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Erzbistum Paderborn
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Blaulichtmesse an Libori 2023© ArtOlympic / Shutterstock.com

Freunde und Helfer mit christlicher Ethik

Vom 9. bis 12. Mai 2022 findet in Paderborn die Bundestagung Polizeiseelsorge statt. Auf dem Programm steht auch das Thema extremistischer Tendenzen innerhalb der Polizei

„Stellen Sie sich vor, Sie sind Teil einer polizeilichen Ermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie. Ihre Aufgabe besteht darin, Beweise zu sichern und die Täter zu identifizieren. Tagtäglich stoßen Sie im Darknet und in Chats auf schrecklichste Verbrechen. Sie sehen verletzte und erniedrigte Opfer und Sie schauen zu, wie sich Täter mit ihren Schandtaten brüsten. Natürlich sind Sie für Ihre Arbeit gut ausgebildet, müssen Sie Ihre psychische Stabilität regelmäßig unter Beweis stellen. Und trotzdem: Was würde das mit Ihnen anstellen? Wie könnten Sie schlafen? Was von dem Erlebten tragen Sie in Ihre Familie? Wie können Sie ein glückliches Familienleben führen?“

Die Fragestellungen, mit denen Monsignore Wolfgang Bender, Polizeidekan im Erzbistum Paderborn, die Notwendigkeit der Polizeiseelsorge erklärt, sind drastisch. Ausgedacht ist das Beispiel nicht. Im Netzwerk Psycho-soziale Unterstützung (PSU) sind Seelsorgerinnen und Seelsorger in sogenannten KiPo-Supervisionsgruppen aktiv. KiPo steht für Kinderpornografie.

Kinderpornografie ist ein besonders beklemmendes Ermittlungsfeld, aber nur eines unter vielen. Doch auch abseits von dieser Extremform der Kriminalität oder von Sondersituationen mit Schusswaffeneinsatz ist der normale Polizeialltag voller Belastungssituationen: Polizeibeamte erleben häufig, wie Menschen bei Unfällen verletzt, verstümmelt und getötet werden. Dann lautet die schwere Aufgabe, die Nachricht den Angehörigen zu überbringen. Durch direktes Erleben oder durch Erzählen werden Polizistinnen und Polizisten, aber auch Verwaltungskräfte in den Polizeirevieren regelmäßig zu Zeugen von Gewalt und Selbstverletzung, von Alkohol- und Drogenabhängigkeit, von Diebstahl und Betrug, vom Scheitern von Hoffnungen und Plänen. Das zeigt Wirkung. Wenn sich hinter jeder Tür, auch der an einer bürgerlichen Fassade, ein moralischer Abgrund auftun kann, ist es nicht einfach, in allen Situationen Freund und Helfer zu sein. Auch Polizistinnen und Polizisten brauchen starke Freunde und Helfer. Der stärkste von allen: Gott.

Die „Blaulichtpastoral“

Im Erzbistum Paderborn sind Polizeiseelsorge, Feuerwehr- und Notfallseelsorge organisatorisch zur „Blaulichtpastoral“ zusammengefasst. Der Grund dafür ist ein vergleichbares Aufgabengebiet. Geleitet werden diese Bereiche in Personalunion von Monsignore Wolfgang Bender. In der Polizeiseelsorge wird Bender als Hauptamtlicher von sieben nebenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern unterstützt, die überwiegend in der Gemeindepastoral tätig sind. In den meisten anderen Bistümern und Erzbistümern in Deutschland sind Polizeiseelsorge, Feuerwehrseelsorge und Notfallseelsorge organisatorisch getrennt.

Mit seinem Team ist Bender in der Aus- und Fortbildung von Polizistinnen und Polizisten aktiv und Teil des Netzwerks Psycho-soziale Unterstützung mit Kipo-Supervisionsgruppen und Suizid-Präventionsgruppen. Darüber hinaus begleiten Polizeiseelsorger Polizistinnen und Polizisten im Wach- und Wechseldienst oder bei Großeinsätzen wie G7- und G20-Gipfeln, Demonstrationen oder Sportveranstaltungen. Besonders wertvoll, aber auch besonders belastend ist die seelsorgerische Tätigkeit bei sogenannten Großschadenlagen. Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorger aus dem Erzbistum Paderborn waren beim Loveparade-Unglück von 2011 in Duisburg und bei der Flutkatastrophe des Jahres 2021 im Einsatz.

Oberster „Blaulichtseelsorger“ Deutschlands ist Weihbischof Wolfgang Bischof aus dem Erzbistum München und Freising. Seit 2010 ist er Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Katholische Seelsorge in der Länderpolizei, 2016 hat er diese Aufgabe auch für die Belange der Bundespolizei übernommen. Die Polizeiseelsorge ist auch in die Ausbildung an Polizeifach- und ‑hochschulen mit dem Fach Ethik eingebunden.

Demokratische Tradition

Um die besonderen Belange von Polizeibediensteten kümmert sich die Polizeiseelsorge. Diese Form der Kategorialseelsorge hat in Deutschland eine lange Tradition – und zwar eine durchweg demokratische: Die ersten Formen moderner Polizeiseelsorge bildeten sich nach dem Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik heraus. Die Polizei repräsentierte nicht länger den Obrigkeitsstaat, sondern verkörperte nun Rechtsstaatlichkeit. Die Polizeiseelsorge hatte damit eine Doppelfunktion: einerseits als Stütze im Polizeialltag, andererseits als ethischer Kompass.

Dies ist bis heute so geblieben, immer noch sind Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorger in die politische Aus- und Weiterbildung von Polizistinnen und Polizisten eingebunden. „Ziel ist es seit jeher, über die Vermittlung eines christlichen Menschenbilds die Widerstandsfähigkeit gegenüber demokratiefeindlichen Gesinnungen zu stärken“, betont Polizeidekan Bender. „Diese Steigerung der demokratischen Resilienz ist aktuell ein diskursbestimmendes Thema innerhalb der Polizei.“

Hilfe in dienstlichen wie in privaten Belangen

Ebenso wie sich die Polizeiarbeit und das Selbstverständnis von Polizistinnen und Polizisten im Lauf der Zeit gewandelt hat, hat sich auch die Polizeiseelsorge verändert. Der Klischeepolizist, der als schweigsamer Held seine seelischen Konflikte mit sich selbst ausmacht, gehört weitestgehend der Vergangenheit an. Die Polizei ist moderner, weiblicher, offener und herkunftsdiverser geworden. Psycho-soziale Angebote für Bedienstete der Polizeien sind da und werden angenommen.

Die Polizeiseelsorge hat diese Veränderung aufgegriffen und zum Teil auch mitgestaltet. Entsprechend breit ist sind die Angebote und Aktivitäten. Dazu zählen Seminare in Dienstethik während der Aus- und Weiterbildung. Hinzu kommt die individuelle Betreuung und Begleitung, etwa durch seelsorgerliche Gespräche. Darüber hinaus ist die Polizeiseelsorge einsatzbegleitend unterwegs. Aber auch im privaten Umfeld, etwa bei der gemeinsamen Feier von Taufen, Trauungen und Beerdigungen, wünschen sich viele Bedienstete der Polizei die Mitwirkung von Polizeiseelsorgerinnen oder -seelsorgern.

Angebote für das gesamte Umfeld

Die Mehrzahl der Aktivitäten der Polizeiseelsorge richtet sich ausdrücklich nicht nur an aktive Polizeibeamtinnen und -beamte, sondern auch an Ruheständler, an Verwaltungsangestellte in der Polizei und vor allem an Familienangehörige oder Lebenspartnerinnen und -partner. Dekan Wolfgang Bender: „Die Belastungen betreffen das gesamte Umfeld, daher brauchen wir auch Angebote für alle.“

Diese Offenheit gilt auch für spirituelle Angeboten wie Polizeiwallfahrten, die sich großer Nachfrage erfreuen. Bei der Nationalen Polizeiwallfahrt im April 2022 brachen rund 200 Teilnehmende gemeinsam nach Rom auf. Dabei konnten die Pilgerinnen und Pilger bei persönlichen Gesprächen und bei Messen im Petersdom Kraft tanken. Höhepunkt war die Begegnung mit Papst Franziskus. Während der Audienz sprach der Papst sogar mit einigen der Pilgerinnen und Pilgern aus den Reihen der deutschen Polizei und dankte ihnen für ihren Dienst an Gesellschaft und Demokratie.

Ein christliches Menschenbild schützt vor politischem Extremismus

Drei Fragen an Monsignore Wolfgang Bender, Polizeidekan im Erzbistum Paderborn

Redaktion

Die Polizeiseelsorge ist vielfältig, reicht vom Dienstunterricht bis zur Wallfahrt. Wo setzen Sie die Schwerpunkte?

Wolfgang Bender

Unser Ziel ist es, die Menschen im Dienst der Polizei und ihr Umfeld zu erreichen und diesen Menschen eine Stütze zu sein. Das ist wichtig, weil auch die Angehörige einen Teil der Belastung abbekommen. Wir setzen absichtlich keine Schwerpunkte, sondern schaffen vielfältige und niedrigschwellige Angebote. Wenn jemand unsere Unterstützung braucht, sind wir erreichbar.

Redaktion

Wie werden Sie und Ihr Team der Polizeiseelsorge von den Beamtinnen und Beamten der Polizei wahrgenommen?

Bender

Wir Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen an der Seite der Polizei, für die Polizistinnen und Polizisten sind wir ein Teil der Truppe. Natürlich kennen wir den Jargon, aber auch die Problemsituationen der Beamtinnen und Beamten. Ich selbst bin seit 22 Jahren als Polizeiseelsorger tätig.

 

 

Es ist aktuell viel von Polizeigewalt, von einem Polizeiproblem und einer Problempolizei die Rede. Manchen gilt die Polizei auf dem rechten Auge blind. Die Bundestagung Polizeiseelsorge hat daher in diesem Jahr auch das brisante Thema extremistischer Strömungen innerhalb der Polizei auf die Tagesordnung gesetzt.

 

 

Redaktion

Wie beobachten Sie aus Ihrer Perspektive die Entwicklung und welchen Beitrag kann die Polizeiseelsorge leisten?

Bender

Die Polizei hat das Problem erkannt. Es geht darum, dass sie nun noch mehr demokratische Resilienz entwickelt, dass die Beamtinnen und Beamten eben nicht in Drucksituationen extremistische Positionen beziehen und darüber Dampf ablassen. Die Polizeiseelsorge kann über die Vermittlung einer Fachethik in der Aus- und Fortbildung und über die Begleitung der Polizeibeamtinnen und -beamten in ihrem Alltag einen wichtigen Beitrag leisten. Zudem bietet ein christliches Menschenbild guten Schutz vor politischem Extremismus. Extremistische Ideologien sind intolerant und menschenfeindlich. Das Christentum steht für Toleranz und Nächstenliebe.

Weitere Informationen zur Polizeiseelsorge finden Sie unter: https://nordrhein-westfalen.polizeiseelsorge.org

Ein Beitrag von Hans Pöllmann.

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