In Rom ist heute (27. Oktober 2024) die XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zu Ende gegangen. Seit dem 2. Oktober 2024 haben sich mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ im Vatikan versammelt. Bereits im vergangenen Jahr hatte der erste Teil der Weltsynode getagt. Seitens der Deutschen Bischofskonferenz nahmen Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), Bischof Dr. Felix Genn (Münster), Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau), Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg) und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen) an den Beratungen teil.
Zusammenfassend erklären die deutschen Synoden-Bischöfe, dass die zweite Sitzung der Weltsynode in enger Verbindung mit der ersten Sitzung im vergangenen Oktober gesehen werden müsse. „In dieser Perspektive hat sie das Neue, das diese Weltsynode gebracht hat, spürbar verstetigt und über ein einmaliges Ereignis hinausgeführt. Dem gesamten Prozess dieser Weltsynode ist zu eigen, dass die katholische Kirche des 21. Jahrhunderts sich ihrer Globalität und ihrer Katholizität deutlicher bewusst geworden ist“, so die Bischöfe. Das gemeinsame Arbeiten an den runden Tischen, das Menschen aus allen Erdteilen zusammengeführt habe, sei von einem Erlebnis der Neuheit zu einem Arbeitsstil geworden. „Die Vertreterinnen und Vertreter der Teilkirchen konnten sich intensiver kennenlernen, über die Situation, die Hoffnungen und Freuden, Ängste und Sorgen der anderen erfahren und sich in der Konversation im Heiligen Geist auch über den gemeinsamen Glauben und die Perspektiven der einen Kirche austauschen. So war diese Synode über die Synodalität gleichzeitig auch ein Übungsraum der Synodalität“, betonen die deutschen Synodenteilnehmer. Die synodale Kirche des 21. Jahrhunderts stehe dabei noch am Anfang. Sie fügen hinzu: „Viele Türen sind am Ende dieser Synode offen. Offene Türen laden ein, hindurchzugehen. So hat die Dynamik der Synodalität mit diesen beiden Synodensitzungen Fahrt aufgenommen und wird die Kirche weiter verändern. Die treibende Vision dieser Kirche hat Papst Franziskus nicht zuletzt in seiner jüngsten Enzyklika Dilexit nos festgehalten: Eine Kirche, die aus der Liebe Christi schöpft und dadurch fähig wird, ‚geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen‘.“
Im Folgenden dokumentieren wir die persönlichen, einander ergänzenden Fazits der Bischöfe:
Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Zwar zaghaft, aber nach meiner Einschätzung doch unumkehrbar hat diese Kirchenversammlung Elemente einer künftigen Kultur in der Synodalität beschrieben, die auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens – von den Pfarreien über die Bistümer, die nationalen und kontinentalen Ebenen – dem hierarchischen Element in der katholischen Kirche ein Element der Verantwortung und Mitwirkung aller Gläubigen zur Seite stellt. Entscheidungen der zuständigen Autoritäten werden künftig nicht ohne einen engen und ernstzunehmenden Beratungskontext getroffen werden können. Zudem werden die Verantwortlichen in der Kirche in transparenter Weise Rechenschaft über ihre Entscheidungen vor Gremien synodaler Gestalt ablegen müssen, die mehrheitlich nicht durch Berufung, sondern durch Wahlen und Delegationen „von unten“ zustande kommen.
Ausgangspunkt dieser für die Gesamtkirche durchaus neuen Praxis ist eine solide Tauftheologie im Abschlussdokument, die die gleiche Würde aller Getauften in das Zentrum rückt und damit auf die gemeinsame Verantwortung aller für die besondere Sendung der Kirche in dieser Welt abhebt. Insofern leiten die Empfehlungen, die nun nach einem mehr als dreijährigen weltweiten Konsultationsprozess an den Papst übergeben werden, für mich eine neue Phase der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Kirche ein. Der Spürsinn der Gläubigen „sensus fidelium“ stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit während der vergangenen vier Wochen. Er wird deutlicher als bisher wertgeschätzt und für den Weg der Kirche in die Zukunft fruchtbar gemacht.
Nun wird es erforderlich sein, solche Empfehlungen auch kirchenrechtlich verbindlich zu fassen, damit sie sich nicht wieder schnell verlieren. Denn jeder Versuch, eine neue Kultur zu etablieren, braucht die Absicherung in Strukturen und geordneten Verfahren. Daher spricht das Abschlussdokument auch prominent von einer Phase der Implementierung und der Evaluation, die nun folgen müssen. Ich bin zuversichtlich, dass damit der Wunsch der Kirche in Deutschland, synodale Beratungsstrukturen auch auf der nationalen Ebene auf Dauer zu stellen, durch die Ergebnisse der Weltsynode Rückenwind bekommen. Dann hätte sich die viele Arbeit, die viele Gläubige in diese Weltsynode investiert haben, wahrlich gelohnt.
Bischof Dr. Felix Genn
Am Ende dieser vier Wochen blicke ich dankbar und erschöpft zurück, weil ich sehe, dass Synode anstrengend ist, aber lohnend. Wenn ich bedenke, wie sehr allein der Begriff auch bei uns in Deutschland in den Jahren seit dem Gesprächsprozess „Im Heute glauben“ auf Reserve gestoßen ist – und hierzu könnte ich viele Details erzählen –, dann freue ich mich, heute sagen zu können: Synodalität für alle Ebenen der Kirche ist gesetzt und nicht mehr rückgängig zu machen. Nehme ich noch dazu, was ich in den einzelnen Gesprächen zu den Studiengruppen 7 und 8 gehört habe, die ja aus Anregungen des Syntheseberichts im vergangenen Jahr erwachsen sind, dann hat sich unser Zusammensein auch deshalb gelohnt, weil daraus Veränderungen entstehen.
Für mich ganz persönlich nehme ich zwei „Stachel im Fleisch“ mit, um mit Paulus zu sprechen: Wie können die Armen in unseren doch sehr bürgerlich und akademisch geprägten Strukturen den Platz finden, wie die Synode es versteht? Was heißt „Conversio“, also Umdenken und daraus folgendes Handeln für mich, wo ich doch meine, schon alles verstanden zu haben, worum es bei Synodalität geht?
Bischof Dr. Bertram Meier
Wir haben nicht beim Nullpunkt angefangen. Die Versammlung der Weltbischofssynode konnte an den Erfahrungen des vergangenen Jahres anknüpfen. Bei der Ankunft der Syno-denmitglieder gab es deshalb von vielen ein herzliches Hallo. Wir freuten uns, dass wir uns wiedersehen und weiter miteinander arbeiten konnten. Gab es letztes Jahr noch ein gewisses Fremdeln untereinander, spürte ich diesmal, dass die Atmosphäre größtenteils entspannt und heiter war. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Monaten mit Synodalität in unserer Heimat machten, eingeflossen sind. Die Beschäftigung mit Synodalität hat uns verändert. In den meisten von uns ist die Erfahrung gewachsen, dass Synodalität nicht nur eine Methode ist, sondern immer mehr zum Lebensstil der Kirche werden soll. Da gibt es noch viel zu tun.
Wir müssen Synodalität weiter lernen – alle Glieder der Kirche, Laien, Ordensleute und Kleriker, bis hinauf zu Bischöfen und Papst. Wichtige Lektionen dabei sind, dass wir die Kirche als Hörschule sehen: hören auf Gottes Wort, hören auf die Mitmenschen, hören in unser Herz. Freilich ist das ein anstrengender Weg, denn wenn es konkret wird, braucht es die Gabe der Unterscheidung, um aus den vielen Stimmen das herauszuhören, was dem Willen Gottes entspricht. Obwohl ich gegenüber dem vergangenen Jahr viel mehr Einheit in der Verschiedenheit der Kulturen, Mentalitäten und Meinungen spürte, bleiben doch noch anspruchsvolle Hausaufgaben für die Zukunft: die Rolle der Frauen in der Kirche, der Wunsch nach Dezentralisierung, der Status der Bischofskonferenzen und anderes mehr.
Ich sehe in dieser Synode einen Hoffnungsstreif am Horizont: Ich habe den Eindruck, dass der Synodale Weg in Deutschland und die synodalen Prozesse auf weltkirchlicher Ebene einander etwas nähergekommen sind. Das Verständnis füreinander ist gewachsen, die Mauern der Abgrenzung sind kleiner geworden. Was ich mir für die Zukunft wünsche: dass das Thema der Evangelisierung großgeschrieben wird, denn darum ist es in den vier Wochen gegangen: um eine synodale Kirche mit einer Mission.
Bischof Dr. Stefan Oster SDB
Mir ist in diesen vergangenen Tagen besonders deutlich geworden, dass diese Synode – zusammen mit der Enzyklika Dilexit nos – ein Vermächtnis von Papst Franziskus ist oder sein wird. Er hat der Kirche seit seinem Amtsantritt, besonders aber seit 2015 mit dem Stichwort „eine synodale Kirche“ ein Thema und einen Auftrag gegeben. Wie die Umsetzung dieses Auftrags aussehen kann, das hat er dann selbst mit uns eingeübt, bei den verschiedenen Synoden, die unter seiner Leitung abgehalten wurden und die sich sukzessive verändert haben. Bis zu dieser Synode: Die Einbeziehung möglichst vieler Stimmen aus der ganzen Welt, die Einbeziehung der verschiedenen Ebenen von den Pfarreien, über die Diözesen, die Bischofskonferenzen und die kontinentale Ebene – bis eben hin zu den beiden Versammlungen der Bischofssynode in diesem und im vergangenen Jahr, bei denen neben den Bischöfen auch Frauen und Männer aus der ganzen Welt beteiligt waren.
Und Franziskus hat dabei immer deutlich gemacht, dass wir lernen müssen, uns vom Geist Gottes führen zu lassen – im Hören auf das Wort Gottes, im Hören aufeinander. Der Geist führt uns tiefer zusammen und eröffnet uns zugleich nach außen. Zu den Geschwistern aus dem ökumenischen Kontext, zu den Menschen am Rand – und nach Möglichkeit zu allen Menschen. Eine synodale Kirche ist eine missionarische Kirche und umgekehrt. Beide Dimensionen hängen tief zusammen – und lassen uns auch das Thema „Mission“ tiefer verstehen. Es geht nicht um Rekrutierung, es geht nicht um Überfremdung. Es geht um die Tiefe und Schönheit einer konkreten Begegnung mit Christus, die uns zu Zeuginnen und Zeugen seiner Liebe machen kann und will. Und die uns fähig macht, andere in diese Beziehung einzuladen.
Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck
Der Weg muss nun nach vorne weitergehen. Durch das Prinzip der Synodalität haben wir gemeinsam die Kraft geteilter Wege sowie verbindlicher und verbindender Verantwortung im Weltmaßstab neu gesehen. In unseren Bistümern in Deutschland ist in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode schon viel auf diesem Weg getan und auch im Alltag der Kirche vor Ort selbstverständlich geworden. Mit dieser Entwicklung geht es weiter voran.
So ist die weitere Einbindung aller in Leitungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsverantwortung ein Zeichen davon. Partizipation ist hier das entscheidende Stichwort, verbunden mit einem verbindlichen Glaubenszeugnis, einem großzügigen Einsatz für die Armen und Notleidenden und einer notwendigen Kompetenz in Sachfragen. Viele unserer Bistümer setzen dort bereits lange völlig selbstverständlich Akzente. Gerade die Synode hat in ihrem Abschlussdokument an einem wichtigen Punkt darauf verwiesen, wenn sie feststellt: Die Frage nach dem Zugang der Frauen zum diakonalen Dienst bleibt offen.
Ähnlich gilt es voranzugehen bei der Frage nach dem Zugang zum Priestertum. Schon lange kennen orientalische und orthodoxe Kirchen den Zugang von verheirateten Männern zum Priesteramt. Voranzugehen heißt heute, auf Dauer für eine bei den Menschen nahe Kirche in unserem Land zu sorgen, die sakramental bleibt und die Sakramente und die Verkündigung erfahrbar macht. Unsere postsäkulare Welt braucht dazu auch einen Klerus mit zölibatär lebenden und verheirateten Priestern. In diesem Zusammenhang wird zudem deutlich, wie sehr die Bedeutung von Gender und gelebter Sexualität in ihrer Vielfalt zu uns allen gehört und anzunehmen ist.
Schließlich heißt Voranzugehen auch, mutig die Zeichen der Zeit zu erkennen und in einer Welt, in der immer mehr Menschen ohne Gott leben und ihn nicht suchen, neu den Glauben zu inkulturieren, die Entwicklungen rund um KI sehr ernst zu nehmen und frei zu werden für den Weg nach vorne, auf dem der Blick nicht nach hinten, sondern mutig in die Zukunft geht, so ungesichert diese auch sein mag. Im vergangenen Jahr sind viele Themen identifiziert worden und im Synthesebericht dokumentiert; der Synodale Weg hat weitere hinzugelegt. Nicht umsonst sind wir eine Weltkirche geworden, die nicht mehr einzig europäisch geprägt ist, sondern vieldimensional. Die gegenwärtige Synode ermutigt mit viel Gott- und Menschenvertrauen zu einem solchem Ruck nach vorne! Auf Italienisch heißt das kurz und bündig: „Avanti tutti!“