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Unter dem Schutz Gottes

Geschnitzte Engelfiguren an über 100 Höfen zeigen in besonderer Form den Schutz Gottes.

Themenspecial „Kirche & Land(wirtschaft)“: Engelhöfe im Ravensberger Land

Mit goldenen Haaren, jeweils zwei großen, weißen Flügeln, einem Band als Lendenschurz und einer Posaune in der Hand schweben sie links und rechts über dem Deelentor des Hofes von Anke und Werner Meyer zu Hoberge: zwei kleine Engel, die dem sogenannten „Engelhof“ seinen Namen geben. In Holz geschnitzt, sind sie der Hingucker des farbenfroh verzierten Torbogens. Dort haben die Engel schon seit über 220 Jahren ihren festen Platz. „Das ist schon etwas sehr besonderes und bedeutet meinem Mann und mir viel“, formuliert Anke Meyer zu Hoberge. Die Engel in ihrem Torbogen strahlen eine gewisse Geborgenheit und Sicherheit aus, sagt sie. Es sei das Immerwährende, das Beständige des Hofes. „Wir fühlen, dass die Engel als Gesandte Gottes uns Gottes Schutz gewähren.“

Die Deelentore vieler Bauernhäuser im Ravensberger Hügelland zwischen Bielefeld und Herford – eine katholische Diaspora, denn der Großteil der Menschen ist evangelisch – sind mit solchen Holzschnitzereien verziert. Mehr als 100 „Engelhöfe“ gibt es heute noch zwischen dem Teutoburger Wald und dem Wiehengebirge als eine weltweite Besonderheit zu sehen. Der älteste Torbogen stammt aus dem Jahr 1791, in den nachfolgenden Jahrzehnten ließen sich mehr und mehr wohlhabende Bauern ebenfalls einen mit Engeln versehenen Torbogen als Hausschmuck anfertigen.

Jeder Engelhof ist anders

Und die sehen oft ganz unterschiedlich aus. Die meisten Engel halten eine Posaune in der Hand, einige auch einen Schlüssel oder ein Zepter. Manche haben einen Haarschmuck, andere wiederum einen Heiligenschein. An den seitlichen Balken ranken Weinreben oder Blätter, auf denen Vögel sitzen. Auf dem Hof Meyer zu Hoberge klettern die Weinranken aus einem Tongefäß – und stellen so den Lebensbaum mit Fruchtbarkeit und Lebensfülle dar.

In mittlerweile fünfter Generation führen Anke und Werner Meyer zu Hoberge den Betrieb, der seit 1881 in Familienbesitz ist. Der Torbogen, so sagt es die Inschrift, existiert seit 1796. Seitdem zieren die Engel das Deelentor. Der Engelhof in Theesen bei Bielefeld ist ein landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb – heute in Form eines reinen Ackerbau-Betriebs. Der Hof wurde im Laufe der Generationen mehrfach umgebaut. Dennoch ist eines geblieben: Die Form des Haupthauses (Vierständerhaus) und das markante Deelentor samt Torbogen. „Es ist sozusagen das einzige Überbleibsel aus dem Jahr 1796. Alles drum herum wurde im Laufe der Zeit verändert. Dass aber gerade der Torbogen erhalten geblieben ist, ist bezeichnend für die besondere Wertschätzung dessen für alle Generationen“, sagt Anke Meyer zu Hoberge.

Das Deelentor samt Torbogen in voller Pracht. Foto: Till Kupitz

Behütet durch Bibelspruch

Über den Engeln in dem Querbalken ist außerdem eine Inschrift geschnitzt, die erklärt, welcher Bauer nebst Ehefrau, wann, mit welchem Baumeister das Haus hat erbauen lassen. In der Inschrift des Hofes Meyer zu Hoberge steht: „Im Jahr 1796 den 27. Julius haben diese Eheleute als Jobst Heinrich Horstmann und Anna Ilsabein Waackens die haben diesen Bau mit Hülfe Gottes lassen bauen und aufrichten durch den M  Johan Herman W H.“ Dazu ein Bibelspruch, der die Schutzfunktion und den Wunsch, Gottes Segen zu erhalten, unterstreicht. „Gnädich und barmherzig ist Gott der Herr geduldich und von grosser Gühte.“

Gerade dieser Spruch hat für Anke Meyer zu Hoberge und ihre Familie eine ganz besondere Bedeutung. „Er begleitet uns durch alle Generationen“, erklärt sie. Deshalb ist genau dieser Vers der Taufspruch der jüngsten Enkeltochter Malia, die kürzlich getauft wurde und auf dem Hof in der Mehrgenerationenfamilie aufwächst. Vor drei Jahren wurde ein alter Schweinestall abgebrochen und auf dessen Grundmauern ein neues, modernes Wohnhaus gebaut, in dem einer der drei Söhne von Werner und Anke Meyer zu Hoberge mit seiner Familie wohnt.

Mensch und Tier unter dem Schutz Gottes

„Da das Dach des Bauernhauses ein Stück übersteht, geht das Haus meines Sohnes sozusagen mit in unser Haus über“, beschreibt Anke Meyer zu Hoberge. „Wir leben in getrennten Häusern, aber trotzdem allesamt unter dem großen Dach des Bauernhauses, das jeden von uns beschützt.“ Die Geschichte des Hofes soll in jedem Fall an die nächsten Generationen weitergeben werden. Es solle nicht in Vergessenheit geraten, so Meyer zu Hoberge „Es ist ein großes Geschenk, dass dieses Dach so viele Generationen unserer Familie behütet hat.“

Wer den Blick vom Deelentor aus noch weiter nach oben richtet, findet am Dachgiebel noch einen weiteren Spruch: „Herr behüte dieses Haus, und alle die hier gehen ein und aus.“ Dies sei von Anfang an nicht nur auf die Menschen gemünzt gewesen, erklärt Anke Meyer zu Hoberge. Denn besonders in früheren Zeiten waren die Tiere das größte Kapital des Hofes. Mensch, Vieh und Ernte – alles gelangte nur durch dieses eine große Eingangstor auf die Deele und sollte somit in der Gesamtheit unter dem Schutz Gottes stehen.

Schutz Gottes in Szene gesetzt

„Für uns ist es ein Privileg, ein solches Eingangstor zu besitzen“, sagt Anke Meyer zu Hoberge wohlwissend, dass damit auch eine Menge Zeit, Arbeit und Geld verbunden ist. Wind, Regen und Sonne setzen den Schnitzereien über die Jahre zu. Schon mehrfach wurde das Tor aufwendig restauriert, um es auch für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

Anke und Werner Meyer zu Hoberge sind sich bewusst, dass besonders Landwirtschaften den Schutz Gottes brauchen: „Alles, was wir tun, ist von der Natur und von Gott abhängig. Die Ernte liegt nicht allein in unserer Macht.“ Die Engel an ihrem Tor sehen sie dabei als die Gesandten Gottes: „So stellen wir uns den Schutz Gottes in Szene gesetzt vor.“

„Herr behüte dieses Haus, und alle die hier gehen ein und aus.“ Foto: Till Kupitz

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