„Ich merke, dass gewisse Dinge mein Leben nicht bestimmen. Indem ich darauf verzichte, gibt mir das viel Kraft. Durchzuhalten, macht mich immer wieder stolz.“
Schwester Clara Schmiegel SCC, Referat Geistliche Begleitung
Mit Aschermittwoch beginnt die vierzigtägige Fastenzeit als Vorbereitung auf das Osterfest. Trotz der Corona-Pandemie, die uns ohnehin schon zu großem Verzicht zwingt, ist das selbstbestimmte Fasten in diesem Jahr nicht bedeutungslos. Für Schwester Clara Schmiegel aus der Abteilung Glauben im Dialog des Erzbischöflichen Generalvikariats und Fastenkurs-Teilnehmerin Michaela Pape ist die Fastenzeit eine besondere Kraftquelle.
Die Fastenzeit sei oft ein Wechselbad der Gefühle, sagt Michaela Pape. Dem Duft aus einer Bäckerei zu widerstehen. Nicht aufzugeben, wenn es auch mal schwere Tage gibt. Aber auch ein gewisser Stolz, wenn man stark geblieben ist und danach selbst ein Apfel eine Geschmacksexplosion im Mund auslöst. Seit über 15 Jahren macht Michaela Pape aus Paderborn während der Fastenzeit ein strenges Heilfasten nach Dr. Buchinger. Feste Nahrung ist tabu. Nur Brühe, Tee, Säfte und Wasser stehen auf dem „Speiseplan“. Und das eine Woche lang. „Das hilft mir, nicht nur körperlich auf eine Art Reset-Knopf zu drücken, sondern auch geistig.“
„Ich merke, dass gewisse Dinge mein Leben nicht bestimmen. Indem ich darauf verzichte, gibt mir das viel Kraft. Durchzuhalten, macht mich immer wieder stolz.“
Schwester Clara Schmiegel SCC, Referat Geistliche Begleitung
Das Heilfasten ist für sie Teil des Fastenkurses, an dem sie jährlich im Haus Maria Immaculata, einem Bildungs- und Exerzitienhaus in Paderborn, teilnimmt. Wie und was jeder Teilnehmende fastet, ist jeder und jedem selbst überlassen, sagt Schwester Clara Schmiegel, die zusammen mit Schwester Ines Schmiegel die Kurse leitet. Viele, auch sie selbst, würden aber das klassische Heilfasten machen. An jedem Abend kommen die Teilnehmenden dann zu verschiedenen Impulsen, Wahrnehmungsübungen und Austauschrunden zusammen.
„Mich selbst macht der Verzicht immer ein Stück freier“, sagt Schwester Clara Schmiegel. „Ich merke, dass gewisse Dinge mein Leben nicht bestimmen. Indem ich darauf verzichte, gibt mir das viel Kraft. Durchzuhalten, macht mich immer wieder stolz.“ Auch körperlich zeigt sich die positive Wirkung, meint sie. Bei jedem Heilfasten würden sich ihre muskulösen Verspannungen im Schulterbereich lösen und die Haut verbessern. Auch wenn das nicht ärztlich bewiesen sei: „Das Heilfasten wirkt wie eine Selbstreinigung und setzt zumindest bei mir innerliche Kräfte frei“, ist sich Schwester Clara sicher.
Zudem lasse das Fasten sie im Gebet “wacher” sein, erklärt sie: “Und es lässt mich auch immer wieder nach meinem Halt, meinen Kraftquellen fragen. Es ist immer auch eine Standortbestimmung und die Frage, was nährt mein Leben? Für mich ist die Antwort ganz wesentlich die Beziehung zu Gott, die auch immer wieder neu mit Leben, mit meinem Alltagsleben, in Verbindung gebracht werden muss soll und darf.”
Michaela Pape gibt das Fasten vor allem ein „Gefühl von Freisein“, sagt sie. Ihr Achtsamkeit erhöhe sich, sie sei sensibler. „Ich bekomme das Gefühl, dass ich auf mich selbst vertrauen kann, Willensstärke und Selbstgewissheit habe und Kraft, um alles durchzustehen, was kommt.“ Und der Verzicht macht Platz für Anderes. Immer wieder merkt die Paderborner Erzieherin dann, wie viel Zeit man normalerweise mit Lebensmitteln verbringe: beim Einkaufen, bei der Auswahl, was man kochen soll und beim Kochen selbst. Diese Zeit nutzt Michaela Pape während des Fastens unter anderem für Spaziergänge. Dort tankt sie Energie. Davon hat auch Schwester Clara Schmiegel nach eigener Beurteilung während der Fastenzeit viel mehr als sonst. Wie und warum, das könne sie nicht erklären: „Aber ich schaffe viel mehr als normalerweise“, sagt sie mit einem Lachen. Aufräumen, zum Beispiel. Wobei das nicht immer nur das äußere Aufräumen ist, sondern viel mehr auch innerlich. Aufzuräumen, was einem vielleicht schon jahrelang auf der Seele liegt.
In diesem Jahr steht die Fastenzeit aber nochmal unter einem anderen Stern: Denn seit letztem Jahr stecken die Menschen fast nahezu in einem dauerhaften Verzicht durch die Corona-Pandemie. Keine Reisen, Feiern oder großen Familienfeste: Die Krise hat uns vor Augen geführt, wie schwer es sein kann, zu verzichten.
Warum ist die Fastenzeit eine so große Kraftquelle?
Wieso ist es gut, auch während der Corona-Pandemie freiwillig auf bestimmte Dinge zu verzichten?
Und was kann helfen, um das Fasten durchzustehen?
Die Antworten gibt Schwester Clara Schmiegel im Video.
Macht es da überhaupt noch Sinn, während des uns auferlegten Verzichts auf weitere Dinge freiwillig zu verzichten? Ja, sagt Schwester Clara Schmiegel. Denn es sei eben grundsätzlich ein Unterschied, ob mir etwas von außen aufgetragen wird oder ob ich mich selbst entscheide, was und wofür ich verzichten will. „Das gibt noch einmal eine andere Energie. Und vielleicht hilft es am Ende auch, um mit dem von außen auferlegten Verzicht besser umzugehen.“ Denn eine freiwillige Entscheidung könne helfen, sich auf Situationen einzustellen und Kräfte zu entwickeln, wenn es einmal nicht so gut läuft im Leben. „Und das kommt bei jedem Menschen vor“, sagt Schwester Clara Schmiegel. „Wie viele Menschen scheitern an Krisen oder Brüchen in ihrem Leben? Freiwilliger Verzicht gibt uns eine gewisse Widerstandskraft und stärkt uns, um in schwierigen Zeiten zufriedener zu sein.“
Was helfen kann: Den Blick nicht so sehr auf den Verzicht zu lenken, sondern darauf, wie ich die Welt dadurch vielleicht ein Stückchen besser mache und wofür mich die Zeit vielleicht auch freier macht. „Fasten kann anfangs Kraft kosten, keine Frage“, sind sich Michaela Pape und Schwester Clara Schmiegel einig. Wer aber durchhält, hat die Chance auf eine Veränderung zum Positiven. Dann wird das Fasten zum wahren Kraftschub.
Teaser- und Headerbild: Azer Merz / Shutterstock.com