logocontainer-upper
Erzbistum Paderborn
logocontainer-lower
© Michael Streit / Erzbistum Paderborn

Das Antoniusschwein von Garfeln

Zum Antoniustag am 17. Januar hat das Erzbistumsarchiv eine Archivalie ausgegraben, die einen längst vergessenen Brauch von dörflicher Solidarität dokumentiert

Das moderne Leben wird nach wie vor von christlichen Bräuchen und Überlieferungen geprägt. Selbst Menschen, die sich als säkular beschreiben, können sich der ordnenden Kraft dieser Traditionen kaum entziehen. Kurzer Blick zurück: Zu Weihnachten wird mit der Familie gefeiert, am Gedenktag des heiligen Silvesters steigt ein Feuerwerk und der Dreikönigstag ohne Sternsingerinnen und Sternsinger wäre eine triste Angelegenheit. Was steht nun als nächstes christliches Fest im Kalender religiöser und weniger religiöser Menschen an? Ist es Maria Lichtmess am 2. Februar, der erste Tag im Jahr, in dem die Abendmesse bei Tageslicht gefeiert werden kann? Oder ist es doch eher der Valentinstag am 14. Februar, hinter dessen Fassade aus Kommerz und Liebesschwulst eine christliche Märtyrergestalt steht?

In früheren Zeiten war der Festtagskalender noch um einiges dichter als in unseren modernen Tagen und auch die Zahl der Traditionen war deutlich höher. Von einem heute untergegangenen Brauch von dörflicher Solidarität berichtet die Archivalie des Monats Januar 2025, die das Erzbistumsarchiv zum Gedenktag des heiligen Antonius des Großen am 17. Januar ausgegraben hat.

„In festo S. Antonij vnter die armen vertheilet“

Die handschriftliche Notiz, angefertigt anlässlich einer bischöflichen Visitation der Pfarrei Hörste im Jahre 1656, erzählt vom Antoniusschwein. Dieses Schwein, gehalten im Weiler Garfeln (wie das benachbarte Pfarrdorf Hörste heute Teil von Lippstadt), war niemandes Eigentum. Es ging vielmehr „von Haus zu Haus“, wurde also von der Dorfgemeinschaft gemästet. Solidarisch ging es nicht nur bei der Aufzucht des Tieres, sondern auch bei dessen Verwertung zu. Das Fleisch des geschlachteten Schweins wurde am Antoniustag an die Armen verteilt.

Das Antonius-Brauchtum war weit verbreitet

Wie Pater Gandulf Korte 1937 in einem historischen Aufsatz beschreibt, gab es diesen höchst solidarischen und (mit Ausnahme des bedauernswerten Schweins) für alle schönen Brauch nicht allein in Garfeln, er war vielmehr in Westfalen auch anderenorts anzutreffen. Generell galt die Antonius-Vigil als Schlachttag, an dem auch die Armen oftmals ihren Teil abbekamen. Auf diese Weise gewann der Antoniustag einen caritativen Charakter.

Darüber hinaus berichtet Pater Korte von winterlichen Kirmesfeiern, die etwa in Herten, Bösensell, Darfeld und Merfeld zu St. Antonius oder am darauffolgenden Sonntag abgehalten wurden, sowie von Festessen und von Prozessionen. Der Antoniustag war demnach vielerorts ein Familientag. Es muss heutzutage kein Schwein mehr gemeinsam gemästet (und geschlachtet) werden. Aber wäre es nicht schön, wenigstens den familiären und caritativen Teil der Tradition neu aufleben zu lassen?

Foto Erzbistumsarchiv Paderborn
Signatur B 2.1, 13.2.2, fol. 659

(Alte Signatur: HS XIII, 2, 2, fol. 659)

Entstehungsdatum 1656
Provenienz Visitation im Archidiakonatsbezirk des Dompropstes, Teil 1 und 2; 1654–1656
Kulturhistorische Bedeutung Die Archivalie belegt einen heute vergessenen Brauch, in dem sich eine Dorfgemeinschaft des 17. Jahrhunderts solidarisch mit den Armen zeigt.
Literaturangaben Die Patrozinien Westfalens von den Anfängen bis zum Ende des alten Reiches; Herausgegeben vom Institut für religiöse Volkskunde Münster; Bearbeitet von Peter Ilisch und Christoph Kösters; Aschendorff, Münster, 1992

Korte, Gandulf: Antoniusbrauchtum in Westfalen; in: Volk und Volkstum – Jahrbuch für Volkskunde, zweiter Band; herausgegeben von Georg Schreiber; München 1937; Miszellen, S. 346–350

Linneborn, Johannes: Inventar des Archivs des Bischöflichen Generalvikariats zu Paderborn; Herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Westfalen; Aschendorff, Münster, 1920; S. 88

Die Archivalie des Monats

Das Erzbistumsarchiv ist das Gedächtnis unserer Erzdiözese. Es sichert und erschließt die schriftliche Überlieferung und macht Geschichte allgemein zugänglich. Und das sogar kostenlos. Selbst die wertvollsten Archivstücke können Sie sich werktäglich zu den Öffnungszeiten des Erzbistumsarchivs ansehen. Darunter sind selbstverständlich auch die Stücke, die wir Ihnen in unserer Reihe „Die Archivalie des Monats“ vorstellen.

Besuchendenadresse:

Erzbistumsarchiv Paderborn
Domplatz 15 (Konrad-Martin-Haus)
33098 Paderborn
Tel.: (0 52 51) 1 25-12 52
E-Mail: archiv@erzbistum-paderborn.de
Geöffnet Montag-Donnerstag, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr

Ein Hinweis für alle genealogisch Interessierten: Die digitalisierten Kirchenbücher des Erzbistums Paderborn finden Sie auf

Matricula

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Archivar

Michael Streit

Weitere Einträge

© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn

Unser Glaube „Keiner lebt gerne in einer ständigen Ungewissheit“

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz blickt im Gespräch mit der Kirchenzeitung DER DOM auf die drängenden Themen des neuen Jahres 2025
© Erzbistum Paderborn

Unser Glaube Grund Nr. 111: WO EIN WIR IST, IST AUCH EIN WEG!

Initiative 1000 gute Gründe: 12 gute Gründe für das Jahr 2025 - Januar
© Tobias Schulte / Erzbistum Paderborn

Unser Glaube Vorfreude aufs Leben

Jan Helmich gewinnt Bronze bei den Paralympics, promoviert in Cambridge und fragt sich: Was geht noch alles?
Kontakt
| |
generalvikariat@erzbistum-paderborn.de
+49 (0)5251 125-0
Barrierefreiheit