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Erzbistum Paderborn
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© Foto: Michael Bodin / Erzbistum Paderborn

Wenn Moral auf Recht trifft

Juristentag über Klima-Proteste und andere Formen gesellschaftlicher Selbstermächtigung

„Nach meiner Einschätzung handelt es sich um ein bedeutendes und zeitaktuelles gesellschaftliches Thema, das wir als Gesellschaft nicht aus dem Blick verlieren dürfen“, begrüßte der Paderborner Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck am Montag die 120 Teilnehmenden des 17. Juristentages im Erzbistum Paderborn. In der Katholischen Akademie Schwerte ging es um Klima- und Bauern-Proteste, aber auch um den Vorwurf „politischer Expertokratie“.

Neben den weiteren Referenten hieß Monsignore Dr. Bredeck NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) auf der Tagung herzlich willkommen. Zu den einzelnen Themen referierten Professor Dr. Franz Reimer aus Gießen, Professor Dr. Ken Eckstein aus Bochum und Professor Dr. Jonas Hagedorn, ebenfalls aus Bochum.

Ethische Ziele als Rechtfertigung?

Ausgehend von Phänomenen, wie den so genannten Klima-Klebern der „Letzten Generation“, den Eskalationen von Corona-Protesten oder auch Autobahnblockaden durch protestierende Landwirte, wurde unter anderem gefragt: Handelt es sich um hinzunehmende Formen zivilen Ungehorsams oder um Straftaten? Welche Folgen hätte es, wenn das Verfolgen ethischer oder idealistischer Ziele per se ein Rechtfertigungsgrund für regelwidriges Verhalten wäre?

Mit Bezug auf die Klima-Proteste sah NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach auch eine Generationenfrage gestellt, da es um Lebens- und Zukunftsthemen einer jungen Generation gehe. In seinem Vortrag wies er zugleich auf die erheblichen Probleme gesellschaftlicher Selbstermächtigung hin. „Die Klimaaktivisten fordern uns heraus – auch den Rechtsstaat – aber wir können auch auf eine junge Generation stolz sein, die Partizipation lautstark einfordert“, meinte er. Nicht möglich sei es jedoch, sich bei solchen Protesten auf das Widerstandsrecht nach Artikel 20 des Grundgesetzes zu berufen, denn dies setze voraus, dass jemand anderes die Verfassung außer Kraft setzen wolle.

„Ausreichende demokratische Strukturen“

Letzterem stimmte Prof. Dr. Franz Reimer vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtstheorie der Justus-Liebig-Universität Gießen zu. Das Widerstandsrecht beziehe sich auf den Widerstand gegen einen Staatsstreich. Darüber hinaus ging er auf die Frage eines möglichen „rechtfertigenden Notstandes“ angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel ein. Die Annahme eines solchen Notstandes scheitere jedoch aus rechtlicher Sicht, da das Handeln der Protestierenden nicht geeignet sei, die Wirkung des Klimawandels zu verhindern, sondern sich auf politische Entscheidungen beziehe. Dafür sehe das Grundgesetz aber durch Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Möglichkeit zur Gründung von Parteien ausreichende demokratische Strukturen und Mitwirkungsmöglichkeiten vor.

„Gesellschaftlicher Diskurs notwendig“

Professor Dr. Ken Eckstein, Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, erläuterte, dass Klimaschützer die Gesellschaft dazu anhalten wollten, das Staatsziel Klimaschutz umzusetzen. Dieses auf die Allgemeinheit bezogene Ziel unterscheide sie beispielsweise von den jüngsten Protesten von Landwirten. Das zu bewerten, sei aber nicht Sache von Gerichten. Unter Juristen gebe es daher eine große Skepsis, ob eine legitimierende Wirkung von zivilem Ungehorsam auf das Recht durchschlagen könne. Anstelle der Rechtfertigung von Straftaten gebe es aber Möglichkeiten, bei der Strafzumessung angemessen zu reagieren. Der gesellschaftliche Diskurs darüber müsse geführt werden.

Auf diesen ging im Anschluss Juniorprofessor Dr. Jonas Hagedorn vom Lehrstuhl für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum ein. Die repräsentative Demokratie sei schlecht zu verteidigen, wenn man ihre gegenwärtigen Schwächen nicht thematisiere. Notwendig sei eine „substantielle Repolitisierung und eine Ausbalancierung“ sozialer Gegensätze. Dabei werde es künftig auch um eine gerechtere Verteilung von Wohlstandsverlusten gehen. Die Protestierenden der „Letzten Generation“ stünden durchaus im Einklang mit einer „Demokratisierung der Demokratie“. Sie würden Bedürfnisse thematisieren, denen sich die Gesellschaft aus systemisch-strukturellen Gründen bislang verweigere.

In einer anschließenden Diskussion unter der Leitung von Professor Dr. Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a. D., tauschten sich die Referenten zu den Themen noch weiter aus.

Ein Beitrag von:
Redakteur

Michael Bodin

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