„Frauen stoßen Diversifizierungsmaßnahmen an und suchen Nischen, um mehrere Standbeine für die eigene Landwirtschaft aufzubauen. Da sind oftmals Frauen die treibende Kraft und haben diese Bereitschaft, neue Wege zu gehen.“
Petra Bentkämper
Auf deutschen Bauernhöfen haben oft Männer das Sagen – oder doch nicht? Sind Frauen in der Landwirtschaft noch immer unterrepräsentiert oder bessert sich die Situation? Im Interview spricht Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes, über die Situation der Frauen auf dem Land, wofür sie sich einsetzen und welche Bedeutung der Glaube für die LandFrauen hat.
Frau Bentkämper, ist die Landwirtschaft noch immer eine Männerdomäne oder mittlerweile auch ein Berufsfeld für viele Frauen?
Es gibt eine starke Veränderung für die Rolle, die Frauen in der Landwirtschaft innehaben: Mittlerweile sind Frauen auf den Höfen nicht mehr „nur“ die mitarbeitenden Familienangehörigen. Es gibt längst unzählige landwirtschaftliche Unternehmerinnen. Da wird nicht mehr gefragt: ‚Wieso machst du das? Hast du keinen Bruder, der die Hofnachfolge von den Eltern übernehmen kann?’ Zwar sind Vorbehalte gegenüber Frauen nicht überall ausgeräumt, aber wir sehen in der Hofnachfolge mehr und mehr engagierte Töchter. Und: Je mehr Frauen auf den Höfen tätig sind – auch in Vorbildfunktionen –, desto selbstverständlicher wird es, dass noch mehr Frauen den Weg in die Landwirtschaft finden.
Ist das ein neuer Trend oder schon ein längerer Prozess?
Die Rolle der Frau veränderte sich schon seit den 1960er-Jahren, als die ersten Urlaube auf dem Bauernhof möglich wurden. Seitdem gab es eine besondere Funktion: Bäuerinnen waren die Vermittlerinnen – und sind es geblieben – zwischen den Erzeugern und Verbrauchern. Sie haben ein gutes Gespür für die Erwartungshaltung der Gesellschaft und bauen Brücken zueinander auf. Das ist eine wichtige Aufgabe, die die Landfrauen bis heute leisten: Sie sind ein Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft.
Trotzdem gibt es noch immer Vorurteile gegenüber Frauen in der Landwirtschaft.
Auch das hat sich definitiv verändert. Bei all der Technik, die es mittlerweile gibt, sind Frauen längst in der Lage, die körperlichen Arbeiten auszuführen. In meinem Umfeld beobachte ich sehr gut: Wer eine junge Frau als Auszubildende hatte, würde immer wieder eine einstellen. Ich kenne persönlich viele Frauen, die einen Betrieb übernommen haben oder es tun werden. Und sofern Frauen nicht selbst den Hof führen, empfehle ich immer, sich ein eigenes Standbein, einen eigenen Verantwortungsbereich aufzubauen. Ob es das Hofcafé, ein Hofladen oder Erlebnispädagogik ist — es gibt vielfältige Erwerbs- und Einkommensmöglichkeiten. Aber das ist aufgrund der Lage und Struktur sicherlich nicht auf allen Bauernhöfen möglich.
„Frauen stoßen Diversifizierungsmaßnahmen an und suchen Nischen, um mehrere Standbeine für die eigene Landwirtschaft aufzubauen. Da sind oftmals Frauen die treibende Kraft und haben diese Bereitschaft, neue Wege zu gehen.“
Petra Bentkämper
Was bringen Frauen mit in die Landwirtschaft?
Ich persönlich beobachte, dass gerade die Frauen häufiger die Bereitschaft haben, auf den Höfen etwas zu verändern: Sie stoßen Diversifizierungsmaßnahmen an und suchen Nischen, um mehrere Standbeine für die eigene Landwirtschaft aufzubauen. Da sind oftmals Frauen die treibende Kraft und haben diese Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Es braucht natürlich immer das partnerschaftliche Miteinander dabei. Aber Frauen haben in vielen Fällen ein anderes Gespür, eine andere Sichtweise und Herangehensweise, aber die hilft, sich weiterzuentwickeln.
Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher stellen sich um, die Landwirtschaft befindet sich im Umbruch. Welche Rolle spielen die Frauen?
Die Veränderung wird von Männern und Frauen gleichermaßen angegangen. Die Veränderungsbereitschaft auch nach außen zu transportieren – da sind Frauen in meiner Wahrnehmung einen Schritt offensiver. Zum Beispiel als Botschafterinnen für heimische Produkte: Diese Kommunikation mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist eine ganz wichtige Stellschraube. Die Erwartungshaltung der Gesellschaft hat sich enorm verändert. Davor können wir nicht die Augen verschließen. Gerade bei vielen jungen Menschen in der Landwirtschaft sehe ich eine ganz klare Bereitschaft zur Veränderung. Am Ende muss es jedoch wirtschaftlich für die Unternehmen sein.
Sie stehen an der Spitze des Deutschen LandFrauenverbandes mit fast 500.000 Mitgliedern. Wo liegen im ländlichen Raum noch die größten Herausforderungen?
Für uns ist wichtig, frauenspezifische Vorurteile und Rollenklischees abzubauen. Dringlichkeit besteht auch darin, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie die Einkommenssituation zu verbessern und eine Alterssicherung zu schaffen für jene Frauen, die sich stark im Ehrenamt engagieren. Bei allem, was wir tun, ist der Kern des Deutschen LandFrauenverbandes aber immer, die Gemeinschaft zu erleben und zu stärken. LandFrauen sind im ländlichen Raum ein Motor und ein Garant für die Erhaltung der Attraktivität: durch Einsatz für eine bessere Verkehrsinfrastruktur, gegen die Schließung von Geburtsstationen oder im Kampf gegen den Ärztemangel. Uns sind auch Alltagskompetenzen wichtig, wie die Vorteile einer regionalen Ernährung aufzuzeigen und den Fokus auf saisonale Produkte zu legen.
Welche Bedeutung spielt der Glaube bei den LandFrauen?
Die LandFrauen sind in der Regel bodenständig und leben ihre Traditionen vielfältig. Da gibt es für viele sicher eine enge christliche Verbindung, die beispielsweise beim Erntedankfest, mit dem sich die LandFrauen stark identifizieren, zum Ausdruck kommt.
Glaube hat auch mit Mitmenschlichkeit und Solidarität zu tun. Nur ein Beispiel dafür: In Corona-Zeiten haben LandFrauen tausende Masken genäht und Briefe geschrieben, um den Zusammenhalt in dieser schwierigen Zeit in den Dörfern und auf dem Land aufrecht zu erhalten. Das beeindruckt und begeistert mich immer wieder. Die Landfrauen vor Ort sind dahingehend ein wahrer Schatz.
Die Landwirtschaft allgemein ist mit der Kirche und dem Glauben stark verbunden und engagiert sich im Gemeindeleben, oder?
Mein Mann und ich haben einen kleinen Familienbetrieb mit Milchviehhaltung. Für uns ist es selbstverständlich, dass mein Mann als Landwirt im Januar den Anhänger an den Traktor spannt und mit anderen Kollegen in einer Spendenaktion die Tannenbäume einsammelt. Oder dass er zu einem Kirchenfest, wie dem Weihnachtsmarkt, die benötigten Strohbunde zur Verfügung stellt. All dies ist für Landwirtinnen und Landwirte eine absolute Selbstverständlichkeit. Es ist nicht zu unterschätzen, was diesbezüglich für die Gemeinschaft in den Dörfern getan wird.
Was macht für Sie persönlich, mit eigener Landwirtschaft, das Leben auf dem Land aus?
Die eigene Chefin und dabei in der Natur unterwegs zu sein, zudem eine wirklich abwechslungsreiche Arbeit in der Landwirtschaft zu haben, zu sehen, wie die Saat aufgeht, aber natürlich auch, wie abhängig wir von äußeren Umständen sind – all das gehört dazu. Das Leben in und mit der Natur ist ein Schatz vor unserer Haustür, dessen wir uns als Landwirte während der Corona-Zeit noch einmal bewusster geworden sind. Ich bin mit offeneren Augen übers Land und unseren Hof gegangen und habe gespürt, welches Glück wir haben. Ich persönlich möchte nirgendwo anders leben.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bentkämper.