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Erzbistum Paderborn
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Gefängnisseelsorger in der JVA Dortmund© Till Kupitz / Erzbistum Paderborn

Helfen hinter Gittern

Gerechtigkeit und Gott hinter Gefängsnismauern: Ein Besuch in der JVA Dortmund

Sein Weg führt ins Gefängnis. Ausweis vorzeigen, Handy abgeben, durch dicke Stahl türen mit schweren eisernen Riegeln. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Dortmund ist seit vier Jahren der Arbeitsplatz von Alexander Glinka. Er ist katholischer Gefängnisseelsorger und damit Ansprechpartner für die rund 400 Inhaftierten und 180 Bediensteten – sein Büro befindet sich direkt in einem Gang der Hafträume: „Ich bin da, indem ich meine Zeit schenke und aufmerksam zuhöre. Wer reden will, kann das bei mir tun“, sagt Glinka.

Diesmal wird über das Thema Gerechtigkeit geredet – denn welcher Ort könnte enger damit verbunden sein? Hier sind die, die gegen Recht und Gerechtigkeit verstoßen haben. Ihre Haftstrafen – die Konsequenz ihres Handelns. „Jeder von uns hat persönliche Grenzen“, erzählt Glinka. „Im Gefängnis haben wir es mit Grenzüberschreitern zu tun. Sie haben die Grenzen anderer Menschen nicht respektiert und waren ungerecht.“

Wer in der JVA die Frage nach Gerechtigkeit stellt, kommt schnell zu anderen Begriffen: Recht, Bestrafung, Vergebung, Wiedergutmachung. Und es zeigt sich: Gerechtigkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit. Es ist ein großes Wort, das verschiedene Facetten hat – auch hier. In Gesprächen mit den Inhaftierten komme das Thema vor allem auf, wenn es um die Höhe der Strafen geht: „Wieso wird das eine Verbrechen härter bestraft als das andere? Wieso bekommen andere eine geringere Haftstrafe als ich, obwohl wir das gleiche Verbrechen begangen haben?“ Die Frage nach Gerechtigkeit beginne im Gefängnis da, wo man sich miteinander vergleiche und Neid aufkomme, sagt Glinka.

„Wenn mir Unrecht widerfährt, stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“

„Wenn mir Unrecht widerfährt, stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“ So einfach sei das aber letztlich nicht: „Jede Strafe ist immer eine persönliche Biografie“ – oft komme es auf Begleitumstände an. Alle gleich zu behandeln, sei schwierig. Wenn Alexander Glinka erzählt, nutzt er immer wieder Vergleiche: manchmal aus der Bibel, öfter aus dem Alltag. Denn mit Gott und dem Glauben erreicht er hier eher weniger Menschen – zumindest nicht gleich zu Gesprächsbeginn. Für die Inhaftierten ist der 35-jährige Seelsorger dennoch wichtig, weil das Seelsorge-Büro anders ist als der Haftraum: Hier können sie Dampf ablassen, über Ängste und Sorgen reden, Gefühle zeigen. Glinka hört wertfrei zu, urteilt nicht – und unterliegt durch das Beichtgeheimnis der Schweigepflicht. „Ich bin Glinka, kein Zinker.“ Er lacht, meint es aber ernst. „Ich bin keiner, der andere verrät. Ich bin Seelsorger.“ Wo er helfen kann, hilft er. Gibt es in der JVA überhaupt ein Bedürfnis nach Gott und dem Glauben? Nicht immer, aber eben manchmal, sagt der Dortmunder Seelsorger. Wenn die Menschen merken, sie können Probleme nicht aus eigener Kraft lösen – dann werde oft die Frage nach Gott gestellt.

Ein Werk der Barmherzigkeit

Helfen hinter Gefängnismauern? Das ist urchristlich und gilt als eines der Werke der Barmherzigkeit und deswegen ist die katholische Kirche in den Gefängnissen präsent. Im Erzbistum Paderborn begleiten 15 Männer und Frauen die Inhaftierten und Bediensteten im Rahmen der Gefängnisseelsorge. Sie helfen somit Menschen, die am äußersten Rand der Gesellschaft stehen, isoliert und weggeschlossen. Glinka: „Ich versuche dabei den Menschen zu sehen und nicht die Tat. Wir können diese Menschen, auch wenn sie Schlimmes getan haben, nicht nur auf eine einzige Tat reduzieren.“

© Till Kupitz / Erzbistum Paderborn
© Till Kupitz / Erzbistum Paderborn

Glinka selbst glaubt fest daran: Wer den Glauben annimmt und Gott in sein Leben lässt, der spürt inneren Frieden. Das sei aber nicht alles, sagt er. Er knüpft den Vergleich zur Tradition des Benediktinerordens: „Ora et labora, das heißt: Bete und arbeite. Nicht nur beten, beten, beten. Wir müssen auch selbst etwas dafür tun, um ein Teil einer möglichst gerechten Gesellschaft zu sein.“ Oder es nach einer Haftstrafe wieder zu werden.

Da, wo der Vergleich anfängt, beginnt die Ungerechtigkeit

Wo die Gerechtigkeit anfängt und wo sie aufhört, in einer Welt mit vielen Ungerechtigkeiten? Darauf gibt Alexander Glinka keine pauschale Antwort. Ein Gefängnis könne für Gerechtigkeit sorgen, der Täter erhalte schließlich hoffentlich eine „gerechte Strafe“. Ob das Opfer durch eine Haftstrafe ausgleichende Gerechtigkeit erfahre, sei eine andere Frage. Aber letztlich müsse jeder seinen eigenen Gerechtigkeitskompass nutzen und das tun, was die Welt gerechter macht. Aus seiner Erfahrung wisse er jedenfalls eines, sagt Glinka: „Da, wo der Vergleich anfängt, beginnt die Ungerechtigkeit.“

„Gerechtigkeit“ – das Magazin des Erzbistums Paderborn zu Weihnachten 2023

Wo fängt Gerechtigkeit an? Wo hört Gerechtigkeit auf? Fragen, die Herz und Kopf bewegen. Denn Gerechtigkeit ist zentral für das gesellschaftliche Zusammenleben. Deshalb haben wir diesem Thema ein Magazin gewidmet. Unsere Beiträge reichen von persönlichen Erzählungen über Interviews bis hin zu theologischen Betrachtungen. Wir hoffen, dass die Inhalte dieses Magazins Sie dazu ermutigen, das Thema Gerechtigkeit im Herzen zu tragen. Zu Weihnachten und im ganzen Jahr.

Ein Beitrag von:
© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
Videoredaktion

Till Kupitz

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