An Bürgerverantwortung und Solidarität kann und muss zunächst immer appelliert werden: Ein Sozialstaat, der auf Solidarität setzt, lebt zuerst immer von der freiwilligen Tugend und erst in zweiter notwendiger Linie von der eingeforderten Pflicht. Der Staat aus katholischer Sicht in der Tradition des Kirchenvaters Augustinus versichert den Menschen gegen die Tötung durch den Mitmenschen, gegen Beraubung und Lüge, Betrug und Missbrauch; er versichert den Menschen auch gegen grobe Formen unsolidarischen Verhaltens. Ob dazu auch die willkürliche und gedankenlose Verweigerung der Impfung gehört, muss im parlamentarischen Rechtsstaat sorgfältig geprüft, debattiert, am Ende durch Abstimmung parlamentarisch entschieden und in Gesetzesform gebracht werden. Nicht immer ist es förderlich, Solidarität zu erzwingen. In Form unserer Sozialversicherungssysteme tun wir das. Ob wir das auch hinsichtlich einer allgemeinen Impfpflicht tun wollen, ist zu diskutieren. Da wäre ich aber eher skeptisch. Solidarität kann sich durch allzu forsche Verpflichtungsmaßnahmen auch erschöpfen.