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Erzbistum Paderborn
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© Thomas Throenle / Erzbistum Paderborn

Differenziertes Urteil möglich

Forschungsprojekt „Lorenz Kardinal Jaeger“ abgeschlossen - Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn dokumentiert Forschungsprojekt in fünf Büchern

Die Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn hat ihr umfassendes Forschungsprojekt „Lorenz Kardinal Jaeger“ am Donnerstag, 11. April 2024, mit einer Tagung in Paderborn abgeschlossen: Sechs Jahre zuvor nahmen 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Auftaktveranstaltung teil. Über fünf Jahre verteilt folgten fünf Fachtagungen in der Katholischen Akademie Schwerte, deren Inhalte fünf Buchveröffentlichungen dokumentieren. Paderborns neuer Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz dankte den beteiligten Fachleuten für die geleistete Arbeit und betonte, die Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistums Paderborn sei für ihn „ein sehr wichtiges Gremium“. Als Vorsitzende der Kommission freute sich Professorin Dr. Nicole Priesching insbesondere über die Tagungsbände, die ein differenziertes Urteil über Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger ermöglichen.

„Über den Erfolg unserer Arbeit sind wir nicht nur erfreut, sondern er macht uns auch ein wenig stolz“, betonte Professorin Dr. Nicole Priesching in ihrer Begrüßung zur Abschlusstagung zum Forschungsprojekt „Lorenz Kardinal Jaeger“. Die Vorsitzende der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn bedankte sich bei den Referierenden sowie den Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge der Tagungsbände. „Das fünfbändige Werk hat sich zu weit mehr entwickelt als zu einer umfangreichen Biografie eines Erzbischofs, dessen Amtszeit (1941-1973) eine gesellschaftlich, politisch und kirchlich spannende Zeit war“, erklärte die Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchen- und Religionsgeschichte an der Universität Paderborn. Die Tagungsbände seien über die Person von Kardinal Jaeger hinaus ein Beitrag zur Geschichtsschreibung des Erzbistums Paderborn über die ersten drei Viertel des 20. Jahrhunderts.

Forschungsprojekt führt zu Einsicht, Kritik und Skepsis

Insgesamt 37 Autorinnen und Autoren seien in den fünf Bänden versammelt, mehrere Autoren gleich mit mehreren Beiträgen, informierte Professorin Dr. Nicole Priesching. Insgesamt umfassen die Tagungsbände 59 Beiträge. Im Hinblick auf das Forschungsprojekt und sein Ergebnis formulierte die Vorsitzende der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn: „Lorenz Kardinal Jaeger war keine Lichtgestalt, auch wenn wir den Scheinwerfer mit unserem Projekt immer wieder auf ihn gerichtet haben.“ Die Theologin konkretisierte: „Für unser Projekt diente Jaeger in erster Linie als Sonde für größere kirchengeschichtliche Entwicklungen und Zusammenhänge. Damit fiel das Licht nicht nur auf ihn, sondern auf viele Menschen im Erzbistum Paderborn, ohne die sein Wirken nicht möglich gewesen wäre, sowie auf Strukturen. Aus unseren Fragen entstanden viel ‚Einsicht, Kritik und Skepsis‘.“

Sexueller Missbrauch in der Kirche

Die MHG-Studie mit dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ aus dem Jahr 2018 habe zur Erkenntnis geführt, dass im „Jaeger-Nachlass“ das Thema Missbrauch überhaupt nicht vorkomme, erinnerte Professorin Dr. Priesching. Die Sichtung von Sonderakten im Erzbistumsarchiv habe dann zum Ergebnis gehabt, dass ein eigenes Projekt für die historische Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Erzbistum Paderborn initiiert wurde, das an der Universität Paderborn angesiedelt ist: Die Studie „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941 bis 2002)“ soll im Jahr 2025 erscheinen. Bei der Fachtagung zum Thema „Jaeger als Seelsorger“ im August 2021 sei mit dem Beitrag von Christine Hartig „Jaegers Umgangsweisen mit Missbrauchstätern: Seelsorge, Tätersorge oder Institutionenschutz“ verhindert worden, „was bisherigen Historikerinnen und Historikern bei Bischofsdarstellungen angesichts der Aktenaufbewahrung zum Thema Missbrauch stets passierte beziehungsweise geradezu passieren musste: Es kam nicht vor“, unterstrich Professorin Dr. Nicole Priesching.

Viele Bischofsbiografien seien heute im Grunde einzustampfen, da das Thema Missbrauch mit keiner Silbe erwähnt werde und „die Betroffenen des Missbrauchs bisher keinen Platz in der Diözesangeschichte beziehungsweise in der Kirchengeschichte“ hatten, betonte die Vorsitzende der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn. „Das wollen wir ändern und wir haben im Rahmen unseres Jaeger-Projektes bereits angefangen, das zu ändern. Langfristig wird es für Historikerinnen und Historiker darauf ankommen, keine Parallelgeschichten zu schreiben, sondern dieses Thema als Thema der Zeitgeschichte sowohl der Gesellschaft als auch der Kirche(n) zu etablieren. Der ungleiche Umgang mit Beschuldigten und mit Betroffenen gehört zu unserer Geschichte. Er gehört heute auch zum Bild von Lorenz Jaeger, der hier keineswegs ungewöhnlich gehandelt hat, weder im Vergleich zu anderen Bischöfen noch im Vergleich zu anderen Konflikten oder Problemfeldern in seinem Erzbistum.“

Erzbischof Dr. Bentz:
Kardinal Jaeger war Person seiner Zeit

Durch das „Jaeger-Projekt“ seien viele bislang völlig unbekannte oder auch unbedachte Züge an Lorenz Jaeger deutlich geworden, erklärte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz in seinem Grußwort. Das Projekt werde dazu beitragen, dem Wirken von Kardinal Jaeger gerechter zu werden, Pauschalverurteilungen zurückzuweisen, ebenso wie unangemessene Glorifizierungen und einseitige Parteinahmen, zeigte sich der neue Paderborner Erzbischof überzeugt. „Lorenz Jaeger war ein Kirchenmann, Theologe und Kirchenpolitiker seiner Zeit, mit allem Licht und Schatten.“

Es komme darauf an, verborgenes Wissen aus der Vergangenheit in das Bewusstsein der Gegenwart zu heben, führte Erzbischof Dr. Bentz weiter aus. „Bereits gehobenes historisches Wissen will ergänzt und mit neuen Erkenntnissen und Perspektiven der Gegenwart immer neu bewertet werden.“ Trotz der umfangreichen historischen Studien gebe es auch bei Kardinal Jaeger noch viel „ungehobenes“ Wissen, „gerade auch im Blick auf dunkle, problematische Züge und Verhaltensweisen, die bis heute nachwirken und mit umso größerer Dringlichkeit und entsprechendem Mut ‚zu Tage gefördert‘, aber auch historisch eingeordnet werden müssen“, konkretisierte Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz.

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz dankte den Mitarbeitenden am Jaeger-Projekt, indem er seinen Generalvikar Dr. Michael Bredeck zitierte, der seit 2017 Mitglied der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn ist und selbst am Jaeger-Projekt mitwirkte: „Die Mitarbeit am Jaeger-Projekt hat mir persönlich viel gebracht, weil es mir verständlich gemacht hat, warum sich manche Dinge in unserem Erzbistum so und nicht anders entwickelt haben. Bis heute ist das so. Bis heute prägt uns auch das lange Wirken von Kardinal Jaeger weiter mit, ob wir es wollen oder nicht. Bis heute müssen wir uns dazu verhalten.“

Fünf Tagungen – Fünf Bücher

Die erarbeiteten Tagungsbände zum Projekt „Lorenz Kardinal Jaeger“ wurden von Mitgliedern der Kommission für Kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn vorgestellt. Dr. Gisela Fleckenstein stellte den Band „Jaeger als Theologe“ vor, Dr. Arnold Otto den Band „Jaeger als Ökumeniker“, „Jaeger als Kirchenpolitiker“ wurde von Professorin Dr. Nicole Priesching präsentiert, Dr. Georg Pahlke stellte den Band „Jaeger als Seelsorger“ und Dr. Markus Leniger schließlich den abschließenden Band „Jaeger als Person“ vor.

Podiumsgespräch

In einem Podiumsgespräch nahmen Professor Dr. Olaf Blaschke (Münster) und Professor Dr. Jörg Seiler (Erfurt) das Gesamtprojekt in den Blick und zogen Bilanz. Professorin Dr. Nicole Priesching moderierte das Gespräch, an dem sich die anwesenden Gäste lebhaft und fachkundig beteiligten. Es sei „außergewöhnlich und mutig“ gewesen, dass ein Erzbistumsarchiv den Nachlass eines Bischofs so großzügig öffne und zu Forschungszwecken zur Verfügung stelle, würdigte Professor Seiler das Kardinal-Jaeger-Projekt im Hinblick darauf, dass die Schutzfrist für den Nachlass eines Bischofs üblicherweise 60 Jahren beträgt und dieser in diesem Zeitraum nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Inhaber der Professur für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Erfurt kennzeichnete Kardinal Jaeger als einen struktur- und „systemgeprägten“ Bischof, es gebe eigentlich nichts „außergewöhnliches oder gar spektakuläres“ an seiner Biografie und seiner Amtsführung.

Professor Blaschke unterstrich, eine „gute Biografie“ sei keine Darstellung „von der Wiege bis zur Bahre“, vielmehr eine Sonde, die in die Zeit- und Kirchengeschichte hineinführe und einordne. Das Jaeger-Projekt ordnete der Professor für Neuere und Neueste Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Universität Münster in andere Forschungsprojekte zu Bischöfen und Kardinälen ein und erklärte, der Aufwand für einen „gewöhnlichen“ Bischof sei im Vergleich recht hoch gewesen, die entstandenen Tagungsbände seien eine Sammlung verschiedener Zugänge.

Forschungsprojekt

Den Hintergrund der Forschungen bildet eine systematische Auswertung des mehr als 70 Regalmeter umfassenden Nachlasses von Kardinal Jaeger: Nachdem der Nachlass von Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger im Erzbischöflichen Diözesanarchiv Paderborn verzeichnet wurde, hat die Kommission für Kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das die wissenschaftliche Auswertung des Nachlasses erarbeitet. Nach der Eröffnungstagung 2017 widmeten sich die folgenden Tagungen und Veröffentlichungen jeweils einem besonderen Schwerpunkt: „Jaeger als Theologe“ (2018), „Jaeger als Ökumeniker“ (2019), „Jaeger als Kirchenpolitiker“ (2020), „Jaeger als Seelsorger“ (2021), „Jaeger als Person“ (2022).

Ein Beitrag von:
Team Presse

Thomas Throenle

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