Zum 1. November endet in Werl das Wallfahrtsjahr. Ebenso endet die Zeit von Msgr. Dr. Gerhard Best als Leiter der dortigen Marienwallfahrt. Aus gesundheitlichen Gründen ist er von diesem Amt zurückgetreten. Pfarrer Bernd Haase wird zum 1. Dezember die Leitung übernehmen. Msgr. Dr. Best wird weiterhin als Wallfahrtsseelsorger in Werl bleiben. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Wechsels spricht er über seine Entscheidung zurückzutreten und blickt auf seine Zeit als Leiter der Marienwallfahrt seit der Übernahme durch das Erzbistum im Jahr 2019 von den Franziskanern.
„Die Muttergottes kennt uns“
Msgr. Dr. Best, Sie sind aus gesundheitlichen Gründen von der Position des Wallfahrtsleiters zu-rückgetreten und nun nach einer Reha wieder zurück in Werl. Wie geht es Ihnen?
Mir geht es wieder sehr gut. Ich war in Bad Reichenhall in einer großen Klinik für Atemwegserkrankungen. Dort bin ich gut behandelt worden und habe mich wohl gefühlt. Das ist schon eine etwas „andere Welt“ als gewohnt – mit viel Sport und vielen Aktivitäten. Und jetzt freue mich, wieder hier in Werl zu sein, noch bis zum 1. November in der Leitung. Danach trete ich dann in die zweite oder dritte Reihe zurück.
Sie haben erleichtert reagiert, als der Erzbischof ihren Rücktritt angenommen hat. Was hat Sie daran erleichtert?
Mit meinen gesundheitlichen Einschränkungen hätte ich die Leitung nicht mehr wahrnehmen können. Es war für mich eine Erleichterung und ließ mich wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen, dass ich nun aus der Verantwortung herausgenommen werde. Als Seelsorger werde ich, so Gott will, noch einige Jahre hier arbeiten. Das ist eine genauso wichtigere Aufgabe wie die des Leiters.
War es schwer für Sie, die Leitung der Wallfahrt loszulassen?
Ich bin in den fünf Jahren gern Wallfahrtsleiter gewesen. Ich bin Werler, hier geboren und mit der Marienwallfahrt schon aus der Zeit der Franziskaner eng verbunden. Ich habe mich seinerzeit gefreut als Erzbischof em. Hans-Josef mir diese Aufgabe übertragen hat. Und es ist mir schwergefallen, die Leitung jetzt abzugeben. Es war wie so oft eine Frage zwischen Herz und Verstand. Das Herz hätte gesagt: „Mach es noch ein bisschen weiter.“ Der Verstand hingegen wusste: „Es geht nicht mehr.“
Welche Aufgaben werden Sie in Zukunft noch wahrnehmen?
Ich muss zuerst einmal mit meinem Nachfolger darüber sprechen, welche Aufgaben ich wahrnehmen soll. Es wird sicher so sein, dass ich weiter Gottesdienste feiere und die Beichtbereitschaft habe. Ich kann mir vorstellen, auch noch etwas publizistisch tätig zu sein, denn uns fehlt in der Basilika beispielsweise ein aktueller Kirchenführer.
Wird es leicht für Sie sein, sich in dieser neuen Rolle am selben Ort zurechtzufinden?
Zunächst einmal bin ich sehr dankbar für den neuen Wallfahrtsleiter, Pfarrer Bernd Haase. Ich bin sicher, dass es eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit wird. Ich war 17 Jahre Dechant, in verschiedenen Pfarreien Pfarrer und habe immer für mich klar gehabt, dass ich meinen Nachfolgern nicht „reinregieren“ werde. Das ist unerträglich. Daher glaube ich, dass es mir recht leichtfallen wird. Der neue Wallfahrtsleiter und ich kennen uns so gut, dass ich zuversichtlich bin, dass „alles klappt“.
Freuen Sie sich darauf, nach den Jahren der Leitung wieder hauptsächlich Seelsorger zu sein?
Alle in unserem Wallfahrtsteam, auch der Leiter, verstehen sich zunächst als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in der Seelsorge – und alles Weitere kommt hinzu. Das muss so sein. Ich habe auch als Pfarrer und als Dechant gern verwaltet und gebaut, insofern war das nie etwas, was mich belastet hat. Eine Herausforderung in meiner Zeit hier in Werl war der Umbau des früheren Franziskanerklosters zum heutigen Pilgerkloster von Herbst 2019 bis Ende 2021. Es waren sehr viele verschiedene Aufgaben, und Langeweile kommt in einer solchen Position selten auf. Deswegen bin ich froh, dass es nun anders verteilt wird.
Es waren sehr viele verschiedene Aufgaben, und Langeweile kommt in einer solchen Position selten auf.
Wallfahtsleiter Msgr. Dr. Best spricht bei der Einweihung des Pilgerklosters Werl durch Erzbischof em. Hans-Josef Becker und Generalvikar Alfons Hardt am Ostermontag, dem 18. April 2022.
Der Umbau des bisherigen Franziskanerklosters zum Pilgerkloster Werl von September 2019 bis Ende 2021 war eine der Herausforderungen in seiner Zeit als Leiter der Marienwallfahrt.
Was hat Sie in Ihrer Zeit als Wallfahrtsleiter am meisten erfüllt?
Das ist schwer zu sagen. Ich möchte hier zwei Dinge nennen. Es war erfüllend und schön wahrzunehmen, dass es nach Corona wieder neu begann. Die Corona-Zeit war eine Herausforderung. Am 1. September 2019 sind die Franziskaner gegangen, und unser Wallfahrtsteam war voller Tatendrang. Im Frühjahr 2020 versah der absolute Lockdown alles, was wir geplant hatten, mit einem großen Fragezeichen. Als dann am 1. Mai 2020 bei uns in der Werler Wallfahrtsbasilika die erste öffentliche heilige Messe in ganz Westfalen gefeiert und das Wallfahrtsjahr eröffnet werden konnte, war das das erste Zeichen, dass es weitergeht. Es hat mich berührt, wie viele Personen und kleine Gruppen kamen und sagten: „Heute ist doch unser Tag, das ist gelobt, und wir sind gekommen.“ Nach Corona war das Erfreulichste für mich wahrzunehmen, die Menschen kommen wieder in großen Gruppen, in den traditionellen Prozessionen und Wallfahrten, die es schon vor Corona gegeben hatte. Sie sind wieder da. Das zweite, das ich nennen möchte, ist die Beichtpastoral, die in Wallfahrtskirchen noch sehr intensiv ist. Mich hat oft berührt, mit welch tiefem Vertrauen Menschen kommen und sich in der heiligen Beichte an Gott wenden – und wir als Priester mitwirken dürfen. Das hat mir deutlich gemacht, wie wichtig unser Dienst ist.
Wir sind hier in Werl beim Gnadenbild der Gottesmutter als „Trösterin der Betrübten“. Wie finden die Pilgerinnen und Pilger hier Trost?
Ich fange beim äußeren an und sage: in der Feier der Gemeinschaft, im gemeinschaftlichen Gottesdienst und Singen, im gemeinsamen Glauben. Denn das ist eine Erfahrung, die Menschen oft fehlt. Einfach mal in einer vollen Kirche beten und singen zu können. Das ist nicht zu unterschätzen. Wir sind nicht vereinzelt, wir sind eine große Gemeinschaft, die betet. Dann der Trost in Gesprächen, der Trost im Gebet. Und ich weiß aus persönlichen Hinweisen, dass es bis heute in Werl besondere Gebetserhörungen gibt. Genauso wichtig sind aber auch die alltäglichen Wunder in der Begegnung mit unserem Gnadenbild: Dass Menschen in ihrer existenziellen Not hier beten und neuen Mut fassen, zuversichtlich weiterzugehen und wieder nach vorne schauen.
Haben Sie persönlich auch diese Erfahrung gemacht?
Also, auch ich habe im April, als ich krank wurde, und in den Wochen und Monaten danach oft still dagesessen und gebetet. Dann wird es sehr konkret. Ich bin mir sicher, dass die Muttergottes dabei mitgeholfen hat, dass es für mich und den Wallfahrtsort eine neue Perspektive gibt.
Ich sage immer: Die Muttergottes blickt die Menschen an und oft sagen mir Pilger: ‚Wir haben den Eindruck, die Muttergottes kennt uns.‘
Auf dem Werler Gnadenbild sind die Muttergottes und auf ihrem Schoß Jesus Christus dargestellt. Maria bietet Christus als den Heiland und Retter der Welt den Menschen dar. Sie wirkt als Mittlerin und Verbindung zu ihm. Dass Christus im Mittelpunkt der Werler Marienwallfahrt und im Zentrum des Gnadenbilds steht, ist ein Akzent, den Msgr. Dr. Best in fast jeder Predigt und Führung setzt.
Spätestens seit dem Buch von Hape Kerkeling ist Pilgern beziehungsweise Wallfahren etwas, dass populär ist und viele Menschen anzieht. Was, glauben Sie, macht Pilgern aus?
Nicht zu unterschätzen ist auch hier der Aspekt der Gemeinschaft, sowohl im Beten als auch im Feiern. Katholisch ist immer ganzheitlich. Wichtig ist ebenso, dass jede und jeder sich selbst beim Pilgern den Rahmen setzt. Es gibt Menschen, die einmal im Jahr zu Fuß hierhin nach Werl kommen, und das ist ihr religiöses Tun. Ich hüte mich zu werten, wie und wo Menschen ihre geistlichen Erfahrungen machen. Das ist die Tankstelle dieser Menschen, um Kraft zu finden für ihren Lebensweg. Pilgern ist ein Beten mit den Füßen, ein Unterwegssein zu einem Ziel und ein Ins-Gespräch-Kommen mit den Mitmenschen und mit Gott, über sich selbst und über den Glauben. Ich lade gerne nach Werl ein, weil hier am Gnadenbild der direkte Kontakt zu Christus und seiner Mutter Maria augenscheinlich ist. Ich sage immer: Die Muttergottes blickt die Menschen an und oft sagen mir Pilger: „Wir haben den Eindruck, die Muttergottes kennt uns.“
Ist ein Wallfahrtsort also etwas zeitloses?
Nein, wir müssen uns ständig verändern. Erzbischof em. Hans-Josef hat uns vor fünf Jahren den Auftrag gegeben, die klassische Marienwallfahrt nach Werl zu stützen und zu fördern, aber genauso gesagt, dass wir so viel Neues wie eben möglich „erfinden“ sollen. Ein Wallfahrtsort, der statisch bleibt, wird nicht lange bestehen. Ich bin unserem Pastoralteam sehr dankbar, dass ganz viele neue Akzente gesetzt wurden. Ohne das Team wäre dieses wunderbare Arbeiten hier in Werl gar nicht möglich. Die Wallfahrt der Justizvollzugsanstalten aus Nordrhein-Westfalen, Großeltern-Enkel-Wallfahrten, Fahrzeugwallfahrten, Lego-Ausstellungen als religionspädagogisches Konzept für Kinder – all das sind Angebote, die in den letzten Jahren neben den vielen traditionellen entstanden sind.
Was würden Sie sagen, vielleicht auch ihrem Nachfolger, macht den Marienwallfahrtsort Werl aus?
Die Botschaft eines Wallfahrtsortes ist immer dieselbe. Er hat weit geöffnete Türen. Hier steht Seelsorge im Mittelpunkt – nicht „Zählsorge“. Jede und jeder, der möchte, kann kommen. Jede und jeder, der möchte, darf sich hier wohlfühlen, darf sich hier angenommen fühlen. Die Antwort eines Wallfahrtsortes auf die Fragen der Menschen ist: „Hab Vertrauen, Gott ist da. Hab Vertrauen, Maria ist da. Christus und Maria, die unser Leben kennen, die auch ihren eigenen Lebensweg gegangen sind: Sie sind an deiner Seite und stehen dir bei in den schönen und hellen Stunden, die du erleben darfst, aber noch viel mehr in den schweren und dunklen.“ Und mit Blick auf meinen Nachfolger: Ein Vorgänger sollte nicht sofort ungefragt Ratschläge geben. Aber Pfarrer Haase war schon mehrfach hier, hat sich mit dem Team unterhalten – und ich bin sicher, dass er es ähnlich sieht wie wir in Werl bisher: „Einzelkämpfer“ sind in unserer Kirche fehl am Platze. Es geht darum, gemeinsam im Team und mit vielen Ehrenamtlichen etwas zu erreichen. Das war in Werl so Praxis – und wird so bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch.