Manche hoffen dieser Tage auf einen goldenen Herbst. Andere darauf, dass ihr Fußballverein beim nächsten Spiel gewinnt. Aber wie steht es eigentlich um die Hoffnung? Christian Städter (42) ist Priester und so etwas wie ein Botschafter der Hoffnung. Viele junge Menschen vertrauen ihm wichtige Fragen des Lebens an und schätzen ihn als Ratgeber. Denn als Spiritual engagiert er sich in der Priesterausbildung und als Seelsorger in der geistlichen Begleitung.
Das Gefühl, dass Gott mich umarmt
Sie haben vorgeschlagen, das Gespräch an den Paderquellen in Paderborn zu führen. Warum?
Quellen sind ein schönes Symbol für das, was ich unter Hoffnung verstehe. Das Wasser, was hier emporstrudelt, hat einen Zielpunkt. Hoffnung meint, dass ich etwas erwarte und somit ein Ziel habe. Wasser kann aufgestaut oder umgeleitet werden, aber irgendwann wird es sein Ziel erreichen.
Welche Hoffnung haben Sie?
Meine christliche Hoffnung ist: Egal, was passiert, Gott vollendet diese Welt – und mich selbst.
Geht das auch konkreter?
Ich kann Unrecht erfahren, ich kann sterben, brutal umkommen – aber ich erwarte, dass ich das Ziel erreiche, bei Gott zu sein und er alles zum Guten vollenden wird. Das lässt mich hoffen.
Dann kann ich mich also entspannt zurücklehnen, wenn ich nur hoffe?
Nein, in der christlichen Botschaft liegt viel mehr. Ich kann nicht einfach die Augen verschließen und darauf vertrauen, dass alles gut wird. In meinem Leben habe ich die Aufgabe, daran mitzuwirken, dass das Leben gut wird. Von mir und meinen Mitmenschen. Ich soll Nächstenliebe und Barmherzigkeit leben, damit mein Nächster nicht verzweifelt.
Ein Ziel haben
Das Wasser einer Quelle hat ein Ziel. Deswegen ist das Bild einer Quelle so passend für die Hoffnung: Beides zeichnet sich dadurch aus, ein Ziel zu haben.
Und dieses Ziel wird erreicht, wenn auch manches Mal über Umwege.
Das hört sich nicht leicht an.
Ist es auch nicht. Nehmen wir die heilige Edith Stein. Sie war in der eigentlich hoffnungslosen Perspektive des Konzentrationslagers diejenige, die sich um die Kinder gekümmert hat, deren Eltern schon nicht mehr konnten. Sie fand für die Menschen tröstende Worte und hatte die Hoffnung, dass Gott die Menschen auffängt. Daraus hat sie Kraft geschöpft.
Und trotzdem wurde sie von den Nazis ermordet.
Das ist schwer zu ertragen, aber manchmal ist da nur die Hoffnung, dass nach dem Tod alles gut wird. Ganz platt kann man sagen: Auch Jesus hat sich angestrengt und ist am Kreuz gelandet. Es gibt Dinge im Leben, die ich nicht mehr zum Guten verändern kann. Aber Gott tut das.
Hoffen ist also harte Arbeit?
Manchmal schon. Dass ich die Hoffnung nicht verliere, dafür muss ich etwas tun.
Wie gelingt das?
Als Christ kann ich mich auf die Botschaft des Glaubens konzentrieren. Und es gibt natürlich auch andere Überzeugungen, die Menschen Hoffnung geben. Ich brauche ein Fundament im Leben, einen Lebensinhalt oder ein Lebensziel. Für dieses engagiere ich mich jeden Tag. In der geistlichen Begleitung gehen Menschen oft der Frage nach: „Warum hat mich Gott in diese Welt gestellt?“
Was sind die Antworten dann?
Allgemein kann die Antwort sein: Weil ich an dem mitwirken soll, was Jesus als das Reich Gottes bezeichnet hat.
Wie stellen Sie sich das Reich Gottes vor?
Jesus hat Gottes Reich in Bildern beschrieben. Gott lädt alle die ein, die nicht damit gerechnet haben. Die Armen, Schwachen und Ausgestoßenen. Wir sind zur Gemeinschaft untereinander und mit Gott aufgefordert. Ich meine, dass das Reich Gottes das Gefühl sein muss, dass Gott mich umarmt. So wie der barmherzige Vater seinen Sohn umarmt. Gott hat uns alle geschaffen und liebt uns. Dieses Gefühl soll sich breitmachen. Um das zu erreichen, kann ich mich mit den Schwachen solidarisieren.
Wie viel Prozent Reich Gottes haben wir schon?
Ein kleines Senfkorn Hoffnung.
Das ist wenig.
Seit 2000 Jahren ist das ein harter Weg. Es fängt mit jedem Menschen neu an, der sich im Herzen darauf einschwingt.
Warum ist das so schwer, das Reich Gottes aufzubauen?
Wir Menschen denken leider zu schnell, dass wir zu kurz kommen und mit den Ellenbogen für uns kämpfen müssen. Ich nehme in unserer Gesellschaft eine große Unzufriedenheit wahr. Mit sich selbst, mit den anderen, mit dem Staat, mit der Wissenschaft. Uns beschäftigen Wut und Aggression, Traurigkeit, Perspektivlosigkeit, die Flucht ins Oberflächliche. Vielen fehlt eine Zielperspektive: Was möchte ich mit meinem Leben machen?
Wie komme ich aus dieser Dynamik raus?
Wir sind dann wieder bei der Frage: Was will ich überhaupt in meinem Leben? In der Begleitung von Menschen geht es oft um ähnliche Anliegen: Ich möchte so angenommen werden, wie ich bin, ich möchte etwas Sinnvolles tun. Richte ich mich danach aus, dann ist das ein erster Schritt.
Ist Hoffnung in jedem Menschen?
Ja, ich glaube, dass sie in jedem Menschen angelegt ist. Sie kann aber verdunkelt sein.
Und dann?
Suche ich mir einen lieben Menschen, einen Freund, mit dem ich darüber reden kann. Oder, wenn ich merke, dass ich da mehr Unterstützung brauche, dann vielleicht einen Coach oder einen Seelsorger als geistlichen Begleiter. Und bei einer Depression natürlich einen Psychotherapeuten. Professionelle Hilfe ist wichtig.
Ein Coach hätte jetzt sicher einen abschließenden Tipp. Sie auch?
Vielen Dank für das Gespräch.
Magazin "Hoffnung"
Dieser Beitrag ist aus dem Magazin „Hoffnung“, das zu Ostern 2023 erschienen ist. Darin enthalten sind Interviews und Impulse, die Hoffnung machen und Zuversicht schenken. Sie haben interesse? Dann schauen Sie mal rein! Hier finden Sie das Magazin zum Download