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Erzbistum Paderborn
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Kloster St. Walburg in Eichstätt in dem Benedicta Äbtissin war© Wolfgang Zwanzger / Shutterstock.com

Benedicta von Spiegel: Äbtissin im Widerstand gegen die Nazis

Äbtissin Benedicta von Spiegel leistete überzeugt Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Ihr Handeln gegen Hass und Diskriminierung kann auch heute Vorbild sein

Credo caritati – Ich glaube an die Liebe. Dieses abgewandelte Bibelzitat aus dem 1. Johannesbrief (1 Joh 4,16) wählt Benedicta von Spiegel 1926 als Motto, als man sie zur Äbtissin von St. Walburg in Eichstätt weiht. Credo caritati – für die 52-Jährige nicht bloß ein frommer Spruch. Wer das außergewöhnliche Leben von Äbtissin Benedicta besser verstehen möchte, der kann sich an diesem Motto orientieren: Ich glaube an die Liebe. In diesen Worten liegt der Grund, warum sich Benedicta von Spiegel nicht hinter Klostermauern verschanzt, sondern sich zum aktiven Widerstand entschließt. Widerstand gegen eine Ideologie und später ein Regime, die eben das bedrohen, was ihr am wichtigsten ist: die Liebe zu Gott und unter den Menschen.

Ostwestfälische Wurzeln

Als Elisabeth Freiin Spiegel von und zu Peckelsheim wird sie 1874 auf dem Rittergut Helmern in eine alte westfälische Adelsfamilie geboren. Eine Romreise mit ihrer Großmutter weckt in ihr den Wunsch, Nonne zu werden. Die selbstbewusste junge Frau setzt sich gegen den Willen ihrer Familie durch, die sie lieber standesgemäß verheiratet gesehen hätte. 1900 tritt sie in das Benediktinerinnenkloster Maredret in Belgien ein. Wegen des Ersten Weltkriegs muss sie es wieder verlassen. Nach einer Station in der Abtei St. Hildegard in Eibingen kommt sie 1918 nach Eichstätt in die Benediktinerinnenabtei St. Walburg. Nach schwierigen Jahren voller Zweifel am Ordensleben blüht sie hier auf. Das scheinen auch ihre Mitschwestern zu merken. Bald werden ihr erste Abteiämter übertragen. 1926 folgen schließlich die Wahl und Weihe zur Äbtissin. Dieses Amt füllt sie 26 Jahre lang aus. Doch schon die ersten Jahre stellen sie vor große Herausforderungen.

1923 scheitert der sogenannte Hitlerputsch, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) wird verboten. Ein Jahr später ist Adolf Hitler wieder auf freiem Fuß und ab 1925 steht die Partei wieder auf Wahlzetteln. Hitler will nun nicht mehr durch Putsch und Gewalt, sondern mit einer strikten „Legalitätstaktik“ an die Macht kommen. Dafür wendet sich die Wahlpropaganda der NSDAP vor allem an bürgerliche Kreise. Bei Beamten, Handwerkern, Bauern und Einzelhändlern schürt sie Ängste vor wirtschaftlichem oder sozialem Abstieg. Den in der Bevölkerung bereits vorhandenen Antisemitismus baut sie zum klaren Feindbild aus. Ab 1929 stimmen mehr und mehr Deutsche für die rechtsextreme Partei.

Vom Freundeskreis zum Widerstandszirkel

Diese Entwicklung beobachtet Äbtissin Benedicta mit wachsender Sorge. Und sie ist damit nicht allein. Um die Bäuerin Therese Neumann – eine nach wie vor umstrittene Mystikerin – bildet sich in diesen Jahren ein fester Kreis. Dem gehören neben der Äbtissin zwei Eichstätter Theologieprofessoren, ein Kapuziner und ein wohlhabender Adeliger an. Unter den Mitgliedern ist der Journalist Fritz Gerlich am bekanntesten, der für die Münchner Neuesten Nachrichten schreibt, den Vorgänger der Süddeutschen Zeitung.

Die Gruppe erkennt früh, welche Gefahr von der Ideologie der Nationalsozialisten ausgeht. Zum einen für die Kirche und den christlichen Glauben. Zum anderen für die Menschen, die nicht in das rassistische Weltbild der Nationalsozialisten passen: Jüdinnen und Juden, behinderte Menschen, Sinti und Roma sowie politisch Andersdenkende. Benedicta von Spiegel und ihr Freundeskreis sehen, wie die nationalsozialistische Propaganda auch in bürgerlichen Kreisen zündet.

Menschenwürde gegen Rassenideologie

Die Freunde um Äbtissin Benedicta und Therese Neumann hingegen sind von der Gültigkeit des Naturrechts überzeugt: Allen Menschen kommen als Geschöpfen Gottes die gleiche Würde und die gleichen Rechte zu – und zwar unveränderlich für alle, egal welcher Hautfarbe, Religion, Nationalität sie sind. Die Ideologie der Nationalsozialisten steht dazu in krassem Widerspruch. Und das können Benedicta von Spiegel und ihr Freundeskreis nicht hinnehmen.

Die Entwicklung im Großen spiegelt sich in der Entwicklung im Kleinen. Häufig weilt die Äbtissin bei ihrer Familie in ihrer „geliebten Heimatdiözese“ Paderborn. Hier muss sie mit ansehen, wie die Ideologie die Familie spaltet. Ihr jüngerer Bruder Joseph wird 1933 Landrat von Warburg – als Parteimitglied der NSDAP. Er ist für die Deportation der Warburger Jüdinnen und Juden verantwortlich. Ein weiterer Bruder ist im Widerstand aktiv und muss mehrfach von seiner Familie vor der Gestapo versteckt werden. Benedicta von Spiegel bestärkt das nur in ihrer Überzeugung, die sie in ihrem Motto ausdrückt: Credo caritati. Wer an Gott als die Liebe zu allen Menschen glaubt, der kann nicht zwischen „Untermenschen“ und „Herrenmenschen“ unterscheiden. Für die Äbtissin ist klar, dass sie nicht zusehen kann, wenn gegen ihre innersten Überzeugungen vorgegangen wird.

Wegen Benedicta von Spiegel: Geburtsort Helmern wird NRW-Frauenort

„Die Geschichte Nordrhein-Westfalens kann nicht ohne Frauen erzählt werden“, deshalb wählt das Projekt „Frauenorte NRW“ Orte aus, an denen Frauenpersönlichkeiten erinnert werden soll. Ab dem 25. August wird Helmern einer dieser 50 Frauenorte sein. Denn mit Benedicta von Spiegel (1874-1950), Äbtissin der Eichstätter Benediktinerinnenabtei St. Walburg, ist hier eine außergewöhnliche Frau geboren und aufgewachsen. Weitere Frauenorte auf dem Gebiet des Erzbistums sind etwa in Höxter, Bielefeld, Arnsberg und Schwerte. Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des Projektes

„Frauenorte NRW“

 

Katholischer Journalismus gegen Hass und Hetze

Gemeinsam gründen die Freunde die katholische Wochenzeitung „Der gerade Weg“. Fritz Gerlich entlarvt mit seinen Texten die Ideologie der Nazis. Er greift Hitler und andere NS-Funktionäre an. Und kritisiert die bürgerlichen Kreise, die Hitler unterstützen oder daran glauben, ihn in einer Koalition bändigen zu können. Bis zuletzt warnt Gerlich vor der Gefahr einer Machtergreifung der Nationalsozialisten. Als es 1933 dann doch dazu kommt, weigert er sich zu fliehen. In den Redaktionsräumen des „Geraden Wegs“ wird er von einer Gruppe SA-Männer gefoltert und verhaftet. Nach erneuter Folter erschießt man ihn 1934 im Konzentrationslager Dachau. Die katholische Kirche führt ihn heute als Glaubenszeugen im Martyrologium des 20. Jahrhunderts und hat ein Seligsprechungsverfahren für ihn eröffnet.

Nach Gerlichs Tod wird die Zeitung eingestellt, die verbliebenen Mitglieder des Eichstätter Kreises hören aber nicht auf. Äbtissin Benedicta gelingt es, eine junge Nonne, die vom Judentum zum Christentum konvertiert war, nach England in Sicherheit zu bringen. Die Gruppe verteilt Flugblätter. Mehrfach durchsucht die Gestapo die Wohnungen der Widerständler – ahnt aber nicht, dass die Flugblätter von einer Nonne auf einer Schreibmaschine im Kloster St. Walburg getippt werden. Außerdem gibt es einen Komplizen in höchsten Kreisen: Ein Duzfreund von Rudolf Heß, dem Stellvertreter Hitlers, kann in mehr als einem Fall durch gezielte Einflussnahme Schlimmeres verhindern.

Äbtissin Benedicta als Vorbild

Gegen Ende des Krieges nimmt Benedicta von Spiegel unter Lebensgefahr Kontakt zu den herannahenden alliierten Truppen auf. Sie gibt die Stellungen von Wehrmacht und SS weiter – und bewahrt Kloster und Stadt so vor Bombardement und Straßenkämpfen.

Credo caritati – Ich glaube an die Liebe. Dieses Motto machte aus einer Äbtissin eine Widerständlerin und Spionin! Stand sie als Frau lange im Schatten der anderen Mitglieder des Widerstandskreises, ehrt man sie heute in Eichstätt und ihrem Geburtsort Helmern bei Willebadessen. Doch sie kann Christinnen und Christen an allen Orten ein Vorbild sein.

Aus der Perspektive des Glaubens ist auch heute klar: „Jeder Mensch besitzt eine unantastbare und unverfügbare Würde. Sie gründet in der Gottebenbildlichkeit aller Menschen und ist die Basis der Menschenrechte.“ So schreiben es die deutschen katholischen Bischöfe in ihrer Erklärung gegen völkischen Nationalismus. Und stehen damit in einer Linie mit Benedicta von Spiegels „Credo caritati“.

© Wolfgang Zwanzger / Shutterstock.com
© Wolfgang Zwanzger / Shutterstock.com

Buchtipp: „Lady Abbess. Benedicta von Spiegel. Politische Ordensfrau in der NS-Zeit“

Benedicta von Spiegel (1874-1950) war keine gewöhnliche Ordensfrau: weltläufig, hochgebildet und im Widerstand gegen die Nazis. Das hat Gerlinde Gräfin von Westphalen dazu motiviert, ihr ein Buch zu widmen. Dafür hat sie erstmals Dokumente aus dem Archiv der Abtei St. Walburg auswerten können. Herausgekommen ist ein lebendiges Bild einer besonderen Äbtissin.

Gerlinde von Westphalen: „Lady Abbess. Benedicta von Spiegel. Politische Ordensfrau in der NS-Zeit“, Aschendorff Verlag, Münster, 2. Auflage 2023

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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