Skeptiker dagegen berufen sich auf Untersuchungen von Stoffproben mittels C14-Datierung, die die Entstehung in die Jahre 1260 bis 1390 nach Christus datiert. Wobei die Kohlenstoffdatierung von Grableinen methodisch nicht unumstritten ist. Andere Fachleute weisen zudem auf das Fehlen realer Blutspuren oder auf Farbpigmente am Leinen hin, wie sie die Kunst im Mittelalter genutzt habe. Womöglich sitzen Gläubige also einem Mythos auf?
Bis heute kann keine wissenschaftliche Erklärung die Entstehung des Abbilds in seiner Dreidimensionalität und dessen Foto-Negativ-Charakter komplett verständlich machen. Beweisen, ob der Mann auf dem Tuch der historische Jesus ist, lässt sich nicht. Man kann es allenfalls relativ gewiss nennen. Wie Prof. Bruno Barberis, der mittels Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigte: Die archäologischen Merkmale des Grabtuchs, die auf bestimmte Tötungs- und Bestattungsriten hindeuten, und die Berichte des Neuen Testaments weisen Übereinstimmungen auf, die in ihrer Summe historisch betrachtet eher unwahrscheinlich sind. Was die Identität des Mannes auf dem Tuch mit Jesus wiederum sehr wahrscheinlich macht.
Fruchtbare Spannung von Vernunft und Glaube
Am Ende bleibt die Identität des Tuchs eine Frage des Glaubens. Die katholische Kirche wertet es als Ikone, nicht als Reliquie. Für Weihbischof Matthias König, der die Schirmherrschaft der Malteser-Ausstellung im Erzbistum Paderborn übernimmt, spielt das keine Rolle: „Wenn man das Grabtuch betrachtet, ahnt man, was es uns sagen möchte: Der Sohn Gottes hat für uns unendliches Leid auf sich genommen.“ Ein Zeichen, das Trost spenden und Glauben stärken kann. Klappt das auch im 21. Jahrhundert noch, wo Wissenschaftlichkeit und Faktentreue zum guten Ton des aufgeklärten Menschen gehören?
„Dass ein antikes Tuch sich nicht ohne Wenn und Aber der heutigen Zeit mit ihren mikrogenauen Fragen preisgibt, spricht dafür, dass sich die Frage nach Gott nicht durch wissenschaftlichen Fortschritt erledigen lässt, sondern immer für die Menschen aktuell sein wird“, ist sich Adelheid von Aulock vom Malteserorden sicher. Sie ist Mitglied des Kuratoriums und lädt zu einem kriminologischen Abenteuer ein, das die Ausstellung in Herford verspricht.