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Erzbistum Paderborn
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© Erzbistumsarchiv Paderborn

Kirchenbücher: Mehr als nur Taufen, Trauungen und Sterbefälle

Das Interesse an Genealogie ist groß. Daher bilden die Kirchenbücher die am meisten benutzte Beständegruppe im Erzbistumsarchiv Paderborn. Die Einträge geben unter anderem Auskunft über die Taufen, Trauungen und Sterbefälle - aber auch über vieles mehr

Die Archivalien des Monats September bieten einen Einblick in die sogenannten Notizen der Kirchenbücher, ein Sammelsurium von Inhalten zur Pfarr-, Lokal- und Sozialgeschichte.

Die ältesten Kirchenbücher

Mit dem Taufeintrag von Barbara Wrede am 19. Oktober 1606 in der Pfarrei St. Pankratius in Stockum beginnt die Überlieferung der Kirchenbücher im Erzbistum Paderborn. Ebenfalls aus dieser frühen Zeit der Kirchenbücher stammt der erste Band aus Schliprüthen (1619-1660). Vor seiner Restaurierung war dieses Kirchenbuch in ein altes Pergament mit Noten eingebunden. Nach der Liturgiereform des Konzils von Trient Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Notenhandschrift nicht mehr benötigt und fand als Kirchenbucheinband eine neue Verwendung. Dass diese Form des vormodernen Recyclings kein Einzelfall war, zeigt die virtuelle Ausstellung „Ich war ein Missale. Vom Doppelleben mittelalterlicher Handschriften“ des Landeskirchlichen Archivs Kassel.

Mehr als Taufen, Trauungen und Sterbefälle

Die sogenannten libri baptizatorum, matrimoniorum und defunctorum enthalten aus kirchenrechtlichen Gründen die Eintragungen der Taufen, Trauungen und Sterbefälle. Zusätzlich trugen die Pfarrer noch weitere Informationen ein, die im Online-Portal Matricula unter dem Sammelbegriff „Notizen“ zusammengefasst sind. Hierzu zählen Listen der Namen der Pfarrer, Einkünfteverzeichnisse, Häuserverzeichnisse, Liste mit Mitgliedern von Bruderschaften und pfarrgeschichtliche Ereignisse. Aber auch überregionale Geschehnisse wurden in den Kirchenbüchern thematisiert, wie eine Notiz aus Dringenberg zeigt.

Seltsame Zahlenmystik

Dem damaligen Pfarrer erschienen die Zahlenspielereien aus einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1847 derart bedeutsam, dass er diese unter der Überschrift „Merkwürdige Prophezeiungen“ abschrieb. Hiernach lassen sich die politischen Ereignisse in Frankreich von 1793 bis 1830 anhand von Multiplikationen mit der Zahl 3 erklären. So wurden die Bourbonen im Jahr 1793 gestürzt, 3×3 Jahre später, also 1802, wurde Napoleon erster Konsul. 1814, also 3×4 Jahre später, wurde das Kaiserreich gestürzt, was bis 1815 dauerte und mit der Wiedereinsetzung der Bourbonen 1815 endete. 3×5 Jahre später, also 1830, führte die Juli-Revolution zum Sturz Karls X. Fraglich bleibt nun für den Autor, was im Jahre 1848, also 3×6 Jahre später, passieren werde. Und werde im Jahr 1869 das „Revolutions-Spiel“ mit ewigem Frieden enden?

Hungerwinter in Schlesien und Schnee an Christi Himmelfahrt

Zahlenmystik ist in Kirchenbüchern nur selten anzutreffen. Wetterextreme und damit verbundene Missernten werden dafür häufig dokumentiert. Ein Blick in den achten Band der Kirchenbücher von Grönebach gibt etwa einen Einblick in die Ereignisse des Jahres 1848 in Europa und deren Reflexion vor Ort im Sauerland. Der Verfasser schildert die Hungersnot im Winter 1847 / 1848 sowie die politischen Revolutionsereignisse in Frankreich und deren Folgen für Deutschland. Den Grund für die Abfassung dieser Ereignisse im Sterbebuch von Grönebach beantwortet er mit „Das Leben ist dahin! Nur wachet noch das Sein, das Denken an Vergangenheit!“

Schließlich erklären die geschilderten Vorkommnisse wie die Hungersnot auch die Zahl ungewöhnlich hoher Sterbefälle in Oberschlesien, die laut dem Verfasser durch den Hungertyphus (heute Fleckfieber) verursacht wurden.

Etwas weniger Schlimm war das, was sich im Jahr 1871 in der Woche nach Ostern in Dringenberg ereignete. Eine extreme Kälte führte dazu, dass es in jenem Jahr kein Obst zu ernten gab. Die Kälte zog sich länger hin und nahm extreme Formen an. So musste die Prozession an Christi Himmelfahrt wegen Schneefalls abgesagt werden.

Hausmittel gegen Erkältung und Tollwut

Neben der Schilderung von historischen Ereignissen finden sich auch praktische Hinweise in den Kirchenbüchern, darunter Rezepte gegen verschiedene Krankheiten. Wie auch heute noch wird im Sterbebuch von Voßwinkel aus dem 19. Jahrhundert bei Erkältungen Salbeitee mit Honig zum Süßwerden und nachher etwas Essig empfohlen. Von dem Tee solle man bei Schnupfen täglich sechs bis zwölf Mal einen guten Esslöffel warm trinken, bei Husten und Erkältung des Halses solle man 20- bis 30 Mal täglich gurgeln.

Ungewöhnlicher hingegen sind die Rezepte „gegen die Folgen des Bisses toller Hunde“ (Tollwut). Der 82-jährige Förster Gastel empfiehlt hiergegen warmen Weinessig und laues Wasser, um die Wunde zu waschen und anschließend zu trocknen. Anschließend solle man einige Tropfen Chlorwassersäure auf die Wunde gießen, da Mineralsäuren in der Lage wären, das Gift des Speichels zu zerstören. Dieser Hinweis wurde in Voßwinkel als so wichtig erachtet, dass der Zeitungsausschnitt auf eine Kirchenbuchseite mit weiteren Rezepten geklebt wurde.

Doch nicht nur in Voßwinkel beschäftigte man sich mit der Tollwut. In einem Kirchenbuch aus Albaxen aus dem 19. Jahrhundert findet sich ebenfalls ein Rezept, um Menschen bei Tollwut zu behandeln. In diesem Sinne kann man nur raten: Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie im Kirchenbuch Ihrer Wahl das passende Rezept. Das Erzbistumsarchiv übernimmt aber keine Haftung für die Schäden.

Tipps aus dem Erzbistumsarchiv

Bei den hier dargestellten Notizen handelt es sich nur um eine kleine, zufällige Auswahl aus dem großen Fundus der Notizen in den Kirchenbüchern. Wir möchten Sie dazu ermutigen, in den Kirchenbüchern nicht nur in den Einträgen der Sakramente, sondern auch in den Notizen zu recherchieren und so mehr über das damalige Leben zu erfahren.

Für genealogisch Interessierte gibt es neben den Kirchenbüchern gibt es noch weitere Recherchequellen, wobei die Bestände sowohl in den Pfarrarchiven vor Ort als auch im Erzbistumsarchiv lagern können.

Aufschlussreich sind häufig die sogenannten „Acta specialia“, die Akten der Pfarreien, die Angaben zu den Funktionsträgern und den Inhabern kirchlicher Stellen wie den Geistlichen, aber auch den Küstern und Organisten enthalten. Darüber hinaus sind in den Akten Angaben zu kirchlichem Grundbesitz und zu Nachbargrundstücken protokolliert. Ebenfalls personenbezogene Daten finden sich in den Mitgliedsbüchern von Bruderschaften. Ausführlichere Beschreibungen der Situation in den Pfarreien enthalten die Visitationsprotokolle der Bischöfe, die darin ihre Beobachtungen verschriftlichen.

Bei Fragen zu den Kirchenbüchern sowie weiteren Quellen hilft Ihnen das Erzbistumsarchiv gern weiter.

Erzbistumsarchiv Paderborn
Besucheradresse:
Domplatz 15 (Konrad-Martin-Haus)
33098 Paderborn
Tel.: (0 52 51) 1 25-12 52
E-Mail: archiv@erzbistum-paderborn.de
Geöffnet Montag-Donnerstag, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr

Signatur der Archivalie des Monats Kirchenbücher der angegebenen Kirchengemeinden
Entstehungsdatum 17.-19. Jahrhundert
Kulturhistorische Bedeutung Ein Einblick in die sogenannten Notizen der Kirchenbücher, ein Sammelsurium von Inhalten zur Pfarr-, Lokal- und Sozialgeschichte
Literaturangaben Klüner, Christian, Die Führung der Pfarrbücher vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts am Beispiel des Taufbuchs. Historische Genese, Problemorientierte Praxis, Zukünftige Herausforderungen (Münsterischer Kommentar zum CODEX IRUIS CONONICI, Beiheft 77), Essen 2020

Das Erzbistumsarchiv ist das Gedächtnis unserer Erzdiözese. Es sichert und erschließt die schriftliche Überlieferung und macht Geschichte allgemein zugänglich. Und das sogar kostenlos. Selbst die wertvollsten Archivstücke können Sie sich werktäglich zu den Öffnungszeiten des Erzbistumsarchivs ansehen. Darunter sind selbstverständlich auch die Stücke, die wir Ihnen in unserer Reihe „Die Archivalie des Monats“ vorstellen.

 

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Geöffnet Montag-Donnerstag, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr

 

Ein Hinweis für alle genealogisch Interessierten: Die digitalisierten Kirchenbücher des Erzbistums Paderborn finden Sie auf

Matricula

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Archivarin

Julia Hennig

© Jürgen Hinterleithner
freier Autor

Hans Pöllmann

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