Theologisch gesehen gehören alle Getauften zur Kirche. Mit und ohne Kirchenaustritt. Durch die Taufe empfängt der Mensch ein „unauslöschliches, geistliches Siegel“, das nicht rückgängig gemacht oder ausgelöscht werden kann. Einmal getauft – für immer getauft.
Das soll keine Vereinnahmung derer bedeuten, die sich bewusst von der Kirche abwenden wollen.
Doch diejenigen, die aus einer finanziellen Notlage heraus, aus Ärger oder mit Schmerz ausgetreten sind, die sich der Kirche aber weiterhin verbunden fühlen, dürfen wissen: Durch die Taufe gehören wir zur Kirche.
Ausgetreten und abgeschrieben? - Gedanken zum Kirchenaustritt
Wer getauft ist, gehört zur Kirche
Wer oder was ist eigentlich Kirche?
In Deutschland gibt es von kirchlicher und staatlicher Seite unterschiedliche Definitionen davon, was Kirche ist. Man kann die beiden Definitionen nicht scharf voneinander trennen, muss aber die jeweilige Perspektive berücksichtigen.
Kirche als Glaubensgemeinschaft
Nach kirchlichem Recht und kirchlicher Auffassung ist die Kirche die „Gemeinschaft der Gläubigen“.
Durch die Taufe wird man in die Kirche aufgenommen und wird dadurch „Glied der Kirche“. Aus rein theologischer Sicht ist ein Kirchenaustritt nicht möglich. Katholiken können streng genommen die Kirche nicht verlassen, denn niemand kann ihre Taufe ungültig machen.
Kirche als „Körperschaft öffentlichen Rechts“
Nach staatlichem Recht ist die katholische Kirche in Deutschland eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Kirchenmitglied dieser Körperschaft wird man auch aus staatlicher Sicht durch die Taufe. Hier hält sich der Staat an das innerkirchliche Verständnis: Wer katholisch getauft ist, gehört zur katholischen Kirche.
Die theologische Unmöglichkeit, die Kirche zu verlassen, kann der Staat natürlich nicht mittragen. Er garantiert Religionsfreiheit und muss eine Möglichkeit bieten, die Mitgliedschaft zu beenden. So kann man selbstverständlich vor einer staatlichen Stelle den Austritt aus der katholischen Kirche erklären.
Man kann es auch so ausdrücken: In der Kirche ist Mitgliedschaft kündbar, Gliedschaft nicht.
Kirchensteuer und Kirchenaustritt in Deutschland
Innerhalb der katholischen Weltkirche gibt es länderabhängig unterschiedliche Weisen, wie sich die Kirchen vor Ort finanzieren.
In Deutschland hat die Kirche als öffentliche Körperschaft das Recht, von ihren Mitgliedern finanzielle Beiträge einzufordern. Der Staat zieht diese Beiträge für die Kirche per Steuer ein. Durch diese Kirchensteuer kann die Kirche ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finanzieren, aber auch karitativ, sozial und durch Bildung in die Gesellschaft hineinwirken. Die Kirchensteuer macht möglich, dass viele kirchliche Dienste unentgeldlich angeboten werden können, für die in anderen Ländern gezahlt werden muss.
Im Jahr 2012 haben die deutschen Bischöfe ein Dekret zum Kirchenaustritt erlassen. Hierin wird der staatliche Kirchenaustritt vor der zivilen Behörde als „eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche“ * und als „eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“ * gewertet. Die Bischöfe legen fest, dass Menschen, die aus „welchen Gründen auch immer“ * den Austritt aus der katholischen Kirche erklären, gegen zwei Pflichten verstoßen:
1. „gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren“ * und
2. „gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann“ *.
Aufgrund dieses Dekrets dürfen Ausgetretene (außer in Todesgefahr) keine Sakramente mehr empfangen und verlieren weitere kirchliche Rechte.* Eine Befragung der Ausgetretenen nach ihrem Austrittsgrund oder nach ihrem Glauben findet nicht statt.
* Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt, 2012
Individuelle Austrittsgründe in den Blick nehmen
Statistiken zufolge leben die meisten Ausgetretenen ohne Kirchenbindung und haben an den kirchlichen Rechten, die sie mit dem Kirchenaustritt verlieren, nur ein geringes oder gar kein Interesse. Diese Getauften kündigen ihre Kirchenmitgliedschaft, weil Kirche und Glaube in ihrem Leben schon lange keine Rolle mehr spielen oder nie eine Bedeutung hatten. Sie distanzieren sich sowohl vom christlichen Glauben als auch von der Kirche.
Es gibt aber auch z.T. in der Gemeinde engagierte Menschen, die aus Empörung oder Enttäuschung über kirchliches Versagen keine Kirchensteuer mehr zahlen, aber dennoch der Glaubensgemeinschaft zugehörig bleiben möchten, weil ihnen der Glaube und die Sakramente weiterhin wichtig sind. Die Frage, wie mit Ausgetretenen unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Austrittsgründe umgegangen werden soll, ist eine Herausforderung, der sich viele Gemeinden derzeit stellen müssen.
Die Tür offen halten
In der Kirche sind alle willkommen. Ob sie ausgetreten sind oder nicht.
Auch ausgetretene Gläubige, die Kontakt zu unseren Gemeinden und Gemeinschaften halten, sollten Verständnis und Wohlwollen erfahren. Sie wollen zur Kirche gehören und fühlen sich ihr verbunden. Dieser Wunsch sollte mit Freude aufgenommen und respektiert werden.
Auch Ausgetretene, die keine Kirchenmitgliedschaft mehr vorweisen können, sollen erfahren können, dass sie Glieder der Kirche sind und zur Gemeinschaft der Gläubigen gehören.
Wohlwollen und Verständnis gegenüber Ausgetretenen halten nicht zuletzt auch die Tür offen zu einer Versöhnung und vielleicht auch zu einem Wiedereintritt.