logocontainer-upper
Erzbistum Paderborn
logocontainer-lower
© Ikars / Shutterstock.com

Die EU ermöglicht vielen Menschen ein besseres Leben

Weihbischof Josef Holtkotte im Interview zu den Wahlen zum Europäischen Parlament

Die Wahlen zum Europäischen Parlament stehen vor der Tür. In Deutschland findet die Europawahl am 9. Juni statt. Es ist die zehnte Direktwahl, 96 der 720 Abgeordneten des Europäischen Parlaments kommen in der nächsten Legislaturperiode aus Deutschland. Weihbischof Josef Holtkotte ist Bischofsvikar für gesellschaftliche und soziale Fragen im Erzbistum Paderborn. Im Vorfeld der Wahlen sprach Redaktionsleiter Dirk Lankowski mit ihm über seine frühsten Erfahrungen mit Politik und der Europäischen Gemeinschaft.  Weihbischof Holtkotte äußert sich auch dazu, warum er die EU gut findet und was jeder Einzelne für die Demokratie tun kann.

Redaktion

Sind Sie eher der Typ Briefwahl oder der Typ Wahllokal?

Weihbischof Josef Holtkotte

Ich habe schon per Briefwahl gewählt, weil ich am Wahltag unterwegs bin und auf keinen Fall meine Stimmabgabe verpassen möchte. Ins Wahllokal gehe ich aber auch gerne.

Redaktion

Wie lange interessieren Sie sich schon für Politik?

Holtkotte

Eigentlich schon, seit ich denken kann. Mein Vater war politisch interessiert, hat das mit uns geteilt und damit bin ich aufgewachsen. Politik hat eine Rolle gespielt, auch wenn wir nur darüber geredet haben, ohne dass sich jemand deutlicher politisch engagiert hat.

Redaktion

Was haben Ihnen Ihre Eltern mit auf den Weg gegeben?

Holtkotte

Die Demokratie, so wie ich das im Rückblick heute sehe, zu stärken und zu stützen und das, was wir an Möglichkeiten der Freiheit haben, auch zu leben und zu schätzen. Und die Aufmerksamkeit für Politik.

Karte von Europa© savva_25 / Shutterstock.com
Redaktion

Wann haben Sie das europäische Gemeinschaftsprojekt, also die Europäische Union oder ihre Vorläufer wie die Montanunion, zum ersten Mal so richtig wahrgenommen?

Holtkotte

Ach, das weiß ich gar nicht. Ich hatte schon früh die Möglichkeit, immer wieder zu reisen. Meine Eltern haben das unterstützt. Ich habe es geschätzt, wie unterschiedlich die Menschen leben und doch zusammenleben. Dieses Zusammenwachsen, dieses Zusammengehören und trotzdem unterschiedlich sein, aber gemeinsame Werte haben, das hat sich bei mir sehr früh festgesetzt und damit bin ich gedanklich aufgewachsen. Ich bin in die europäische Gemeinschaft hineingewachsen.

Redaktion

Haben Sie sich schon einmal politisch engagiert?

Holtkotte

Das ist eine sehr gute Frage, weil ich überlege, was alles dazu gehört. Ich habe mich nicht politisch engagiert, aber ich habe mich immer informiert und beteiligt. Ich gehe wählen, nehme an Bürgerentscheiden teil oder an manchen Demonstrationen. Im Vorfeld von Wahlen gehe ich auch zu Podiumsdiskussionen von Kandidaten, um die Unterschiede wahrzunehmen. Im Verband, bei Kolping, erlebte ich, dass Wahlprüfsteine entwickelt wurden, um unsere christlichen Positionen mit den Parteiprogrammen zu vergleichen.

Redaktion

Sie haben viel Kontakt zu jungen Menschen. Bei der Europawahl dürfen 16-Jährige wählen. Was sagen Sie den Jugendlichen, warum es sich lohnt, wählen zu gehen?

Holtkotte

Dass es die größte Möglichkeit ist, die Politik und damit auch die Inhalte wirklich aktiv mitzubestimmen, egal ob in der Kommune, im Land, in Deutschland oder jetzt in Europa. Es gibt manchmal Sätze wie: „Ist doch eh egal, wen man wählt“. Und das ist es nicht! Wir sehen alle, dass die Parteien unterschiedliche Programme haben. Wir haben zum Glück einen großen Block von demokratischen Parteien, aber die sind auch nicht alle gleich. Da gibt es große Unterschiede, und die können wir wählen. Und wenn ich möchte, dass bestimmte Themen, für die ich stehe, die mir wichtig sind, nach vorne gebracht werden, dann muss ich eben zur Wahl gehen und meine Stimme abgeben.

Ich möchte betonen, wie bedeutsam der Freiheitsgedanke ist und dass wir gemeinsam darauf achten müssen, dass es Standards für unser Zusammenleben in den Ländern der EU gibt. Einen Wertekanon, an dem wir uns orientieren. Für mich ist sehr bedeutsam, dass die EU vielen Menschen ein viel besseres Leben ermöglicht.

Weihbischof Josef Holtkotte

© CristiDumi / Shutterstock.com
© CristiDumi / Shutterstock.com
Redaktion

Wie sähe der europäische Kontinent ohne die EU aus?

Holtkotte

Das ist eine Frage, die sich eigentlich alle einmal stellen sollten. Denn wenn ich mich ernsthaft damit beschäftige, dann entdecke ich den großen Wert, den die EU hat. Es ist ja manchmal so: Wenn ich in einer Situation lebe, die gut oder in Ordnung oder heil oder friedlich ist, kann ich dazu neigen, das Gute schlecht zu reden, auch weil die Vergleichspunkte fehlen. Also: Ich glaube, dass wir viel weniger Frieden und Zusammenhalt in Europa hätten, dass alle Krisen viel größer wären, weil Menschen viel weniger Rücksicht aufeinander nehmen würden, weil man nicht gemeinsam denken, fühlen und arbeiten würde. Und ich glaube, je isolierter wir sind, je weniger wir voneinander wissen, desto größer ist das Potenzial für Feindseligkeit und Feindschaft. Deshalb möchte ich betonen, dass ich Kompromisse gut finde. Sie sind für mich ein hervorragendes Instrument der Demokratie: Ich muss mich einigen, ich muss versuchen, möglichst viele Interessen zu bündeln und damit letztlich auch viele Menschen zu gewinnen. Ich will mir nicht ausmalen, was mitten in Europa passieren könnte, wenn wir weniger Zusammenhalt hätten.

Redaktion

Und was würde Ihnen persönlich ohne die EU fehlen? Gibt es etwas, wo Sie sagen, da bin ich froh, dass es die EU gibt?

Holtkotte

Ich könnte jetzt Dinge aufzählen wie die Währungsunion oder die Reisefreiheit. Das ist sehr gut, dass wir das haben. Ich möchte zusätzlich betonen, wie bedeutsam der Freiheitsgedanke ist und dass wir gemeinsam darauf achten müssen, dass es Standards für unser Zusammenleben in den Ländern der EU gibt. Einen Wertekanon, an dem wir uns orientieren. Für mich ist sehr bedeutsam, dass die EU vielen Menschen ein viel besseres Leben ermöglicht.

Redaktion

Die einen bezeichnen die EU als großes Friedens- und Völkerverständigungsprojekt, die anderen als Bürokratiemonster. Wie sehen Sie das?

Holtkotte

Monster? Also ich finde eines ganz fatal: Wenn im Wahlkampf Projekte der EU mit Spott und Häme ausgeschlachtet werden und gesagt wird, wie sinnlos die EU ist. Das spielt immer nur denen in die Hände, die grundsätzlich gegen Europa und unsere Demokratie sind. Bei allen Fehlern, ich halte das ganze Gerede von krummen Gurken und Bananen in der Überbetonung für daneben. Alle sollten konstruktive und sachliche Kritik üben, aber Übertreibungen meiden, weil sie nur unnötige Angriffsflächen bieten.

„Also: Ich glaube, dass wir viel weniger Frieden und Zusammenhalt in Europa hätten, dass alle Krisen viel größer wären, weil Menschen viel weniger Rücksicht aufeinander nehmen würden, weil man nicht gemeinsam denken, fühlen und arbeiten würde. Und ich glaube, je isolierter wir sind, je weniger wir voneinander wissen, desto größer ist das Potenzial für Feindseligkeit und Feindschaft.“

Weihbischof Josef Holtkotte

Redaktion

Was würde Jesus zur EU sagen?

Holtkotte

Ich weiß es nicht. Ich kann mir vorstellen, dass er grundsätzlich Wege gutheißt, wenn  Menschen versuchen, in guter Weise miteinander in Solidarität zu leben. Und das sehe ich in der EU, mit allen Höhen und Tiefen.

Redaktion

Gibt es europäische Politiker, die Sie schätzen?

Holtkotte

Ja, es gibt die Großen, die die Idee der heutigen EU überhaupt erst ins Leben gerufen haben. Ich denke an Alcide De Gasperis, Konrad Adenauer und Robert Schuman. Sie haben unglaublich viel für die europäische Aussöhnung getan.

Redaktion

Beten Sie für Europa?

Holtkotte

Ja, es gibt sogar ein sehr schönes Gebet für Europa. Außerdem schätze ich die Schutzpatrone Europas: den heiligen Benedikt von Nursia, die heiligen Kyrill und Method, die heilige Birgitta, die heilige Katharina von Siena und die heilige Edith Stein. Das sind für mich wirklich sehr wichtige Heilige. Ich bete das Gebet sehr gerne und habe es auch schon öfter eingesetzt.

Redaktion

Vielen Dank für das Gespräch.

Gebet für Europa

von Carlo Maria Kardinal Martini (1927–2012)

Vater der Menschheit,
Herr der Geschichte!

Sieh auf diesen Kontinent,
dem du die Philosophen, die Gesetzgeber und die Weisen gesandt hast,
Vorläufer des Glaubens an deinen Sohn, der gestorben und wieder auferstanden ist.

Sieh auf diese Völker, denen das Evangelium verkündet wurde,
durch Petrus und durch Paulus,
durch die Propheten,
durch die Mönche und die Heiligen.
Sieh auf diese Regionen,
getränkt mit dem Blut der Märtyrer,
berührt durch die Stimme der Reformatoren.
Sieh auf diese Völker, durch vielerlei Bande miteinander verbunden,
und getrennt durch den Hass und den Krieg.

Gib, dass wir uns einsetzen
für ein Europa des Geistes,
das nicht nur auf wirtschaftlichen Verträgen gegründet ist,
sondern auch auf menschlichen und ewigen Werten:
Ein Europa, fähig zur Versöhnung,
zwischen Völkern und Kirchen,
bereit um den Fremden aufzunehmen,
respektvoll gegenüber jedweder Würde.

Gib, dass wir voll Vertrauen unsere Aufgabe annehmen,
jenes Bündnis zwischen den Völkern zu unterstützen und zu fördern,
durch das allen Kontinenten zuteil werden soll
die Gerechtigkeit und das Brot,
die Freiheit und der Friede.

AMEN.

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi
Redaktionsleiter in der Abteilung Kommunikation

Dirk Lankowski

Weitere Einträge

Libori-Büste, Federzeichnung (laviert und koloriert) von Johann Theodor von Imbsen, 1735

Unser Glaube Liborius, der Jubilar!

Eine Federzeichnung aus den Beständen des Erzbistumsarchivs aus dem Jahr 1735 lässt erahnen, was bei hundertjährigen Libori-Jubiläen passiert
© Tobias Schulte / Erzbistum Paderborn

Unser Glaube Eine Kirche zum Kopf-in-den-Nacken-Legen

Erzbistumskalender 2024: St. Bernhard in Welver ist westfälischer Barock in Reinform und höchster Harmonie
© Erzbistum Paderborn

Unser Glaube Grund Nr. 205: BEI GOTT SIND WIR ALLE GAST

Initiative 1000 gute Gründe: 12 gute Gründe für das Jahr 2024 – Juli
Kontakt
| |
generalvikariat@erzbistum-paderborn.de
+49 (0)5251 125-0
Barrierefreiheit