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Erzbistum Paderborn
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„Jeder Gruppenbesuch ist ein Mutmacher”

Themenspecial „Mutmacher": Interview mit Wolfgang Melka über seinen Wandel beim Kreuzbund

Themenspecial “Mutmacher”: Interview mit Wolfgang Melka über seinen Wandel beim Kreuzbund

Der Kreuzbund Diözesanverband Paderborn ist ein Fachverband des Caritasverbandes im Erzbistum Paderborn und arbeitet mit diesem in enger Kooperation. Diese Kooperation erstreckt sich ebenso auf die anderen Suchtselbsthilfeverbände sowie staatliche und kirchliche Institutionen der Suchthilfe im Erzbistum Paderborn und darüber hinaus in Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Melka aus Lünen gehört heute zu den Beratern des Kreuzbundes. Er war selbst betroffen.

Da sich die Begriffe Kreuzbund und Selbshilfegruppe im Interview mehrfach wiederholen, sind sie mit KB (Kreuzbund) und SHG (Selbsthilfegruppe) abgekürzt.

Redaktion:

Sehr geehrter Herr Melka, wie haben Sie erstmals Kontakt zum Kreuzbund gefunden und welche Funktion üben Sie heute für den Kreuzbund aus?

Wolfgang Melka:

Durch meine Frau im Februar 2004. Sie hatte sich an verschiedenen Stellen bezüglich meines Alkoholproblems erkundigt. Sie drohte mich zu verlassen, wenn ich nicht bereit wäre, etwas zu tun. Nach einem Beratungsgespräch beim Kreuzbund Lünen erklärte ich mich bereit, eine Entgiftung zu machen. Zwei KB-Mitglieder brachten mich ins Krankenhaus. Aus Unwissenheit hatte ich bereits mehrere Tage vorher angefangen, nichts mehr zu trinken. Durch den „kalten Entzug“ fiel ich im Krankenhaus ins Delir. Nach drei Tagen Intensivstation und insgesamt drei Wochen Aufenthalt konnte ich das Krankenhaus verlassen. Seitdem besuche ich jede Woche gemeinsam mit meiner Frau die KB-SHG Lünen 3.

„Mit Hilfe meiner Frau”

Nach relativ kurzer Zeit wurde ich stellv. Gruppenleiter und bin jetzt seit mehr als 10 Jahren als Gruppenleiter und stellv. ARGE-Sprecher tätig. Viele Jahre machten wir einmal in der Woche Krankenhausbetreuung, inzwischen findet diese Betreuung auf telefonische Anforderung statt. Das Beratungstelefon des KB Lünen läuft bei mir auf. Mit starker Unterstützung meiner Frau erstellten wir den Internetauftritt des Kreuzbundes Lünen. Ich vertrete den Kreuzbund in der AG Sucht des Kreises Unna. Vor zwei Jahren wurde ich Arbeitsbereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit im KB DV Paderborn. Dabei werde ich von meiner Frau unterstützt. Wir kümmern uns um die Internetseite des DV Paderborn und erstellen zweimal im Jahr die Informationszeitschrift „Wir über uns“. Seit diesem Jahr bietet der Kreuzbund Bundesverband einen anonymen Chat für Hilfesuchende und Kreuzbundmitglieder an. Dort bin ich einer der zwölf Moderatoren.

Redaktion:

Menschen mit Suchtproblemen können sich an den Kreuzbund wenden: Welche Möglichkeiten gibt es, Kontakt aufzunehmen?

Wolfgang Melka:

Wie schon oben geschrieben, gibt es den Internetauftritt des KB DV Paderborn und einiger ARGEN (Dortmund, Lünen). Auf diesen Seiten erfährt man, wo sich KB-Gruppen befinden, wann und wo sie sich treffen und wer der Ansprechpartner ist. Wir halten ständigen Kontakt zu den zuständigen Suchtberatungsstellen (z. B. Caritas). Die einzelnen Gruppen/ARGEN machen ortsbezogene Veranstaltungen und geben die Informationen an die Presse weiter. Bedingt durch Corona gestaltet sich im Moment die Gruppenarbeit recht schwierig. Alle Gruppen waren geschlossen und die meisten wollen versuchen, nach den Sommerferien unter den Corona-Auflagen wieder zu starten – vorausgesetzt die Räumlichkeiten werden freigegeben. In der Zeit, in der keine Treffen möglich waren, haben die Gruppen in unterschiedlicher Weise Kontakt gehalten. Ich habe mit meiner Gruppe z. B. zwei Telefonkonferenzen und anschließend neun Videokonferenzen an allen Gruppenabenden durchgeführt. Danach durften wir als einzige das Gemeindehaus „In der Geist“ mit der freundlichen Genehmigung von Pfarrer Dr. Roddey und in Absprache mit dem Ordnungsamt unter Corona-Bedingungen nutzen und unseren ersten realen Gruppenabend am 9. Juni durchführen.

„Die Abhängigkeit ist ein schleichender Prozess”

 

Wolfgang Melka

Redaktion:

Wann melden sich die Betroffenen beim Kreuzbund? Suchen sie selbst Hilfe oder macht z.B. das Familienumfeld eher Druck?

Wolfgang Melka:

Die Kontaktaufnahme ist unterschiedlich: In den Suchtkliniken und Krankenhäusern stellen sich die unterschiedlichen SHG vor. Dort wird den Patienten empfohlen, sich nach der Therapie einer SHG anzuschließen, da die Chancen, clean zu bleiben, mit Hilfe einer Gruppe dreimal so hoch sind! Den gleichen Weg gehen die Suchtberatungsstellen, auch Ärzte geben die Informationen weiter. Der Süchtige sucht sich meistens erst Hilfe, wenn der Leidensdruck und die Erkenntnis da sind, dass er das Problem nicht alleine in den Griff bekommen kann. Auch der Druck der Angehörigen kann hilfreich sein. Der neu eingerichtete Chat ist für einige die Möglichkeit, sich anonym zu informieren.

Redaktion:

Wie begegnen Sie den Menschen, die sich an Sie wenden? Welche Möglichkeiten und Angebote gibt es?

Wolfgang Melka:

Wir sind für Gespräche offen. Einer meiner ersten Sätze ist, dass alles was wir besprechen, der Schweigepflicht unterliegt! Nur auf dieser Basis ist eine Zusammenarbeit möglich. Ich bitte vor einem Gruppenbesuch um ein Informationsgespräch und biete an, gemeinsam mit mir in die Gruppe zu gehen. Ich mache auf die verschiedenen Möglichkeiten – SHG, Suchtberatung, Therapie – aufmerksam, gebe Adressen und Kontakte weiter. Allerdings macht das jede Gruppe anders, viele treffen sich das erste Mal erst in der Gruppe.

Redaktion:

Ein Familienmitglied, ein Freund oder Freundin, eine Arbeitskollegin oder Arbeitskollege hat offensichtlich ein Suchtproblem. Wie kann ich helfen? Wie soll ich mich verhalten? Schweigend hinnehmen oder aktiv Hilfe anbieten?

Wolfgang Melka:

Es ist gut, wenn Angehörige usw., die das Suchtproblem bemerken, ihn darauf ansprechen. Vielleicht braucht er diesen Anstoß. Wenn er nicht bereit ist darüber zu reden, haben sie kaum eine Chance, etwas zu erreichen. Bieten sie ihre Hilfe an!

Redaktion:

Kann man definieren, wann jemand ein Suchtproblem hat?

Wolfgang Melka:

Die Abhängigkeit ist ein schleichender Prozess, dabei kommt es auch auf das Suchtmittel an. Ein Suchtproblem hat jemand, der ohne das Suchtmittel Entzugserscheinungen bekommt und das Gefühl hat, ohne nicht leben zu können.

Redaktion:

Ein Suchtproblem ist “erkannt” – wie begleiten Sie Betroffene auf dem weiteren Weg?

Wolfgang Melka:

Wenn es bei einem Süchtigen „Klick“ gemacht hat und er weiß, dass er ein Suchtproblem hat und bereit ist, etwas dagegen zu tun, braucht er Hilfe. Es muss eine Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden. Er muss entscheiden, ob er versuchen will, den weiteren Weg in der SHG zu gehen oder sich in eine Therapie begeben möchte. Dabei begleitet ihn die Gruppe gemeinsam mit dem Gruppenleiter. Ein regelmäßiger Gruppenbesuch ist dabei sehr wichtig!

Redaktion:

Kann man den Kreuzbund und die Mitarbeitenden als Mutmacher bezeichnen?

Wolfgang Melka:

Wer neu in die KB Gruppe kommt wird feststellen, dass dort ganz „normale Menschen“ sitzen, die ähnlichen Probleme hatten, wie man sie selber hat. Sie unterhalten sich über Alltagsprobleme, tauschen Erfahrungen aus und reden darüber wie sie ein suchtfreies, zufriedenes Leben führen – deshalb ist jeder Gruppenbesuch ein Mutmacher.

Redaktion:

Sehr geehrter Herr Melka vielen Dank für das offene Gespräch.

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