Wer in der JVA die Frage nach Gerechtigkeit stellt, kommt schnell zu anderen Begriffen: Recht, Bestrafung, Vergebung, Wiedergutmachung. Und es zeigt sich: Gerechtigkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit. Es ist ein großes Wort, das verschiedene Facetten hat – auch hier. In Gesprächen mit den Inhaftierten komme das Thema vor allem auf, wenn es um die Höhe der Strafen geht: „Wieso wird das eine Verbrechen härter bestraft als das andere? Wieso bekommen andere eine geringere Haftstrafe als ich, obwohl wir das gleiche Verbrechen begangen haben?“ Die Frage nach Gerechtigkeit beginne im Gefängnis da, wo man sich miteinander vergleiche und Neid aufkomme, sagt Glinka.
„Wenn mir Unrecht widerfährt, stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“
„Wenn mir Unrecht widerfährt, stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“ So einfach sei das aber letztlich nicht: „Jede Strafe ist immer eine persönliche Biografie“ – oft komme es auf Begleitumstände an. Alle gleich zu behandeln, sei schwierig. Wenn Alexander Glinka erzählt, nutzt er immer wieder Vergleiche: manchmal aus der Bibel, öfter aus dem Alltag. Denn mit Gott und dem Glauben erreicht er hier eher weniger Menschen – zumindest nicht gleich zu Gesprächsbeginn. Für die Inhaftierten ist der 35-jährige Seelsorger dennoch wichtig, weil das Seelsorge-Büro anders ist als der Haftraum: Hier können sie Dampf ablassen, über Ängste und Sorgen reden, Gefühle zeigen. Glinka hört wertfrei zu, urteilt nicht – und unterliegt durch das Beichtgeheimnis der Schweigepflicht. „Ich bin Glinka, kein Zinker.“ Er lacht, meint es aber ernst. „Ich bin keiner, der andere verrät. Ich bin Seelsorger.“ Wo er helfen kann, hilft er. Gibt es in der JVA überhaupt ein Bedürfnis nach Gott und dem Glauben? Nicht immer, aber eben manchmal, sagt der Dortmunder Seelsorger. Wenn die Menschen merken, sie können Probleme nicht aus eigener Kraft lösen – dann werde oft die Frage nach Gott gestellt.