Flehentliche Bitten
„Heiliger Vater, retten Sie uns.“ Mit diesem Zitat aus einem der Briefe war der Festvortrag überschrieben. Die Briefe seien nur Ausschnitte aus dem Leben der verfolgten Menschen, aber aus ihnen lasse sich vieles herauslesen über ihre Situation, das Handeln der Kirche und von Papst Pius XII. Leider würden die letzten Holocaust-Überlebenden nicht mehr lange in der Lage sein, selbst über diese Zeit zu sprechen, erklärte Professor Hubert Wolf. „Wir möchten ihnen mit diesen Forschungen auch ihr Gesicht, ihre Stimme und ihre eigene Geschichte wiedergeben“, erläuterte er.
Klezmer-Musik
Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler hatten ihren Vortrag in zwei Teile aufgeteilt, unterbrochen durch Klezmer-Musik von Bernd Rosenberg (Akkordeon) und Jürgen Steinfeld (Klarinette). Im ersten Teil ging es um Systematiken, Forschungsfragen sowie die Wege der Briefe und die Entscheidungsebenen. Die teils flehentlichen Bitten um finanzielle Unterstützung bei der Flucht, Hilfe bei Familienzusammenführungen oder Fürsprachen bei Behörden gingen über Pfarrer, Bischöfe, die diplomatischen Vertretungen des Papstes oder im Vatikan direkt ein. Sie stammten von Menschen, welche nach den Rassengesetzen des NS-Regimes als Juden verfolgt wurden, darunter auch Angehörige der katholischen Kirche. Viele der Verfolgten waren bereits auf der Flucht in den Niederlanden, Italien oder der Tschechoslowakei und wurden dort von der Verfolgung eingeholt.
Fallbeispiele dazu bildeten den zweiten Teil des Vortrages von Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler, die auch die weitere Entwicklung dieser Fälle recherchierten. Dabei wurde besonders eindrücklich die Not der Verfolgten deutlich. Ihre Bitten blieben teilweise in einer kirchlichen Bürokratie hängen, wurden zwischen verschiedenen Stellen hin- und hergeschickt oder waren abhängig von Vermerken untergeordneter Stellen. Längst nicht alle Bittschreiben erreichten den Papst. Wenn ein Mitarbeiter auf einem Schreiben „N.d.f.“ für „niente da fare“ (deutsch: Nichts zu machen) notierte war der Fall damit für die Kirche meistens abgeschlossen.
In anderen Beispielen führten fatale Missverständnisse und Übertragungsfehler in den Dokumenten dazu, dass Verfolge oft kurz vor einer möglichen Flucht noch verhaftet und später ermordet wurden.