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© Hans Jürgen Landes / Erzbistum Paderborn

„Heiliger Vater, retten Sie uns“

Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. hc. Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler stellen beim Gründungsfest der Katholischen Akademie Schwerte ihre Forschungen in den Vatikan-Archiven vor

Rund 15.000 jüdische Menschen aus ganz Europa baten während der NS-Zeit die katholische Kirche und ihr damaliges Oberhaupt Papst Pius XII. um Hilfe. Bis 2020 lagen diese Briefe im Archiv des Vatikans unter Verschluss. Im Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ erfassen nun der Münsteraner Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. hc. Hubert Wolf und sein Team an der Universität Münster diese Bittschreiben aus den vatikanischen Archiven und bereiten sie in einer digitalen Edition auf. Am Samstag hielten Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler zu diesem Thema den Festvortrag beim Gründungsfest der Katholischen Akademie Schwerte.

© Foto: Michael Bodin / Erzbistum Paderborn
Gründungsfest der Katholischen Akademie Schwerte mit einem Festvortrag von Prof. Dr. Dr. hc. Hubert Wolf (v.l.): Akademiedirektor Prälat Dr. Peter Klasvogt, Dr. Barbara Schüler, Prof. Dr. Dr. hc. Hubert Wolf sowie die Musiker Bernd Rosenberg (Akkordeon) und Jürgen Steinfeld (Klarinette). Foto: Michael Bodin / Erzbistum Paderborn

Flehentliche Bitten

„Heiliger Vater, retten Sie uns.“ Mit diesem Zitat aus einem der Briefe war der Festvortrag überschrieben. Die Briefe seien nur Ausschnitte aus dem Leben der verfolgten Menschen, aber aus ihnen lasse sich vieles herauslesen über ihre Situation, das Handeln der Kirche und von Papst Pius XII. Leider würden die letzten Holocaust-Überlebenden nicht mehr lange in der Lage sein, selbst über diese Zeit zu sprechen, erklärte Professor Hubert Wolf. „Wir möchten ihnen mit diesen Forschungen auch ihr Gesicht, ihre Stimme und ihre eigene Geschichte wiedergeben“, erläuterte er.

Klezmer-Musik

Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler hatten ihren Vortrag in zwei Teile aufgeteilt, unterbrochen durch Klezmer-Musik von Bernd Rosenberg (Akkordeon) und Jürgen Steinfeld (Klarinette). Im ersten Teil ging es um Systematiken, Forschungsfragen sowie die Wege der Briefe und die Entscheidungsebenen. Die teils flehentlichen Bitten um finanzielle Unterstützung bei der Flucht, Hilfe bei Familienzusammenführungen oder Fürsprachen bei Behörden gingen über Pfarrer, Bischöfe, die diplomatischen Vertretungen des Papstes oder im Vatikan direkt ein. Sie stammten von Menschen, welche nach den Rassengesetzen des NS-Regimes als Juden verfolgt wurden, darunter auch Angehörige der katholischen Kirche. Viele der Verfolgten waren bereits auf der Flucht in den Niederlanden, Italien oder der Tschechoslowakei und wurden dort von der Verfolgung eingeholt.

Fallbeispiele dazu bildeten den zweiten Teil des Vortrages von Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler, die auch die weitere Entwicklung dieser Fälle recherchierten. Dabei wurde besonders eindrücklich die Not der Verfolgten deutlich. Ihre Bitten blieben teilweise in einer kirchlichen Bürokratie hängen, wurden zwischen verschiedenen Stellen hin- und hergeschickt oder waren abhängig von Vermerken untergeordneter Stellen. Längst nicht alle Bittschreiben erreichten den Papst. Wenn ein Mitarbeiter auf einem Schreiben „N.d.f.“ für „niente da fare“ (deutsch: Nichts zu machen) notierte war der Fall damit für die Kirche meistens abgeschlossen.

In anderen Beispielen führten fatale Missverständnisse und Übertragungsfehler in den Dokumenten dazu, dass Verfolge oft kurz vor einer möglichen Flucht noch verhaftet und später ermordet wurden.

Gegen das Vergessen

So war es in dem vorgestellten Fall von Meta Brinnitzer und ihrem Mann Franz. „Bemerken muss ich, dass ich Jude bin, also keine Berechtigung habe, bei Eurer Heiligkeit anzuklopfen“, bittet Franz Brinnitzer im Jahr 1942 Papst Pius XII. um Hilfe. Er und seine Frau waren vor den Nationalsozialisten von Berlin nach Rom geflüchtet, wollten weiter zu ihrem Sohn Heinz, der es bereits nach Haifa im damals britischen Mandatsgebiet Palästina geschafft hatte. Vom Vatikan gab es eine finanzielle Hilfe und auch Bemühungen bei den britischen Behörden für eine Ausreise nach Palästina, allerdings erfolglos. Zwischenzeitlich wurde der Vorname Meta an einer Stelle als Abkürzung für „methodistisch“ fehlinterpretiert. Es kam zu Nachfragen und Verzögerungen. Durch ihre weiteren Recherchen fanden die Forscher heraus, dass das Ehepaar dann 1944 in Florenz von der Gestapo verhaftet und vom Durchgangslager Fossoli aus am 20. Juni 1944 nach Auschwitz deportiert wurde. Zehn Tage später kamen Franz und Meta Brinnitzer, 64 und 60 Jahre alt, im Konzentrationslager an, wo sie für arbeitsunfähig erklärt und noch am gleichen Tag ermordet wurden.

Es sind diese Fälle, die Professor Hubert Wolf und sein Team für die Nachwelt dokumentieren und gegen das Vergessen und für die Bildungsarbeit gegen Antisemitismus zugänglich machen wollen. Zugleich geht es um Papst Pius XII. und weitere Persönlichkeiten, um ihr Wissen, ihre Hilfen, ihr Schweigen, ihre Haltungen und Schwächen.

Ein Beitrag von:
Redakteur Team Presse

Michael Bodin

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