Verpflichtung für die gesamte christliche Welt
„Denn du hast die Welt mit all ihren Kräften ins Dasein gerufen und sie dem Wechsel der Zeit unterworfen. Den Menschen aber hast du auf dein Bild hin geschaffen und ihm das Werk deiner Allmacht übergeben. Du hast ihn bestimmt, über die Erde zu herrschen, dir seinem Herrn und Schöpfer zu dienen und das Lob deiner großen Taten zu verkünden durch unseren Herrn Jesus Christus …“
Über 40 Jahre alt sind diese hehren Worte aus der Präfation zum Thema „Die Schöpfung“. Die Rede vom „herrschen über die Welt“ klingt mehr als befremdlich – angesichts der Bedrohung der Welt durch die Klimakatastrophe, durch die atomare Bedrohung und durch die Ausbeutung der Bodenschätze innerhalb von weniger als 200 Jahren durch die Industrienationen. Zu Recht erhebt die junge Generation in vielen Ländern Protest gegen die Zerstörung ihrer Zukunft. Bei einer Neufassung dieses liturgischen Textes müsste wohl die Aufgabe der Rettung und Bewahrung der Schöpfung eindeutiger und deutlich als Verpflichtung ins Wort gehoben werden.
Der Protest der jungen Generation ist schon seit vielen Jahren etwa in den „ökumenischen Pilgerwegen“ präsent. In diesem Jahr führte der 5. Pilgerweg für Klimagerechtigkeit von Polen über Deutschland, die Niederlande und England nach Schottland. Nach 77 Etappen und 1.450 Kilometern Wegstrecke erreichte er sein Ziel Glasgow und die dort tagende Weltklimakonferenz. Dieser 5. Ökumenische Pilgerweg war ein überregionales Projekt kirchlicher Hilfswerke (Brot für die Welt, Adveniat, Sternsinger), katholischer Bistümer und evangelischer Landeskirchen.
Die Mahnung zur Rettung und Bewahrung der Schöpfung hat in den Kirchen neben der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen zu einem weiteren ökumenischen Gebetstag geführt. Im Jahr 1989 lud der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Dimitrios „die ganze orthodoxe und christliche Welt“ ein, am 1. September für die Gabe der Schöpfung zu danken und zu ihrem Erhalt zu beten. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland nahm diese Initiative auf. Seit dem Ökumenischen Kirchentag in München im Jahr 2010 wird nun bundesweit am ersten Freitag im September oder im Laufe des Septembers ein „Tag der Schöpfung“ gefeiert, für den die Ökumenische Centrale in Frankfurt Gottesdienstvorlagen erstellt.
Die Päpste seit Johannes XXIII. haben immer wieder auf die Bedrohung und Zerstörung der Schöpfung durch den Menschen hingewiesen. So schreibt Papst Paul VI. acht Jahre nach Pacem in terris im Jahre 1971, als er die Folgen der unkontrollierten Tätigkeit des Menschen verdeutlicht: „Infolge einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur läuft er Gefahr, sie zu zerstören und selbst Opfer dieser Zerstörung zu werden.“
Papst Franziskus hat mit seiner Enzyklika Laudato Si über die Sorge für das gemeinsame Haus der Welt weitere mahnende Worte zum Erhalt der Schöpfung und der Sorge für Frieden und Gerechtigkeit ins Stammbuch geschrieben: „Ich möchte allen, die in den verschiedensten Bereichen menschlichen Handelns daran arbeiten, den Schutz des Hauses, das wir miteinander teilen, zu gewährleisten, meine Anerkennung, meine Ermutigung, und meinen Dank aussprechen. Besonderen Dank verdienen die, welche mit Nachdruck darum ringen, die dramatischen Folgen der Umweltzerstörung im Leben der Ärmsten der Welt zu lösen … Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten.“
Die Pläne und Projekte in den Kirchen zur Nachhaltigkeit, etwa durch Dämm- und andere Wärmeschutzmaßnahmen oder durch Planungen zu Kooperationen durch gemeinsame Gebäudenutzungen in den Kirchengemeinden haben einen langen Vorhall in den Mahnreden kirchenleitender Persönlichkeiten und Initiativgruppen, dessen Nachhall den Blick auf die Uhr lenkt. Ob es da zehn vor zwölf oder fünf vor zwölf ist, spielt kaum eine Rolle. Die Zukunft der Welt gerät gerade ins Wanken.