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Erzbistum Paderborn
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© Traveller Martin / Shutterstock.com

Exerzitien: Intensive Begegnung mit Gott

Stille statt Alltagslärm – in den Exerzitien, den geistlichen Übungen, geht es um die Fragen des Lebens und des Glaubens. Mit lebensverändernder Wirkung.

Exerzitien müssen nicht lebensverändernd sein. Aber sie können. „Mein ganzes Dasein erblickte ich in einem neuen Lichte und faßte kräftige Entschlüsse für die Zukunft – ich fühlte, dass ich ein neues, besseres Leben beginnen mußte.“ So schreibt Pauline von Mallinckrodt 1842, nachdem sie zum ersten Mal Exerzitien gemacht hat. Aus ihren Sätzen liest man heraus, was für einen nachhaltigen Eindruck die geistlichen Übungen (das Wort Exerzitien kommt vom Lateinischen „exercere“, was „üben“ und „trainieren“ bedeutet) auf die damals 25-jährige Frau gemacht haben. Sie sind für sie eine intensive Begegnung mit Gott – und wirken lebensverändernd.

Pauline von Mallinckrodt entscheidet sich während der Exerzitien, ihr Leben zu ändern

Pauline von Mallinckrodt erkennt, dass dieses „neue, bessere Leben“ ein geistliches sein soll. Nicht das behütete und privilegierte Leben einer Adelstochter. Ein Leben, das dem Dienst an Gott und den Menschen geweiht ist. Doch wie genau kann das aussehen? Soll sie sich einem Orden anschließen? Oder selbst einen gründen? All diese Fragen nimmt Pauline von Mallinckrodt wieder mit in weitere Exerzitien. Teil der Exerzitien nach dem heiligen Ignatius von Loyola, die sie besucht, ist die „Unterscheidung der Geister“, eine Methode der Selbsterforschung. Nach und nach sieht sie klarer. Das Ergebnis ist die Gründung der Kongregation der Schwestern der Christlichen Liebe am 21. August 1849.

 

Was ihr selbst so gutgetan und so viel gebracht hat, will Pauline von Mallinckrodt weitergeben. Erst an ihre Mitschwestern, ab 1852 auch an Laien. Sie öffnet ihr Kloster, damit dort junge Frauen und Lehrerinnen Exerzitien machen können. Schon ein Jahr später melden sich so viele Exerzitantinnen an, dass die Ordensschwestern ihnen ihre Betten überlassen und selbst auf dem Boden schlafen. Die Mühen werden belohnt: „Die Teilnehmerinnen fanden so viel Licht und Trost in den heiligen Übungen, (…) daß wir uns allzeit freuten, ihnen zur Erlangung so großer Gnaden nach Kräften die Hand geboten zu haben“, schreibt Pauline von Mallinckrodt. Bis zum heutigen Tag ist die Exerzitienarbeit eine der Kernaufgaben des Ordens.

Exerzitien als Möglichkeit der Gottesbegegnung

Heute muss niemand mehr auf dem Boden schlafen, um Exerzitien zu machen. Die Betten im Exerzitienhaus Maria Immaculata – dem ältesten seiner Art im Erzbistum Paderborn – sind bequem und in ausreichender Zahl verfügbar. Das soll allerdings nicht der einzige Grund sein, sich auch im 21. Jahrhundert mit dem Thema Exerzitien auseinanderzusetzen. Sr. Clara Schmiegel von den Schwestern der Christlichen Liebe, die das Exerzitienhaus seit 2022 leitet, weiß: „Exerzitien sind eine wunderbare Möglichkeit, in der Stille Gott und mir selbst zu begegnen. Und zu merken, dass wir beide etwas miteinander zu tun haben.“

Zur Ruhe kommen, Stille finden. Schweigen. „Das ist die Grundvoraussetzung für alle Exerzitien“, sagt Sr. Clara. „Weil ich im Schweigen weniger abgelenkt bin.“ Abgelenkt von was? Man könne sich die Beziehung zu Gott wie die Beziehung eines Paares vorstellen. „Mein Partner oder meine Partnerin lebt mit mir, jeden Tag. Aber im Alltag ist jeder in seinem Trott: Die Kinder von der Kita abholen, Wäschewaschen, mit dem Hund rausgehen, Begegnungen mit Menschen auf der Arbeit. Da ist es wichtig, einen Schritt aus dem Alltag herauszutreten und sich Zeit füreinander zu nehmen.“ Das tut einer Paarbeziehung gut. Das tut auch der Beziehung zwischen Gott und einem selbst gut.

Beziehungspflege mit Gott

Denn was ist Glaube eigentlich? Ist es Bibelkenntnis oder theologisches Wissen? „Das gehört sicherlich dazu und hilft mir, meinen Glauben auszudrücken, zu verstehen und Fragen zu stellen. Aber für mich ist Glaube vor allem: Beziehung“, sagt Sr. Clara. Und fährt fort: „Ich kann meinen Glauben nur leben, wenn ich meine Beziehung zu Jesus Christus lebe und aus ihr lebe.“ Exerzitien können Beziehungspflege sein. „Ich nehme mir Zeit, in der ich mich um nichts anderes kümmern muss. Und habe die Gelegenheit, mein Gegenüber besser kennenzulernen, zu erforschen, wer dieser Jesus ist und was mich zu ihm hinzieht.“

Was kommt nach den Exerzitien?

Man könnte sagen: ‚So einen Raum, in dem ich Gott auf intensive Art begegnen kann, den will ich immer haben!‘ Doch es hat sein Gutes, dass Exerzitien zeitlich begrenzt sind – das wusste schon der heilige Ignatius. Denn in der Zeit nach den geistlichen Übungen kann wachsen und vertieft werden, was während den Exerzitien angestoßen wurde.

„Vielleicht merke ich, dass ich etwas von dem, was ich in den Exerzitien kennengelernt habe, auch in meinem Alltag suche“, sagt Sr. Clara. „Das muss nicht gleich das tägliche Stundengebet sein – das können kleine Dinge sein.“ Sich zum Beispiel einfach mal die Zeit nehmen, sich eine Viertelstunde hinsetzen und gar nichts tun. Oder eine Gebetspraxis versuchen. „Es ist wichtig, da eine persönliche Form zu finden, in der man sich wirklich wiederfindet.“ Und so können Exerzitien lebensverändernd wirken. Leiser und langsamer vielleicht als bei Pauline von Mallinckrodt. Aber nichtsdestotrotz lebensverändernd.

© SE Photographer / Shutterstock.com
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Exerzitien im Kleinen: Schwester Claras Tipps für einen „Tag der Geisteserneuerung“

Für die Schwestern der Christlichen Liebe hat das Thema Exerzitien große Bedeutung. Wie schon ihre Ordensgründerin, Pauline von Mallinckrodt, machen sie regelmäßig Exerzitien. In der Regel sind das sechs bis zehn Tage pro Jahr. Das ist aber nicht alles, wie Sr. Clara Schmiegel im Interview verrät.

Redaktion

Einmal im Jahr absolvieren Sie und Ihre Mitschwestern mehrere Tage am Stück Exerzitien. Daneben gibt es aber noch etwas, nicht wahr?

Sr. Clara Schmiegel

In unserer Gemeinschaft gibt es die Tradition, einmal im Monat einen „Tag der Geisteserneuerung“ zu machen. An dem Tag halten wir im ganzen Konvent Stille, auch bei den Mahlzeiten.

Redaktion

Wie gestalten Sie den Tag?

Sr. Clara Schmiegel

Der Tag der Geisteserneuerung ist bei uns immer an einem Sonntag. Da geht es für uns zunächst einmal zur Messe mit anschließender Anbetung. Danach haben wir Schwestern Zeit, uns intensiv mit einer Bibelstelle oder einem geistlichen Text zu beschäftigen. Gesprochen wird erst wieder beim Abendessen nach der Vesper.

Redaktion

Was können Menschen tun, die so einen Exerzitientag auch in ihrem Alltag einführen möchten?

Sr. Clara Schmiegel

Wer das für sich ausprobieren möchte, kann sonntags zum Gottesdienst gehen und – wo das möglich ist – die Anbetung besuchen. Oder Sie setzen sich einfach in eine leere Kirche und verweilen da. Ob in einer Kirche oder zuhause: Nehmen Sie sich eine (halbe) Stunde Zeit für eine Bibelstelle – entweder eine, die Ihnen besonders gefällt oder das Tagesevangelium. Lesen Sie die Textstelle mehrfach. Dann schauen Sie darauf, was das in Ihnen auslöst. Wenn Sie mögen, schreiben Sie Ihre Gedanken auf. Abschließen kann man den Tag, indem man sich abends hinsetzt, eine Kerze anzündet und im Gebet auf den Tag zurückblickt.

Redaktion

Was würden Sie als geistliche Lektüre für den Tag empfehlen?

Sr. Clara Schmiegel

Für so einen Exerzitientag eignet sich zum Beispiel Katrin Brockmöllers „Die Kraft der Veränderung“. Geeignet sind auch die beiden Werke von Reinhard Körner zu den Grundaussagen des Glaubens, „Wie Jesus auferstand“ und „Das Vater unser“. Oder man liest das Buch „Mose“ von Heiner Wilmer, dem Bischof von Hildesheim.

Wüstentage und Exerzitien im Alltag

Einen Tag der Geisteserneuerung kann man auch in Form eines Wüstentages gestalten. Der deutsche Kapuziner Br. Brian Thomas hat eine einfache und schöne Anleitung geschrieben, wie so ein Wüstentag aussehen kann. Sie finden sie auf der

In den besonderen Zeiten des Kirchenjahres, im Advent oder der Fastenzeit vor Ostern, werden in Gemeinden oder auch online „Exerzitien im Alltag“ angeboten. Dafür trifft man sich einmal in der Woche zum gemeinsamen Gebet und Austausch. Und erhält dann Impulse und Gebetshinweise, mit denen man die nächsten sieben Tage unterwegs ist.

© wessam Noufal / Shutterstock.com
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Exerzitien erklärt

Das Wort Exerzitien kommt vom lateinischen „exercere“, das heißt auf Deutsch „Üben“, „Trainieren“, „Sich intensiv mit etwas beschäftigen“. Den Begriff der Exerzitien als geistliche Übungen hat der heilige Ignatius von Loyola (1491-1556), der Gründer des Ordens der Jesuiten, maßgeblich geprägt. Seine Sammlung von Übungen bildet die Grundlage der Ignatianischen Exerzitien. Heute gibt es eine große Vielfalt an Exerzitien-Angeboten.

Pauline von Mallinckrodt hat Exerzitien nach dem heiligen Ignatius von Loyola gemacht, bei denen der Fokus auf der Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und Gesprächen mit einer Begleitperson liegt. Heute ist das Angebot an geistlichen Übungen breit gefächert. Wie findet man da das richtige für sich? „Überlegen Sie sich, was zu Ihnen passt“, rät Sr. Clara Schmiegel. „Wenn Ihnen Bewegung beim Beten hilft oder die Natur für Sie eine Rolle in Ihrem Glauben spielt, dann probieren Sie doch einmal Tanz- oder Wanderexerzitien aus.“ Anderen helfe ein kreativer Zugang. Da gebe es Formate, bei denen man malt oder schreibt.

Benediktinische Exerzitien etwa stellen das Lesen und Meditieren der Schrift in den Mittelpunkt, Gespräche spielen weniger eine Rolle. „Vielleicht ist Ihnen Stille wichtig, dann können kontemplative Exerzitien etwas für Sie sein. Bei dieser Form gibt es keinen Schrifttext.“ Stattdessen betet man täglich vier bis fünf Stunden schweigend zusammen mit anderen. Eine halbe Stunde Sitzen, fünf Minuten Gehen, dann wieder eine halbe Stunde Sitzen, dann ist erst einmal eine Pause – alles schweigend. „Da sitze ich und atme und bin im Atmen beim Namen Jesu“, sagt Sr. Clara Schmiegel.

Jedes Jahr gibt das Erzbistum Paderborn den Exerzitienkalender heraus. Darin finden Sie die verschiedenen Angebote der Klöster und Exerzitienhäuser auf dem Gebiet des Erzbistum Paderborn. Dann gibt es noch die Internetseite exerzitien.info, auf der sich katholische Exerzitienangebote in Deutschland und Österreich finden. Auf der Exerzitien-Seite des Erzbistums Paderborn gibt es weitere nützliche Informationen zu Anmeldung und Förderung von geistlichen Übungen für Einzelpersonen und Gruppen.

 

 

 

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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