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„Ich bin Lobbyist für eine gute Sache“

Im dritten Teil der Reihe: Matthias Krieg, Geschäftsführer der Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn e. V.

Auch wenn viele Freiwillige einfach nur helfen wollen, hat zivilgesellschaftliches Engagement immer eine politische Dimension.

Im dritten Teil der kleinen Reihe “Ehrenamt als gesellschaftlicher Reparaturbetrieb?” haben wir ein Interview mit Matthias Krieg, Geschäftsführer der Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn e. V., geführt.

Matthias Krieg ist Geschäftsführer der Vinzenz-Konferenzen, die als Fachverband im Caritasverband für das Erzbistum Paderborn organisiert sind. Er und eine Sachbearbeiterin in Teilzeit sind die einzigen Hauptamtlichen des Verbands. In seiner Freizeit ist Matthias Krieg zudem ehrenamtlich als Vinzenzbruder aktiv.

Redaktion

Sind die Vinzenz-Konferenzen ein gesellschaftlicher Reparaturbetrieb?

Matthias Krieg

Die 1.600 Brillen, für die wir im Erzbistum Paderborn einen finanziellen Zuschuss gegeben haben, lassen keinen anderen Schluss zu. Aber wir wollen kein Reparaturbetrieb sein und schon gar nicht auf Dauer. Deshalb bezuschussen wir nicht nur die Anschaffung von Brillen, wir sind auch sozialpolitisch aktiv. Damit möchten wir verhindern, dass sich Strukturen verfestigen und die Jobcenter die Förderung von Brillen dauerhaft auf uns als caritative Einrichtung abwälzen.

Redaktion

Wo liegt das Problem bei der Brille?

Matthias Krieg

Seit ungefähr 15 Jahren leisten die gesetzlichen Krankenkassen nur noch in Ausnahmefällen Zuzahlungen bei der Anschaffung von Sehhilfen. Zuschüsse gibt es nur noch für Kinder und Jugendliche. Auch stark fehlsichtige Erwachsene können Zuzahlungen für die Gläser bekommen. Voraussetzung ist eine Sehbeeinträchtigung ab sechs Dioptrien oder von mehr als vier Dioptrien bei Hornhautverkrümmung. Für die meisten Menschen ist die Anschaffung einer neuen Brille kein finanzielles Problem. Die Brille wird mittlerweile häufig als Lifestyle-Accessoire und weniger als Medizinprodukt verstanden. Es gibt aber viele Menschen, die sich eine Brille vom Mund absparen müssen. Gerade für Menschen in Altersarmut ist ein Zuschuss existentiell. Man darf nicht vergessen: Für alte Menschen ist die Brille nicht nur Sehhilfe, sondern Teil der Sturzprophylaxe. Hier kann es gar nicht das billigste Brillenmodell sein.

 

 

 

“In einer idealen Welt bräuchte es unsere Brillenaktion nicht. Aber unsere Welt ist nicht ideal.

Sobald wir mit den Brillen durch sind, kommen die Zähne dran.”

 

 

 

Foto: Matthias Krieg

Redaktion

Was tun Sie in den Vinzenz-Konferenzen?

Matthias Krieg

Wir helfen mit Geld, das aus diversen Fonds, aus Kirchensteuermitteln und aus Eigenmitteln stammt. Weiterhin kooperieren wir mit Initiativen, die gebrauchte Brillen aufarbeiten. Zuletzt verstehen wir uns als Sprachrohr und als Fürsprecher der bedürftigen Menschen. Es kann nicht sein, dass so etwas Elementares wie gutes Sehen in unserem reichen Land eine Sache des privaten Geldbeutels ist. Deshalb drängen wir die Politik darauf, dass die Brillenzuzahlung für Bedürftige wieder in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wird. Ich möchte betonen: für Bedürftige, nicht für alle.

Redaktion

Sie sind also Lobbyist?

Matthias Krieg

Lobbyisten haben einen grottenschlechten Ruf. Aber ja, ich bin Lobbyist für eine gute Sache.

Redaktion

Wie reagiert die Politik auf Ihre Vorstöße?

Matthias Krieg

Die Politik hat rhetorisch dazugelernt. Unserem Anliegen wird viel Verständnis entgegengebracht, selten höre ich ein klares Nein. Nur passiert danach nichts. Wobei, das stimmt nicht ganz. Einige Parteien haben das Thema Sehhilfen in ihre Wahlprogramme zur Bundestagswahl aufgenommen. Ich schätze mal, dass das nicht allein auf unser Engagement zurückzuführen ist. Aber einen kleinen Anteil daran führe ich doch auf die Vinzenz-Konferenzen zurück.

Redaktion

Wenn Sie Erfolg haben, können Sie Ihre Brillenaktion einstellen. Sie wollen sich überflüssig machen?

Matthias Krieg

In einer idealen Welt bräuchte es unsere Brillenaktion nicht. Aber unsere Welt ist nicht ideal. Sobald wir mit den Brillen durch sind, kommen die Zähne dran.

Verglichen mit den Caritas-Konferenzen sind die Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn ein kleiner Verband, der sich auf das Engagement von 160 Ehrenamtlichen stützen kann. Die Vinzenz-Konferenzen leisten Besuchsdienste, sind in der Bildungsarbeit aktiv, unterstützen Geflüchtete – und haben sich mit der Aktion „Den Durchblick behalten“ ein Betätigungsfeld ausgesucht, das häufig übersehen wird: Menschen, die von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung leben, haben oft Probleme, eine Brille zu finanzieren. Die Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn zahlen Zuschüsse und haben es auf diese Weise 1.600 Menschen ermöglicht, mit der richtigen Brille wieder am Leben teilzunehmen.

Weitere Informationen unter www.vinzenz-konferenzen.de 

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