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© Triff / Shutterstock.com

Der Hitda-Codex neu aufgelegt

Die katholische Kirche Meschede-Bestwig erwirkt den vollständigen Nachdruck eines tausendjährigen Glaubenszeugnisses – das perfekte Weihnachtsgeschenk für Bibliophile und Sinnsuchende

Er gilt als Glanzstück und Höhepunkt der Kölner Buchmalerei um die erste Jahrtausendwende. Über tausend Jahre alt und davon 800 Jahre im Kanonissenstift in Meschede, wirkt der Hitda-Codex bis heute fort. Die wohl bekannteste Abbildung aus dem Evangeliar aus ottonischer Zeit, die Darstellung des Sturms auf dem See Genezareth, war in nahezu jedem Religionsbuch in Deutschland abgedruckt und begleitete Generationen von Schülerinnen und Schüler durch den Religionsunterricht. Zudem wirkte die Abbildung stilbildend auf die Malerei von Rembrandt bis zu August Macke und in die heutige religiöse Kunst.

Sah Äbtissin Hitda, die dieses Evangeliar vor rund tausend Jahren dem Stift Meschede übereignete, den Wirbelsturm allein als ein Wetterereignis? Oder verstand sie darunter, ähnlich wie wir Heutigen, auch schon die Stürme des Lebens? So sehr bereits diese Abbildung zum Nachdenken einlädt, will Pfarrer Michael Schmitt den Hitda-Codex nicht auf das eine bekannte Bild reduziert sehen: „Das Evangeliar mit seinen 500 Seiten ist mehr als ein geschichtliches Dokument. Er ist ein großartiges und glanzvolles Glaubenszeugnis!“

Theologie der ersten Jahrtausendwende

Dem Engagement von Pfarrer Schmitt ist es nun zu verdanken, dass ein vollständiger Nachdruck des Evangeliars erscheinen konnte – in limitierter Auflage, 500 Seiten stark, in hochwertiger Ausstattung und dank der Unterstützung der Sparkassen-Stiftung zum erschwinglichen Preis von 49,95 Euro. Das macht den Band zu einem schönen Weihnachtsgeschenk für alle, die Bücher lieben und sich für Geistes- und Glaubensgeschichte interessieren.

Stichwort Weihnachten: Im Codex finden sich auch Abbildungen von der Geburt Christi und von der Anbetung der Weisen aus dem Morgenland. Der Titulus der Weihnachtsabbildung lautet: „Hier liegt in der engen Krippe als Kind, der als Höchster im Himmel thront, durch keinen Raum umfassbar“ – dieser kleine Nachsatz „durch keinen Raum umfassbar“ deutet an, wie viel die Theologie um das Jahr 1000 bereits verstand – und wie viel sie heute noch zu sagen hat!

Wer war Hitda?

Das ist ungeklärt. Nach einer Deutung könnte Hitda eine ansonsten nicht weiter aus der Geschichte bekannte Äbtissin des Stiftes Meschede zu Beginn des 11. Jahrhunderts gewesen sein, die aus der Gründerfamilien der Grafen von Werl stammte. Womöglich war sie eine Tochter von Hermann I. und seiner aus dem burgundischen Königshaus stammenden Ehefrau. Wird Hitda als Alternativschreibweise von Ida oder Hidda gelesen, tun sich zwei weitere Deutungen auf. So gibt es als geschichtliche Figur eine Ida als bedeutende Äbtissin des Kölner Stiftes Maria im Kapitol und Enkelin des Kaiserpaares Otto II. und Theophanu. Eine frühere Alternative verweist auf eine weitere Ida oder Hidda, die Mutter des im Jahr 976 gestorbenen Kölner Erzbischofs Gero. Nach dieser Deutung erfüllte der Sohn mit der Stiftung des kostbaren Evangeliars womöglich den letzten Willen seiner Mutter, die 970 auf ihrer Pilgerreise in Jerusalem verstorben war.

Wie alt ist der Hitda-Codex?

Wie zur Person der Hitda gibt es zum Alter des Evangeliars mehrere Deutungen. Die Zeitspanne reicht vom Jahr 980 bis ins Jahr 1060. Bislang galt eine Entstehung um das Jahr 1020 am wahrscheinlichsten. Der Kunsthistoriker Klaus Gereon Beuckers, der das Evangeliar anlässlich des Nachdrucks eingehend stilistisch untersuchte, tendiert nun zu einer Frühdatierung um das Jahr 990.

Hintergründe zum Hitda-Codex

Hitda ist unbekannt, aber gesichtslos ist sie  nicht, im Gegenteil: Im Codex gibt es eine Abbildung, die Hitda bei der Übergabe des Buches an die heilige Walburga, die Schutzpatronin des Stiftes Meschede, zeigt. Im Codex wird die Stifterin dreifach erwähnt, als Äbtissin, als Verwalterin und Pilgerin. Außerdem enthält das Evangeliar in einem Anhang ein Stiftungsverzeichnis, nach dem Hitda dem Kanonissenstift eine größere Anzahl wertvoller Kunstgegenstände übereignete, darunter weitere Codices, goldene Kreuze und eine ebenfalls goldene Madonnenstatue. Dies lässt keinen anderen Schluss zu, als dass Hitda aus einem hochvermögenden Geschlecht stammte. Mit Ausnahme des Hitda-Codex sind alle anderen Gegenstände der Stiftung verschollen. Auch der prächtige, mit Sicherheit edelsteingeschmückte Einband des Hitda-Evangeliars ist nicht mehr erhalten.

 

Die Bezeichnung „Darmstädter Hitda-Codex“ ist ahistorisch. Das Original des Hitda-Codex befand sich 800 Jahre lang in Meschede. Heute ist das Evangeliar Teil der Sammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Wie aber gelangte der Codex dorthin? Geschichtlicher Hintergrund ist die Säkularisation im Jahr 1803. Damals ging das kurkölnische Herzogtum Westfalen gemäß der Rheinbundakte zunächst an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und fiel erst 1816, nach dem Wiener Kongress, an Preußen.

Ludwig X., während der Säkularisation regierender Landgraf von Hessen-Darmstadt, hatte schon vor der Okkupation des Herzogtums Westfalen durch seine Truppen Kunstspione ausgesandt, die Kirchen und Klöster nach Kunstschätzen durchstöberten. Beim Hitda-Codex handelt es sich streng genommen um Beutekunst, wobei der Kunstraub und die Figur des Landgrafen Ludwig X. heute differenzierter gesehen werden. Immerhin verhinderte die Überführung des Evangeliars nach Darmstadt eine wilde Säkularisierung, bei der anderenorts viele Kunstschätze von unvorstellbarem Wert zerschlagen und vernichtet wurden. Wie Pfarrer Michael Schmitt betont, herrscht zwischen Meschede und Darmstadt in der Sache Hitda-Codex ein gutes Einvernehmen: „Anders als vielleicht früher war die Zusammenarbeit beim Reprint völlig unverkrampft. Die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt hat uns mit den neuesten Repros und vielen Detailinformationen unterstützt.“

Mit dem Evangeliar und den weiteren von Äbtissin Hitda gestifteten Gegenständen war das Kanonissenstift Meschede sehr reich. Zugleich legt der Hitda-Codex nahe, das Meschede in ottonischer Zeit ein Zentrum des Glaubens und Ort einer hochentwickelten Theologie war. Mit bestimmter Sicherheit verstanden die Kanonissen Latein, höchstwahrscheinlich auch Altgriechisch, und hatten ein tiefes theologisches Verständnis.

Bei dem Codex aus ottonischer Zeit und dem modernen Reprint handelt es sich um die Niederschrift der Frohen Botschaft. Das ergänzende Programm aus 16 ganzseitigen Bildtafeln mit Szenen aus dem Neuen Testament ist Beispiel eines tiefen Inkarnationsglaubens. Interessant und Gegenstand vieler Überlegungen ist bereits die Reihenfolge der Bilder: 15 der 16 Abbildungen orientieren sich weitgehend chronologisch am Leben Jesu Christi und reichen von der Geburt bis zur Kreuzigung. Die erste Abbildung aber ist eine Majestas Domini, das Abbild des erstandenen und aufgefahrenen Jesus Christus als Weltenherrscher. Der Hitda-Kodex zeigt Jesus Christus, wie er ist: ganz Gott und ganz Mensch.

Wo Sie den Hitda-Codex kaufen können

Erhältlich ist der Nachdruck des Hitda-Codex  seit der Buchpräsentation am 14. November 2024 im örtlichen Buchhandel sowie im zentralen Pfarramt in Meschede. Die Erlöse aus dem Direktverkauf des Buches fließen in die Sanierung der Schatzkammer der Stiftskirche.

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Ein Beitrag von:
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freier Autor

Hans Pöllmann

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