Mit einem von Alon Sander, dem jüdischen Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich- Jüdische Zusammenarbeit Siegerland, vorgetragenen “Kaddisch” endete die Gedenkveranstaltung zur Zerstörung der Siegener Synagoge am 10. November 1938, zu dem die Gesellschaft auf den “Platz der Synagoge” in die Siegener Oberstadt eingeladen hatte. Im Unterschied zu anderen Städten, wo die Synagogen in der Nacht vom 9. auf den 10. November brannten, brannte die Siegener Synagoge am helllichten Tag, nachdem das Progrom erst mit Verspätung in Siegen registriert worden war. „Historiker sprechen reichsweit von 1.300 bis 1.700 Todesopfern, wenn man auch die in den Konzentrationslagern und die in den Suizid getriebenen Juden mitzählt. 30.756 jüdische Männer wurden ab dem 10. November in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald verschleppt. Allein nach Dachau wurden ungefähr 11.000 Häftlinge deportiert. Die Kirchen schwiegen. … Nur vereinzelt kam es zu Protesten von Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche.” (Süddeutsche Zeitung, Nov. 2018).
Verbindung zwischen jüdischen und christlichen Menschen
Das von Alon Sander vorgetragene Gebet wird auch “Kaddisch der Trauernden” genannt. Die Erinnerung an die Verstorbenen wird damit aufrecht erhalten und die Betenden verpflichten sich, die Aufgaben der Toten zu übernehmen. Vor dem Beitrag von Alon Sander trugen Schülerinnen der katholischen Franziskus-Schule Olpe beeindruckende und berührende Berichte jüdischer Opfer in Poesieform vor. Die Ansprache zur Gedenkveranstaltung hielt in diesem Jahr Dechant Karl-Hans Köhle. Er erinnerte an die deutliche Verbesserung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden seit dem II. Vatikanischen Konzil. “Uns verbinden die 10 Gebote, die uns Gott gegeben hat, und die wir gemeinsam in die Welt tragen dürfen. Uns verbindet der erste Teil der Bibel, das Alte Testament, welches die Erschaffung der Welt und des Menschen durch Gott bezeugt. Uns verbindet die Liturgie, zumal Jesus, selbst Jude, für das Abendmahl / die Eucharistie den Rahmen eines jüdischen Passahmahles wählte”. Daher litten die Christen mit ihren “älteren Schwestern und Brüdern im Glauben”, wie er nach einem Zitat von Johannes Paul II. die jüdischen Gläubigen nannte. Dechant Köhle erinnerte an den seligen Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, um ein Beispiel für die vereinzelten Proteste gegen die Novemberprogrome gab. Von der Kanzel der Berliner Hedwigskathedrale erhob er am Abend des 9. November 1938 seine Stimme: „Ich bete für die Priester in den Konzentrationslagern, für die Juden, für die Nichtarier (…) Draußen brennt die Synagoge. Das ist auch ein Gotteshaus.“ Lichtenberg verstarb, nach zweijähriger Haft, auf dem Transport in das Konzentrationslager Dachau am 5. November 1943.
Aktives Museum Südwestfalen
Auch an den Siegener Pfarrer Wilhelm Ochse, der sich durch unerschrockenes Tun mit den Nazis anlegte und dafür ein paar Monate Haft verbüßte, erinnerte Köhle. “Möge uns die die schreckliche Erinnerung an die Ereignisse von 1938, bei denen viel zu viele geschwiegen haben, immer wieder vor Augen führen, dass wir Kinder des einen Vaters sind, der Liebe ist”, beendete er seine Ausführungen. “Möge unser gemeinsamer Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit dafür sorgen, dass es nie wieder zu solchen grausamen Geschehnissen kommt”.
Im Anschluss an die Gedenkstunde bestand die Möglichkeit, die neu gestalteten Räumlichkeiten des Aktiven Museums Südwestfalen zu besichtigen, welches ein bleibender Gedenkort für die Gräuel der NS-Zeit bleiben soll.
Neues Vorstandsmitglied für die Katholische Kirche in der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Siegerland ist Anne Ploch. Hier gibt es Informationen: www.cjz-siegen.de