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Erzbistum Paderborn
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Turiner Grabtuch© Paolo Gallo / Shutterstock.com

Auf Spurensuche in Glaubensfragen

Das Turiner Grabtuch gilt als einer der meist untersuchten archäologischen Gegenstände weltweit. Eine Ausstellung der Malteser in Herford widmet sich den Hintergründen und fragt: Wer ist der Mann auf dem Tuch?

Es klingt wie ein Krimi: eine brutale Tötung, die viele Betroffene hinterlässt. Ein prominenter Gegenstand, der als mysteriöses Beweismittel fungiert. Eine umfassende Spurensuche, an der seit Jahrzehnten Fachleute aus zahlreichen Wissensgebieten beteiligt sind. Dabei ist es wohl ein realer Fall, den wir nie ad acta legen werden.

Das Turiner Grabtuch ist ein kostbares, 4,4 x 1,1 Meter großes Leinentuch in aufwändigem Fischgrätmuster, das sich heute in einer Kapelle des Turiner Doms befindet. Darauf das blassbeige, schattenhafte Abbild eines Mannes in Vorder- und Rückansicht. Außerdem Blutflecken und seröse Wundflüssigkeit sowie Brandspuren.

Im Jahr 1898 erhielt Secondo Pia die Erlaubnis, das Tuch erstmals zu fotografieren. Zum Vorschein kam auf seiner Negativ-Fotoplatte ein männlicher Körper, plastisch und lebensnah, mit ausdrucksstarkem Gesicht, während sich Hell und Dunkel auf dem Tuch wie beim Negativ darstellen.

Sindonologie: die Wissenschaft des Grabtuchs

Seit dieser Fotografie hat sich ein interdisziplinärer Forschungszweig rund um Entstehung, Datierung und Identität des Grabtuchs (griech. „sindon“) entwickelt: Fachleute aus den Natur- und Geisteswissenschaften, aus Kriminologie und Archäologie versuchen bis heute, ihm neue Informationen zu entlocken: Woher stammt das Tuch? Handelt es sich um ein mittelalterliches Artefakt oder ein authentisches Leichentuch? Und ist der Mann, den es zeigt, wirklich Jesus von Nazareth?

Biologen und Mediziner waren gleich von der anatomisch-medizinischen Präzision der Abbildung fasziniert, die kein alter Künstler so hätte abbilden können. Ein Indiz für die Echtheit des Tuchs? Zwei runde Fremdkörper im Bereich der Augen hielt man gar für Münzen, die in die Zeit von Pontius Pilatus weisen. Und die Textilkunde legt nahe, dass das Tuch aus antikem Leinen aus dem Vorderen Orient gewirkt sein könnte.

Problematische Quellenlage

Ein Kriminologe und Pflanzenkundler will zudem herausgefunden haben, dass die Pflanzenpollen auf dem Tuch mit dessen tradierter Reise von Jerusalem nach Turin übereinstimmen.

Wobei die historische Überlieferungslage selbst problematisch ist: Ab 1389 gibt es klar zuordbare schriftliche Quellen. Für die mutmaßliche Frühzeit des Tuchs finden sich allenfalls Überlieferungen und ikonographische Indizien, die zu Hypothesen führen. Die historische Grabtuchforschung diskutiert hier eine Identität mit dem Christusbild von Edessa.

Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche

Wanderausstellung der Malteser, 24. September – 6. November 2023 Herford

Die erste in Deutschland präsentierte Ausstellung zum Turiner Grabtuch dokumentiert die Geschichte des Tuches sowie die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse um Wunden und Echtheit – versehen mit biblischen Bezügen. Sie bietet Gelegenheit, Religion und Wissenschaft erfahrbar zu machen. Kernstücke sind eine originalgetreue Nachbildung des Tuchs und die Nachbildung eines Korpus nach einer 3D-Betrachtung der Spuren am Tuch. Auch weitere Ausstellungsstücke wie die Leidenswerkzeuge, deren Spuren im Tuch zu finden sind, bieten Anregung zur Diskussion.

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit?

Skeptiker dagegen berufen sich auf Untersuchungen von Stoffproben mittels C14-Datierung, die die Entstehung in die Jahre 1260 bis 1390 nach Christus datiert. Wobei die Kohlenstoffdatierung von Grableinen methodisch nicht unumstritten ist. Andere Fachleute weisen zudem auf das Fehlen realer Blutspuren oder auf Farbpigmente am Leinen hin, wie sie die Kunst im Mittelalter genutzt habe. Womöglich sitzen Gläubige also einem Mythos auf?

Bis heute kann keine wissenschaftliche Erklärung die Entstehung des Abbilds in seiner Dreidimensionalität und dessen Foto-Negativ-Charakter komplett verständlich machen. Beweisen, ob der Mann auf dem Tuch der historische Jesus ist, lässt sich nicht. Man kann es allenfalls relativ gewiss nennen. Wie Prof. Bruno Barberis, der mittels Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigte: Die archäologischen Merkmale des Grabtuchs, die auf bestimmte Tötungs- und Bestattungsriten hindeuten, und die Berichte des Neuen Testaments weisen Übereinstimmungen auf, die in ihrer Summe historisch betrachtet eher unwahrscheinlich sind. Was die Identität des Mannes auf dem Tuch mit Jesus wiederum sehr wahrscheinlich macht.

Fruchtbare Spannung von Vernunft und Glaube

Am Ende bleibt die Identität des Tuchs eine Frage des Glaubens. Die katholische Kirche wertet es als Ikone, nicht als Reliquie. Für Weihbischof Matthias König, der die Schirmherrschaft der Malteser-Ausstellung im Erzbistum Paderborn übernimmt, spielt das keine Rolle: „Wenn man das Grabtuch betrachtet, ahnt man, was es uns sagen möchte: Der Sohn Gottes hat für uns unendliches Leid auf sich genommen.“ Ein Zeichen, das Trost spenden und Glauben stärken kann. Klappt das auch im 21. Jahrhundert noch, wo Wissenschaftlichkeit und Faktentreue zum guten Ton des aufgeklärten Menschen gehören?

„Dass ein antikes Tuch sich nicht ohne Wenn und Aber der heutigen Zeit mit ihren mikrogenauen Fragen preisgibt, spricht dafür, dass sich die Frage nach Gott nicht durch wissenschaftlichen Fortschritt erledigen lässt, sondern immer für die Menschen aktuell sein wird“, ist sich Adelheid von Aulock vom Malteserorden sicher. Sie ist Mitglied des Kuratoriums und lädt zu einem kriminologischen Abenteuer ein, das die Ausstellung in Herford verspricht.

Ein Beitrag von:
© privat
Freie Autorin

Dr. Carina Middel

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