Kinoorgel? Was ist das? Diese Frage hat Gregor Schwarz, Kirchenmusiker im Pastoralverbund Lippe-Detmold, schon oft gehört. Und ebenso geduldig beantwortet er sie: „Die Kinoorgel stammt aus den Zeiten des Stummfilms. Wobei der eigentlich niemals stumm war. Schon als die Bilder laufen lernten, war so gut wie jeder Film musikalisch untermalt.“ Versuche, die Filmmusik mit einem Grammophon einzuspielen, waren zum Scheitern verurteilt, weil es fast unmöglich war, die Musik synchron über die Filmhandlung zu legen.
Die einfacheren Kinos hatten daher Pianos und in den größeren Sälen waren Kinoorgeln aufgestellt. „Zum Teil gab es geschriebene Filmmusik, zum Teil war die Begleitmusik improvisiert“, weiß Gregor Schwarz, der sich mit großer Begeisterung für alles interessiert, was Stummfilme und Filmmusik anbelangt. Dass in der Heilig-Geist-Kirche in Lemgo seit 2023 eine historische Kinoorgel spielt, ist auf eben diesen Enthusiasmus zurückzuführen. „Wir haben sehr viel Orgel für wenig Geld bekommen“, erklärt Gregor Schwarz. „Außerdem eröffnen wir uns damit neue Möglichkeiten in Liturgie und Pastoral.“
Wurlitzer Style D von 1924
Als um das Jahr 1940 der Tonfilm den Stummfilm weitestgehend verdrängt hatte, wurden Abertausende Kinoorgeln auf der ganzen Welt arbeitslos. In Deutschland sind nur zwölf erhaltene Instrumente bekannt. Ein einziges davon, die Orgel im Babylon-Kino in Berlin, ist noch an seinem originalen Aufstellungsort zu finden. Zehn weitere Instrumente haben Unterschlupf in Museen und Sammlungen gefunden. Die Kinoorgel in der Heilig-Geist-Kirche in Lemgo ist deutschlandweit die einzige Kinoorgel in einer Kirche. Eine evangelische Kirche plant derzeit die Aufstellung einer weiteren Kinoorgel. „Aber auch danach werden wir einzigartig sein“, verspricht Kirchenmusiker Gregor Schwarz. „Wir haben dann eben die erste Kinoorgel in einer Kirche in Deutschland und die einzige in einer katholischen Kirche.“
Bei der Kinoorgel in der Heilig-Geist-Kirche handelt es sich um eine „Style D“ aus dem Jahr 1924. Hersteller war die US-Amerikanische Firma Wurlitzer, die besonders für ihre farbenfrohen Jukeboxen im stylischen Art Deco bekannt ist. Interessanterweise bespielte die Lemgoer Kinoorgel niemals ein Kino, auch wenn sie ursprünglich in Los Angeles, der Welthauptstadt des Kinos, und dort in der Nähe des Hollywood Boulevards aufgestellt war. Bestellt hatte das Instrument das „Pig’n Whistle“, ein Großrestaurant, das für seine günstigen Mahlzeiten bekannt war und damit wohl eher Komparsen und Bühnenarbeiter als die großen Filmstars anlockte. Aber wer weiß schon, ob nicht auch Greta Garbo oder Marlene Dietrich in einer Drehpause während des Essens der Orgelmusik lauschten.