerade erklommene Treppe fast wieder herunterfällt. Jetzt ist klar, warum Hufelschulte vor dem Aufstieg sagte: „Das Wichtigste bei einem Glockenkonzert ist ein guter Gehörschutz.“

Sobald die Glockenschläge verklungen sind, sind Stimmen von weiter oben zu hören. Hufelschultes Neffen Sebastian und Tobias Schlünder befestigen eine Ebene höher im stählernen Glockenstuhl gerade eine violette Schlaufe am Klöppel einer Glocke. Daran haken sie einen Spanngurt ein. Tobias Schlünder drückt den Klöppel bis kurz vor die Außenwandung der Glocke, Sebastian Schlünder spannt den leuchtend orangenen Spanngurt. Dann: Ein kräftiger Zug am anderen Ende des Spanngurtes und ein Ton erklingt. Passt. So machen die beiden Brüder sechs der acht Glocken bereit für die Generalprobe. Am Ende ziehen sich mehrere Spanngurte durch den Glockenstuhl, dazu Drahtseile und Ketten.

Eine vergessene Tradition wird in Paderborn wiederbelebt

Anlässlich der Amtseinführung von Dr. Udo Markus Bentz als neuem Erzbischof von Paderborn wird in fünf Paderborner Gotteshäusern – neben dem Dom sind es die Abdinghof-, die Gau- und die Busdorfkirche sowie die Bartholomäuskapelle – eine alte Tradition von Hufelschulte und seinem Team wiederbelebt: das Beiern.

Beiern – diesen Begriff muss man heute nicht nur Autokorrekturprogrammen beibringen. Auch viele Menschen lässt der Begriff erst einmal ratlos zurück. Das war früher anders. In seinem Buch „Aus dem religiösen Volksleben im Fürstbistum Paderborn während des 17. und 18. Jahrhunderts“ schreibt der Paderborner Bistumsarchivar und Priester Christoph Völker, dass das „Beiern an den Vorabenden und in der Frühe der Feste“ jahrhundertelang die Regel war.

Beiern – was ist das?

Wenn im Kirchturm die Glocken läuten, dann läuft das so ab: Elektronische Läutemaschinen bewegen die Glocken hin und her, sodass der Klöppel mitschwingt und an beiden Seiten an die Glocke schlägt. Beim Beiern steht die Glocke dagegen still. Der Ton wird erzeugt, indem der Klöppel über Seilzüge an die Glockenwandung geschlagen wird. Beiern ist mit einem Geläut von mindestens drei Glocken möglich. Je nach Größe des Geläuts können Melodien oder ganze Lieder gespielt werden. Daneben gibt es noch das Taktbeiern oder Zusammenläuten, bei dem eine Glocke geschwungen wird, also durchläutet und den Takt vorgibt. Weitere Glocken werden dazu im Rhythmus angeschlagen. Das Taktbeiern wurde in früheren Jahrhunderten an kirchlichen Feiertagen eingesetzt.

Wie ein Brauch verlorengeht

Auch für das Erscheinungsjahr seines Buches, 1937, stellt er fest: „Es erfreut sich bis zur Stunde im Paderborner Lande höchster Beliebtheit.“ Doch noch im gleichen Jahrzehnt ändert sich das, wie Hufelschulte erzählt. „In den 1930er Jahren kommen die ersten elektrischen Läutemaschinen auf.“ Die Maschine nimmt den Menschen eine anstrengende und zeitintensive Arbeit ab. Aber sie kann nur Läuten, keine Rhythmen oder Melodien spielen. „Damit geht das Beiern verloren.“

Im Glockenstuhl des Domes schaut Hufelschulte auf die Uhr. Er sagt: „Noch fünf Minuten. Alle auf Position!“ Gespielt wird immer zu zweit. Daniela Kuchenbuch und Sebastian Schlünder nehmen an den Spanngurten Aufstellung. Auf den Notenständern vor ihnen klemmen Blätter mit großen Zahlen über den Noten. Diese Zahlen finden sich als kleine Schildchen auch an den Spanngurten. „Noch eine Minute. Alle bereit?“, ruft Hufelschulte. Zwei kurze Jas kommen – gedämpft durch den Gehörschutz – zurück. Und dann greifen Daniela Kuchenbuch und Sebastian Schlünder in die Spanngurte, lassen eine dritte Glocke über ein Pedal erklingen. Langsam formieren sich einzelne Töne zu einer Melodie: „Großer Gott, wir loben dich…“

Wer weiß in Westönnen, wie man beiert?

Die Vorbereitungen für das Konzert am Tag der Bischofseinführung laufen seit Monaten. „Direkt nach der Bekanntgabe des neuen Erzbischofs Anfang Dezember haben wir uns getroffen“, erzählt Hufelschulte. Sie haben überlegt, wie sie mit den Geläuten der vier Kirchen beiern können. Haben Lieder herausgesucht, sie auf die Glockentöne hin umgeschrieben. „Bei der evangelischen Kirche haben wir angefragt, ob wir auch in der Abdinghofkirche spielen dürfen.“ Sie dürfen. Langsam aber sicher nahm das Konzert Gestalt an. Dann hieß es: Proben. Aber nicht im Dom, so wie jetzt. Sondern in Westönnen. Da, wo für Hufelschulte alles angefangen hat.

Schon als Kind faszinieren Martin Hufelschulte Kirchenglocken. Das Thema begleitet ihn als Messdiener in Westönnen, einem Ort zwischen Werl und Soest, und auch später noch als Priester. In der Soester Börde hat das Beiern an einigen protestantischen Kirchen überlebt. Anfang der 2000er Jahre, Hufelschulte hat noch seine berufliche Stelle als Energieelektroniker in Bad Sassendorf, kommt bei ihm die Frage auf: Wurde das imposante Geläut von St. Cäcilia in Westönnen – acht Glocken! – immer nur geläutet oder auch gebeiert? Hufelschulte fragt sich durch den Ort. „Zu der Zeit lebte noch ein älterer Herr in Westönnen, der hatte früher an St. Cäcilia gebeiert. Der hat mir viel darüber erzählt.“ Damit kommt ein Stein ins Rollen.

Beier-Begeisterung bei Alt und Jung

Mit Werner Wanders, auch aus Westönnen, tut sich Hufelschulte 2006 als Läutemannschaft zusammen. Sie lesen sich ein, kaufen Seile und beleben den alten Brauch wieder. Aber es sollen nicht nur die Glockenfreunde etwas davon haben: „Wir haben unsere Beier-Konzerte bewusst in den Advent gelegt.“ Dazu Glühwein vor der Kirche. Das ist in Westönnen mittlerweile schon liebgewonnene Tradition. Und wirkt: Die Menschen sagen Hufelschulte hinterher: „Das hat gutgetan! Ich komme wieder!“

Wer Hufelschultes Läutemannschaft sieht, der blickt in Gesichter mehrerer junger Männer und Frauen. Sebastian Schlünder ist schon lange dabei und sagt: „Mit den Glockenkonzerten beginnt für mich der Advent! Das ist meine Einstimmung auf Weihnachten!“ Es gibt ihm und den anderen viel, für die Menschen am Fuße des Turms zu spielen. Und nebenbei fördert es die Identifikation mit dem „eigenen“ Kirchturm, der „eigenen“ Kirche vor Ort. „Das ist besonders auf den Dörfern wichtig“, sagt Hufelschulte.

Eine weitere Läuteart: „O Herr, es kleppet schon!“

Neben Läuten und Beiern gibt es noch weitere Arten des Geläuts. Etwa das Kleppen, das im Erzbistum Paderborn vor allem im ehemals kurkölnischen Sauerland und der Soester Börde verbreitet ist. Dabei wird die Glocke so geschwungen, dass der Klöppel in sehr schneller Abfolge nur an eine Seite der Glocke anschlägt. Diese Art des Geläuts wurde kurz vor Beginn der Messe eingesetzt, um die Nachzügler zur Eile anzutreiben.

Er sieht Glockenkonzerte als eine Möglichkeit, Menschen um den Kirchturm zu versammeln. Ihnen ein Gemeinschaftserlebnis zu ermöglichen. Christliche Themen weiter im Leben der Menschen vorkommen zu lassen. Deshalb ist das Thema Beiern für Hufelschulte nicht einfach nur ein Hobby. Er verbindet es mit einer pastoralen Vision. Neben seiner Begeisterung treibt ihn das an. Und das auch über Westönnen hinaus.

Nachahmen erwünscht!

Seit 2022 ist Hufelschulte Priester im Pastoralen Raum An Egge und Lippe. Er wohnt in Neuenbeken und hat im Glockenstuhl der dortigen Kirche St. Marien entdeckt: Auch hier wurde früher gebeiert. „Das erkennt man noch an der Anordnung der Balken im Glockenstuhl“, sagt er. Beste Voraussetzungen also, den Brauch auch hier wiederzubeleben. Hufelschulte hat schon eine kleine Läutemannschaft zusammen.

Wo immer noch oder bald wieder gebeiert wird

Westönnen und Neuenbeken sind zwei Orte, an denen wieder gebeiert wird. Im Erzbistum Paderborn hat sich die Tradition aber auch anderswo gehalten, etwa in Menden, Olpe und Hörste. Und vielleicht regt das Glockenkonzert am 10. März ja auch in Paderborn den einen oder die andere an, sich näher mit dem Thema Beiern zu beschäftigen.

Dass man damit Menschen begeistern kann, zeigt sich schon am Ende der Generalprobe, nachdem Pastor Hufelschulte die Stufen der engen, geländerlosen Wendeltreppe wieder hinuntergestiegen ist: Auf dem Domplatz stehen viele Menschen. Sie haben ihre Samstagseinkäufe pausiert und den Blick nach oben gerichtet, himmelwärts. Sie haben innegehalten und den Melodien gelauscht. Jetzt gehen sie weiter, in den nächsten Laden, nach Hause. Vielleicht denken sie nicht weiter darüber nach. Vielleicht begleitet sie aber auch ein Ohrwurm durch ihr Wochenende: „Großer Gott, wir loben dich…“

Wäre Beiern nicht auch etwas für Ihren Kirchturm?

Damit auch bei Ihnen vor Ort gebeiert werden kann, müssen diese fünf Punkte geklärt sein:

  1. Wer kann Beiern lernen? Jede und jeder, ob jünger oder älter. Musikalische Vorerfahrung ist hilfreich.
  2. An welcher Kirche kann gebeiert werden? Eine Kirche sollte über ein Geläut von mindestens drei Glocken verfügen, damit gebeiert werden kann. Die spielbaren Rhythmen und Melodien richten sich nach der Anzahl der Glocken.
  3. Wen muss man fragen? Wer das Beiern bei sich in der Gemeinde einführen möchte, sollte vorher mit dem Pfarrer und dem Kirchenvorstand sprechen. Die müssen die Erlaubnis erteilen.
  4. Was braucht es? Material wie Spanngurte, Drahtseile und einiges mehr muss angeschafft werden. Die Kostenübernahme ist zu klären.
  5. Wer macht mit? Das ist ganz wichtig: Das Beiern in Ihrer Gemeinde soll keine Eintagsfliege sein. Bilden Sie eine feste Gruppe, die sich für das Thema interessiert und den Brauch auf lange Sicht pflegen und weitergeben möchte.

Zum „Schnupperbeiern“ könne man gerne in Westönnen vorbeischauen, sagt Pastor Hufelschulte. Im Advent und in der Weihnachtszeit nehme er gerne Interessierte mit in den Glockenstuhl. Wer Interesse habe, könne ihn gerne per Mail kontaktieren: hufelschulte@pr-ael.de

© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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