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Erzbistum Paderborn
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© Cornelius Stiegemann / Erzbistum Paderborn

Da stand der Kaiser Kopf!

Eine Urkunde aus dem Erzbistumsarchiv belegt: Bei der Gründung des Prämonstratenser-Chorherrenstifts Clarholz war der Ordensstifter, der heilige Norbert von Xanten, direkt beteiligt

In praktisch jedem Klassenzimmer der 1960er- und 1970er-Jahre saß ein Norbert und in nahezu jeder Jugendfußballmannschaft kickte ein Norbert mit. Einige von ihnen (Dickel, Nachtweih, Meier) wurden später sogar Profis. Selbst wenn viele alte Namen aktuell ein Revival feiern, ist der Name Norbert (althochdeutsch „Der Berühmte aus dem Norden“) sehr weit entfernt von neuer Beliebtheit. Daran wird auch dieser Beitrag wenig ändern. Aber zumindest innerkirchlich und im Erzbistum Paderborn könnte der heilige Norbert von Xanten (Gedenktag: 6. Juni) ein bisschen mehr Popularität vertragen. Immerhin handelt es sich bei dem Gründer des Prämonstratenserordens um eine interessante Persönlichkeit des hohen Mittelalters, die überdies direkte Bezüge ins heutige Erzbistum Paderborn aufweist. Wie eine in jüngerer Zeit aufwendig restaurierte Urkunde des Erzbistumsarchivs belegt, war der heilige Norbert höchstselbst an der Gründung des Prämonstratenser-Chorherrenstifts Clarholz beteiligt. Es lohnt sich, auf Spurensuche zu gehen!

Diese Spurensuche beginnt bei der Urkunde aus dem Jahr 1134. Trägermaterial des Schriftstücks ist ein starkes Pergament, das 49,3 Zentimeter in der Höhe und 34,4 Zentimeter in der Breite misst. Die Aufschrift wurde mit Eisengallustinte angefertigt. Zur Aufbewahrung wurde die große Kaiserurkunde dreimal vertikal und zweimal horizontal gefaltet, eine in früherer Zeit durchaus gängige Vorgehensweise, durch die das Trägermaterial und oft auch die Siegel Schaden nehmen konnten.

Inhaltlich bestätigt Kaiser Lothar III. mit der Urkunde eine Schenkung, die der Edelherr Rudolf von Steinfurt im Jahre 1133 mit Zustimmung seiner Brüder Ludolf und Udo tätigte. Rudolf stiftet zu seinem und seiner Eltern ewigem Gedächtnis seine Güter mit den dazugehörigen Kapellen in Clarholz und Lette sowie an anderen Orten zum Nutzen der Gott nach der Regel des seligen Augustinus Dienenden. Gemeint sind damit aber nicht etwa die Augustiner-Chorherren, sondern der erst im Jahr 1120 von Norbert von Xanten gegründete und zum Zeitpunkt der Schenkung also noch junge Prämonstratenserorden, der sich ebenfalls auf die Augustinusregel beruft. Aus der Stiftung Rudolfs von Steinfurt ging das Prämonstratenserstift Clarholz hervor, wie viele andere Klostergründungen der Prämonstratenser ein Doppelkloster mit einem Männerkonvent in Clarholz und einem Frauenkonvent in Lette.

© Ansgar Hoffmann / Erzbistum Paderborn
Unter der Schmuckzeile mit dem Monogramm des Kaisers liest man in lateinischer Sprache: Gegeben durch die Hand Norberts, des Erzkanzlers und Erzbischofs von Magdeburg

Gegeben durch die Hand Norberts

Was die Urkunde zur Gründung des Chorherrenstiftes inhaltlich auszeichnet: Wie dem Text zu entnehmen ist, wurde sie „gegeben durch die Hand Norberts, des Erzkanzlers und Erzbischofs von Magdeburg“. Damit ist gesichert, dass das Dokument unter der direkten Aufsicht des Ordensgründers als seinerzeitigem kaiserlichen Reichserzkanzler für Italien und Erzbischof von Magdeburg entstanden war. Folglich spielte Norbert auch bei der Klostergründung eine entscheidende Rolle.

Und ein Kaiser macht Kopfstände!

Und noch eines ist bemerkenswert: Das kaiserliche Siegel auf der Urkunde steht auf dem Kopf. Nach Meinung der Fachleute, die das Dokument in jüngerer Vergangenheit einer umfassenden Restaurierung unterzogen, lag die verkehrte Anbringung des Siegels bereits im Originalzustand vor und geschah nicht etwa bei vorherigen Versuchen, das in drei Teile geborstene Siegel zu reparieren. Wollte der Kaiser damit zum Ausdruck bringen, dass er dazu bereit war, Kopfstände zu machen, um Norbert die Klostergründung zu ermöglichen? Auch wenn Kaiser Lothar III. sich mit Eifer für die Sache seines Erzkanzlers und engen Beraters Norbert von Xanten einsetzte: Sein Kopfstand auf dem Siegel war wohl eher ein Versehen der beurkundenden Beamten – und ist ein Einzelfall. Im Erzbistumsarchiv Paderborn ist jedenfalls keine andere Urkunde von dieser Bedeutung bekannt, bei der ein Kaiser auf seinem Siegel kopfstehend dargestellt werden würde.

Vom Chorherrn über den Asketen zum Ordensgründer und zuletzt zum Bischof und Erzkanzler

Und wer war nun dieser Norbert von Xanten? Vieles in der Überlieferung seines Lebens ist fromme Legende, auch seine Beweggründe, in unterschiedlichen Phasen seines Lebens sehr unterschiedliche Glaubenswege zu beschreiten, liegen im Dunkeln. Aber viele historische Fakten sprechen für sich.

Geboren wurde Norbert um das Jahr 1082 als Spross des Geschlechts der Edelherren von Gennep. Als Stiftsherr in Xanten führte er ein weltliches, mit einigem Wohlstand verbundenes Leben und kam schon als junger Mann mit höchsten Vertretern der weltlichen Macht in Kontakt. So berief Kaiser Heinrich V. den jungen und offensichtlich talentierten Mann zu seinem Hofkaplan. Ein vom Kaiser angebotenes Amt als Bischof lehnte Norbert jedoch ab.

Stattdessen ging er im Jahr 1115 in die Abtei Siegburg, wo ihn Abt Kuno zu einem innerlichen Wandel anleitete. Anschließend wirkte Norbert, sehr zum Misstrauen einiger Kirchenoberer, nach apostolischem Vorbild als asketischer Wanderprediger in Deutschland, Belgien und Frankreich und wäre dies wohl auch gern geblieben. Die Kirche versuchte allerdings, den charismatischen Prediger Norbert einzuhegen und ihn in ihre Strukturen zurückzuführen. So jedenfalls lautet eine Erklärung dafür, dass Norbert im Jahr 1120 im Bistum Laon das Kloster Prémontré gründete, das Ausgangspunkt des neuen Ordens der Prämonstratenser (OPraem) werden sollte. Der Aufstieg Norberts in den Kirchenhierarchien war damit nicht vorbei. 1126 wurde er zum Erzbischof von Magdeburg geweiht und übernahm später als Stellvertreter des Kölner Erzbischofs zeitweise das Amt des Erzkanzlers von Italien.

Damit war aus dem Wanderprediger und Ordensgründer zuletzt ein Reichsfürst und mächtiger Politiker geworden. Hatte er sich von seinen Idealen eines apostolischen Lebens verabschiedet – oder wollte er seine machtvolle Stellung nun dazu nutzen, der gesamten Kirche die Nachahmung der urkirchlichen Lebensweise, vor allem in der Eucharistie, ans Herz zu legen? Mit seinem Orden bemühte er sich jedenfalls um kirchliche Reformen und als Reichserzkanzler für Italien setzte er sich mit Erfolg für den Erhalt des Friedens zwischen Papst und Kaiser ein. Nach seinem Tod am 6. Juni 1134 in Magdeburg fand die Beisetzung in der dortigen Marienkirche statt. Die Heiligsprechung erfolgte im Jahr 1582, im Jahr 1627 wurden seine Gebeine in die Prämonstratenser-Abtei Strahov bei Prag überführt.

St. Norbert im Erzbistum

Verehrt wird der heilige Norbert vor allem von Ordensleuten der Prämonstratenser. Ein Volksheiliger ist er trotz seines bewegten Lebens nicht geworden. Immerhin stehen im Erzbistum Paderborn zwei Kirchen unter dem Patrozinium des Ordensgründers: St. Norbertus in Arnsberg und St. Norbert in Werl. In Clarholz ist der heilige Norbert Con-Patron von St. Laurentius, der früheren Stiftskirche des Prämonstratenser-Chorherrenstifts. Zu den Kirchen:

Fotos Erzbistum Paderborn, Fachstelle Kunst, Ansgar Hoffmann
Signatur Erzbistumsarchiv Paderborn (EBAP), Depositum Clarholz, Urkunde Nr. 1
Entstehungsdatum 1134 Indictione XII
Provenienz Kath. Kirchengemeinde St. Laurentius Clarholz
Kulturhistorische Bedeutung Ein Stück Stifts- und Gründungsgeschichte des Chorherrenstiftes in Clarholz
Literaturangaben Der große Namenstagskalender, hrsg. von Jakob Torsy (+)/Hans Joachim Kracht, Freiburg i.B. 2008.
Monumenta Germaniae Historica – Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 8, S. 91–92; Berlin 1927 (online verfügbar unter: https://www.dmgh.de/mgh_dd_lo_iii/#page/91/mode/1up).
Realschematismus des Erzbistums Paderborn, Westlicher Teil, hrsg. vom Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn, Paderborn 1988.
WELT UND ZEIT GESTALTEN, Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn (Katalog zur Ausstellung), hrsg. von Holger Kempkens, Paderborn 2021.

Die Archivalie des Monats

Das Erzbistumsarchiv ist das Gedächtnis unserer Erzdiözese. Es sichert und erschließt die schriftliche Überlieferung und macht Geschichte allgemein zugänglich. Und das sogar kostenlos. Selbst die wertvollsten Archivstücke können Sie sich werktäglich zu den Öffnungszeiten des Erzbistumsarchivs ansehen. Darunter sind selbstverständlich auch die Stücke, die wir Ihnen in unserer Reihe „Die Archivalie des Monats“ vorstellen.

 

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Tel.: (0 52 51) 1 25-12 52
E-Mail: archiv@erzbistum-paderborn.de
Geöffnet Montag-Donnerstag, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr

 

Ein Hinweis für alle genealogisch Interessierten: Die digitalisierten Kirchenbücher des Erzbistums Paderborn finden Sie auf

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Ein Beitrag von:
© Jürgen Hinterleithner
freier Autor

Hans Pöllmann

© Cornelius Stiegemann / Erzbistum Paderborn
Archivar

Thomas Welter

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