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© Besim Mazhiqi

Augmented Reality im Welterbe Corvey

Moderne Technik in alten Klostermauern: Mithilfe von Augmented Reality erkunden Besucherinnen und Besucher die mittelalterliche Klosterkirche

Von Flensburg nach Rom über Miami bis hin nach Toronto und Sydney: Immer mehr Museen und historische Stätten weltweit schicken ihre Besucherinnen und Besucher auf virtuelle Zeitreise – mit Hilfe von Augmented Reality. Auch im altehrwürdigen UNESCO-Welterbe Corvey, der ehemaligen Reichsabtei und dem heutigen beliebten Ausflugsziel am Weserbogen bei Höxter, hält nun die moderne Technik Einzug.

In diesem Sommer startet die digitale Entdeckungsreise im Johannischor, dem Herzstück des karolingischen Westwerks. Durch eine spezielle App haben Besuchergruppen anhand von Tablets künftig die Möglichkeit, genau auf die Wände der historischen Emporenkirche zu blicken und nachzuvollziehen, wie diese großartigen architektonischen Räume des Welterbes einst geleuchtet haben.

Was ist Augmented Reality?

Das Konzept Virtual Reality (Virtuelle Realität) ist vielen Menschen schon ein Begriff – dabei wird eine komplett neue Welt erschaffen, die die echte Welt quasi ersetzt. Im Gegensatz dazu spielt Augmented Reality (Erweiterte Realität) in die echte Welt hinein: Computergestützt gibt es hier zusätzliche Informationen, meist in Bildform oder als Simulation, interaktiv und in Echtzeit. Man nimmt die echte Welt und ihre Erweiterung simultan wahr.

© Martina Schäfer / Erzbistum Paderborn
© Martina Schäfer / Erzbistum Paderborn

Digitale Rekonstruktion fußt auf jahrelanger Forschung

Würdevoll und erhaben, aber auch sehr schlicht präsentiert sich der Johannischor im doppeltürmigem Westwerk mit den imposanten Wesersandstein-Mauern noch heute. Der zentrale Raum der ehemaligen Klosterkirche, die 885 geweiht wurde, war ein Ort des liturgischen Gedenkens. Dort trafen sich Geistliche, Könige und Kaiser – der Johannischor war ein Raum des Gebets und der gemeinsamen spirituellen Erfahrung. Ein repräsentativer Ort mit besonderer Aura, der im Frühmittelalter kostbar und aufwendig geschmückt war.

„Und genau dieses Bild wollen wir unserem Publikum in Corvey deutlich machen“, sagt Annika Pröbe, Projektkoordinatorin Welterbe Westwerk Corvey. Der Historikerin vom interdisziplinären Kompetenzteam der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus ist viel daran gelegen, künftig zu zeigen, wie herausragend und beeindruckend die Ausstattung einst im Johannischor glänzte.

Und diese Herausforderung geht nicht ohne kompetente Unterstützung. So machten sich Spezialisten des Fraunhofer-Instituts für grafische Datenverarbeitung (IGD) Darmstadt ans Werk. Sie bauen ihre Tools auf den Forschungen von Hilde Claussen und Uwe Lobbedey auf, Wissenschaftler, die sich beide jahrelang kunst- und bauhistorisch sowie archäologisch intensiv mit der karolingischen Klosterkirche beschäftigt haben.

Augmented Reality im Welterbe Corvey

Die Entdeckungsreise ins Johannischor ist von Juni an im Rahmen von Führungen an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und Brückentagen jeweils von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr sowie am Donnerstag von 15.00 Uhr möglich.

Es wird um eine Anmeldung unter 05271/68168 gebeten.

Virtuelles Wiederauferstehen vergangener Schönheit

Die Architektur sowie die eindrucksvollen Wandmalereien und Stuckfiguren spielen dabei eine zentrale Rolle „Um diese Visualisierung des historischen Zustandes des einstiges Klostergebäudes möglich zu machen, waren viele Teilschritte nötig“, berichtet Annika Pröbe von der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Expertenteam des Fraunhofer-Instituts. In einer echten „Puzzlearbeit“ mit unzähligen hochauflösenden Scanverfahren entstand in den vergangenen drei Jahren eine App, die den historischen Johannischor virtuell wiederauferstehen lässt und direkt vor Ort erfahrbar macht. Und wer nun an den multimedialen Führungen teilnimmt, erhält spannende und bewegende Einblicke in eine große Vergangenheit.

Intensives Farbspiel

Mit Hilfe der verwendeten Tablets lässt sich im Johannischor genau jene Perspektive und Ausschmückung sichtbar machen, die bei Gästeführungen bisher nur beschrieben werden konnte. „Das ist eine didaktische Erschließung mit besonderem Aha-Effekt“, freut sich Annika Pröbe über die Resonanz im sogenannten Probelauf. Denn wer mit dem Tablet über die Wände der heute so schlicht wirkenden Emporenkirche fährt, ist erstaunt über die ungewöhnliche Farbigkeit in der Rekonstruktion.

Ein wahres Feuerwerk von Grün, Rot, Blau, Orange oder Gelb erwartet die Corvey-Gäste. Kein Wunder, denn Corveys Erbauer orientierten sich im 9. Jahrhundert bewusst an antiken Vorbildern – denn die Statuen, Tempel und Triumphbögen der Griechen und Römer, die dem heutigen Betrachter so marmorweiß begegnen, waren ursprünglich intensiv farbig gefasst und mit aufwendiger Ornamentik verziert.

Odysseus-Szene lässt sich nachzeichnen

Und so leben nun auch im Westwerk die einstigen sechs lebensgroßen Stuckfiguren als 3D-Nachbildungen – auf der Grundlage von Skizzen der Wissenschaftler – virtuell und äußerst farbenprächtig auf. Farbreste an den Original-Fragmenten ließen die passenden Rückschlüsse zu. Beeindruckend erscheinen daneben die ornamentreichen Arkadenbögen mit ihren wunderschön ausgearbeiteten Ranken. Spannend ist ebenfalls, dass Besucherinnen und Besucher direkt vor der berühmten Odysseus-Szene unter der Westempore die fragile Malerei auf dem Bildschirm „nachzeichnen“ können und genaue Informationen über die mythologische Darstellung erhalten. Dieser „Kampf des Odysseus gegen das Meeresungeheuer Skylla“ spiegelt beispielhaft die Antikenrezeption der Karolinger wider.

Karolingische Kirche wird am Tablet sichtbar

Einer der aufregendsten Blicke ist dazu noch jener auf die Rückwand der Orgel aus der barocken Abteikirche – genau dort eröffnet sich dem Publikum eine aufschlussreiche Perspektive auf die langgestreckte erste karologische Basilika von 844. Aus vielen Einzelteilen entsteht nach und nach das Gesamtbild des Westwerks in seiner damaligen Erscheinung, welche durch die App erfahrbar wird. Neue Erkenntnisse lassen sich problemlos in diese digitale Welt integrieren, ohne den Denkmalschutz anzutasten. „Mit dieser multimedialen Entdeckungsreise können wir vor allem auch ein jüngeres Publikum für das Welterbe Corvey begeistern“, zeigt sich Annika Pröbe überzeugt.

Auch die Hausherrin des Westwerks, die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus, steht „mit vollem Herzen hinter diesem Projekt“, wie Josef Kowalski vom Kirchenvorstand betont. „Für uns bedeutet es eine großartige und wichtige Botschaft, Corvey in seiner Ursprünglichkeit für die Menschen erleb- und erfahrbar machen zu können.“ Und dafür müsse man sich in Sachen Vermittlung dem Fortschritt anpassen und neue Wege gehen. Dort direkt vor Ort am Weserbogen lässt sich nun die Aura des Raumes zur Blütezeit des Klosters vom 9. bis 12. Jahrhundert nachspüren. Spannender kann Geschichte nicht sein.

Ein Beitrag von:
© privat
freie Autorin

Martina Schäfer

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