Zivilgesellschaftliches Engagement und Ehrenamt rufen rundum positive Assoziationen hervor. Die Trägerinnen und Träger politischer Mandate überschlagen sich in ihren Ansprachen geradezu mit dem Lob aufs Ehrenamt. Da ist von gesellschaftlichem Zusammenhalt die Rede und vom Engagement, dem es unbedingten Respekt zu zollen gilt. Daran ist nichts verkehrt. Wenn die ehrenamtlich Engagierten schon kein Geld verdienen, dann wenigstens ein aufrichtiges Lob.
Dennoch ist diese Darstellung des bürgerschaftlichen Engagements einseitig. Die Kehrseite: Je besser die ehrenamtlichen Strukturen funktionieren, desto größer werden die Schlupflöcher, durch die sich der Staat seiner Verantwortung entziehen kann. Besonders virulent wird dies bei Tafeln und Warenkörben. Warum sollte der Staat mit sozialpolitischen Maßnahmen Armut bekämpfen, wenn die Zivilgesellschaft einspringt?
Diese Fragestellung lässt sich beliebig auf jeden andern Bereich des sozialen Engagements übertragen. Warum auf politischer Ebene etwas für mehr Bildungsgerechtigkeit tun, wenn sich Freiwillige in der Hausaufgabenhilfe um chancenbenachteiligte Kinder und Jugendliche kümmern? Warum die Gesundheitssysteme mit Ausgaben belasten, wenn caritative Institutionen mit ihrem Geld einspringen? Warum staatliche Integrationshilfe für Geflüchtete leisten, wenn die Ehrenamtlichen doch viel näher an den Menschen sind?
Die Antworten auf diese Fragen sind komplex. Aber bereits die Fragestellung zeigt: Zivilgesellschaftliches Engagement und Politik lassen sich nicht auseinanderhalten, das Ehrenamt hat stets eine politische Dimension.