Ein Evangeliar des späten 9. Jahrhunderts aus dem Besitz des Prager Domkapitels, das erstmals außerhalb Tschechiens gezeigt wird, sowie das in Corvey um 970 gefertigte sogenannte „Quedlinburger Evangeliar“, heute in New York. Weitere kostbare Handschriften kommen aus den Bibliotheken in Paris, Amiens, London und Helsinki, zudem sind feinste karolingische Elfenbeinschnitzereien aus Liverpool und Paris zu Gast in Paderborn. Der Schatz von San Marco in Venedig hat eine kostbare byzantinische Glasvase entsandt.
Vom Geheimnis der Bärin bis zum mittelalterlichen Buchraub
Aus der Vorhalle des Aachener Doms kommt die berühmte bronzene Bärin, die Ursa, zu der die Ausstellung ebenfalls neueste Forschungsergebnisse präsentiert. Das Musée de La Cour d’Or in Metz schickt die erhaltenen Teile des reichverzierten Sarkophags von Ludwig dem Frommen, des Gründervaters der Abtei Corvey, nach Paderborn. Die berühmte Stiftsbibliothek St. Gallen entleiht kostbare Fragmente eines Werkes des römischen Dichters Vergil, und aus der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz reist eine mittelalterliche Abschrift der Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus zurück in ihre ostwestfälische „Heimat“. Das Geschichtswerk berichtet über die Zeit vom Tod des Kaisers Augustus bis zum Tod Neros. Der Corveyer Tacitus ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts das einzig erhaltene Exemplar des Textes überhaupt. Die Medici ließen das Buch aus Corvey nach Florenz entführen, wo sein Text gedruckt und so wieder in zahlreichen Exemplaren verbreitet wurde. Hätte diese Abschrift in Corvey nicht überlebt, wüssten wir heute zum Beispiel nicht, dass die legendäre Varusschlacht im Jahr 9 nach Christus im Teutoburger Wald stattgefunden hat.
Corvey – Zeichen kaiserlicher Macht am Weserbogen
Und schließlich trägt Corvey selbst mit einem wichtigen Exponat zur Ausstellung bei: der fast 1.200 Jahre alten, originalen Inschriftentafel vom Westwerk der mittelalterlichen Abteikirche. In imposanter antiker Schriftart – der „Capitalis quadrata“, ganz nach römischem Vorbild – war dort weithin sichtbar, goldglänzend zu lesen: „Umhege, oh Herr, diese Stadt und lass Deine Engel die Wächter ihrer Mauern sein“. Es war sowohl eine Bitte um göttlichen Schutz als auch eine anschauliche Machtdemonstration der Karolinger, die hier ihren Anspruch auf antikes Erbe und die Nachfolge der römischen Kaiser zur Schau stellten.
Rätsel gibt weiterhin eine Wandmalerei auf, die um 880/885 in Corvey entstand: Zu sehen ist der Kampf des antiken Helden Odysseus gegen das Meeresungeheuer Skylla. Es ist die älteste erhaltene Darstellung einer Szene des antiken griechischen Epos aus dem Mittelalter. Doch wie kam Odysseus an die Weser? In der Ausstellung wird die Wandmalerei multimedial und mit Begleittexten thematisiert. Der Kalligraph Brody Neuenschwander folgt zudem mit seinen Rauminterventionen den Odysseus-Erzählungen vom antiken Griechenland über die römische Kaiserzeit bis ins Mittelalter und auch in die arabische Welt.