Ob Finanzen, Personal oder Gebäude / Infrastruktur: Im Erzbistum Paderborn stehen die Katholischen Kindertageseinrichtungen aktuell vor großen Herausforderungen. Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck und die Verantwortlichen für die katholischen Kindertageseinrichtungen im Erzbistum trafen sich am Freitag, 2. Februar, mit Abgeordneten des NRW-Landtags zum Austausch über die Situation der Kitas. Bei der durch die Kompetenzeinheit Kindertageseinrichtungen im Erzbischöflichen Generalviakariat organisiertendigitalen Konferenz diskutierten die teilnehmenden Kirchenvertreter und Politiker konkrete Herausforderungen und Perspektiven. „Als Kirche von Paderborn sind uns die Kindertageseinrichtungen ein wirkliches Anliegen und dennoch sehen wir mit Sorge in die Zukunft dieser Einrichtungen“, unterstrich Monsignore Dr. Bredeck als aktueller Leiter des Erzbistums Paderborn. Gesellschaft und Kirche seien in einer gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft von Kindern, es komme darauf an, Kindertagesstätten zu sichern und zu fördern.
Zum digitalen Austausch eingeladen waren Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtages, die aus dem Erzbistum Paderborn stammen. Für die CDU nahmen die die Landtagsabgeordneten Matthias Goeken (Höxter), Bernhard Hoppe-Biermeyer (Paderborn), Jens Kamieth (Siegen-Wittgenstein I), Matthias Kerkhoff (Hochsauerlandkreis II), Raphael Tigges (Gütersloh) sowie Bianca Winkelmann (Minden-Lübbecke I) teil, für die Grünen die Abgeordneten Norika Creuzmann (Paderborn I), Julia Eisentraut (Lippe I), Dr. Gregor Kaiser (Olpe). Angela Freimuth MdL (Märkischer Kreis III) vertrat die FDP. Die SPD war durch den Landtagsabgeordneten Dennis Maelzer (Lippe III) sowie dessen Referentin Theresa Petrausch präsent.
Anliegen und Engagement
Diözesanadministrator Dr. Bredeck dankte als Gastgeber der Konferenz den Landtagsabgeordneten für deren bisheriges politisches Engagement im Bereich der Kindertageseinrichtungen. Er erklärte, dass das Erzbistum Paderborn einen erheblichen Teil seiner Kirchensteuermittel – laut letztem Finanzbericht 33 Millionen Euro, acht Prozent seiner Einnahmen aus Kirchensteuern und Kapitalerträgen – in den Aufgabenbereich der Kindertageseinrichtungen investiere. Mit Verweis auf den für die 500 Katholischen Kindertageseinrichtungen geltenden „Gemeinsamen Orientierungsrahmen katholischer Kindertageseinrichtungen im Erzbistum Paderborn“ bekräftigte der aktuelle Leiter des Erzbistums das Anliegen, als Kirche die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, Werte und Haltungen einzubringen. Katholische Kindertageseinrichtungen seien Impulsgeber und vermehrt Anlaufstelle für Fragen der Eltern sowie Vermittler zu anderen Unterstützungsangeboten. „Mit unseren Kindertageseinrichtungen wirken wir ja nicht nur innerhalb der Einrichtungen, vielmehr strahlen wir aus in den Sozialraum. Wir sind Anlaufstelle und Ansprechpartner für Kinder, für deren Familien und darüber hinaus auch zunehmend für alle Bewohnerinnen und Bewohner im Sozialraum.“
Verlässliche Partnerschaft
Paderborns Diözesanadministrator Dr. Bredeck unterstrich die Zusage des „Orientierungsrahmens“, als Erzbistum den Bereich Kindertageseinrichtungen weiter durch finanziellen, personellen und materiellen Einsatz zu unterstützen, weiterhin in der Fläche präsent sein zu wollen. Dies könne allerdings nur gelingen, „wenn wir in der Politik einen verlässlichen Partner haben, der für eine auskömmliche Finanzierung dieses wichtigen Bereichs geradesteht“. „Wir als Kirche von Paderborn und als Träger von Kindertageseinrichtungen leisten unseren Beitrag, sind aber auf eine solide Finanzierung von Seiten des Landes angewiesen“, hob Diözesanadministrator Dr. Bredeck hervor.
Die Geschäftsführenden der Kita gem. GmbHs und damit der Trägergesellschaften der 500 katholischen Kindertageseinrichtungen im Erzbistum Paderborn stellten verschiedene Herausforderungen zur künftigen Entwicklung der Kindertageseinrichtungen vor. Stellvertretend für seine Kollegen verdeutlichte Detlef Müller als Geschäftsführer von zwei Kita gem. GmbHs im Kooperationsraum Ost die akuten Probleme bei der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen, verwies auf erhöhte Personalkosten durch entsprechende Tarifabschlüsse, gestiegene Sachkosten. Auch die zeitversetzte Dynamisierung von Leistungen des Landes sei eine Herausforderung, 18 Monate seien nicht zu überbrücken aus Eigenmitteln. Die Sondermittel des Landes und die Anpassung der Pauschale um zehn Prozent – „die ist gut und richtig“ – seien nicht ausreichend, um Kostensteigerungen und aktuelle Defizite auszugleichen, decke beispielsweise nicht den Inflationsausgleich für das pädagogische Personal der Kindertageseinrichtungen. „Wir leben von unseren Rücklagen, die Finanzierungslücke bleibt und zwingt uns dazu, unsere Reserven permanent abzuschmelzen. Ein ausgeglichener Jahresabschluss ist nicht möglich“, bekräftigte Geschäftsführer Detlef Müller.
Herausforderungen im Personal-Bereich
Die Belastung der Pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen sei sehr hoch, erklärte Detlef Müller stellvertretend für die insgesamt drei Geschäftsführer der Katholischen Kindertageseinrichtungen gem. GmbHs. Kinder seien „anspruchsvoll“ und die Ansprüche der Eltern könnten auch schon mal so manchen „Dienstleister“ überfordern. Krankheitswellen beim Personal bringe sichere Abläufe ins Wanken, es komme zu Betreuungsausfall. Die Personalknappheit sei besorgniserregend, denn Krankheit, Urlaub oder Fortbildung führe zu Unterbesetzungen, die angespannte Finanzlage zwinge die Träger, „zusätzliche Kapazitäten“ wie „Springerkräfte“ zu reduzieren. Detlef Müller rief dazu auf, Finanzierungslücken zu schließen. Auch die durch das aktuelle Kinderbildungsgesetz des Landes garantierten Betreuungszeiten sollten auf dem Hintergrund der angespannten Situation überprüft werden. „Wir sollten realistisch überprüfen, was Kindern und Eltern tatsächlich angeboten werden kann“, warb Detlef Müller als Geschäftsführer von zwei Kita gem. GmbHs im Kooperationsraum Ost.
Gebäude und Infrastruktur von Kindertageseinrichtungen
Thorsten Herrmann, Geschäftsführer von zwei Kita gem. GmbHs im Kooperationsraum West, verdeutlichte im Hinblick auf die Gebäude von Kindertageseinrichtungen, dass die Unterfinanzierung Träger belaste. Die Anforderungen an die Gebäude würden sich durch Altersgruppen, Gruppenformen und Inklusion verändern. „Viele unserer Gebäude stammen aus den 1950 bis 1970iger Jahren, haben mittlerweile eine Raumsubstanz und ein Raumprogramm, das damals aktuell war, das aber heute nur bedingt den Anforderungen an Gebäude entspricht.“ Der Geschäftsführer erklärte, dass der Sachkostenanteil des Kinderbildungsgesetztes nicht auskömmlich sei, insbesondere kleine Einrichtungen in kleinen Orten vor Problemen stünden. „Aus eigenen Mitteln können wir nicht bauen, zugleich finden sich keine Investoren, da kleinere Einrichtungen für diese finanziell nicht lukrativ sind“, benannte Geschäftsführer Thorsten Herrmann die Herausforderung.
Heike Deimel, Referatsleiterin Tageseinrichtungen für Kinder beim Diözesan-Caritasverband und Mitglied der LAG Kita der freien Wohlfahrtspflege, benannte gegenüber den Landtagsabgeordneten insbesondere bürokratische Hürden im Bereich der Kindertagesstätten. „Die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen sind gut ausgebildet, wollen und sollen für die Kinder und Eltern da sein, nicht für die Verwaltung.“
Erkenntnisse und Perspektiven
Die teilnehmenden Landtagsabgeordneten nutzten die Ausführungen der Expertinnen und Experten des Erzbistums Paderborn als Impulse, um zu den Herausforderungen mit ihren Problemwahrnehmungen und Lösungsperspektiven Stellung zu beziehen. Sie unterstrichen die Bedeutung der vorhandenen Bildungspartnerschaft zwischen Gesellschaft und Kirche und betonten die Wichtigkeit der Wertevermittlung in den Kindertageseinrichtungen durch die kirchlichen Träger. Durch ihre Basis und Vernetzung vor Ort ist den Landes-Politikerinnen und -Politikern die Arbeit in den Kindertagesstätten sehr präsent. Sie schätzen die Arbeit von freien Trägern wie der Katholischen Kirche. Die Abgeordneten waren sich einig, dass die Finanzierung durch das Land zufriedenstellend und gesichert sein müsse, damit die Kirche als freier Träger erhalten bleibt. „Wir unterstützen die Forderung nach mehr Personal, die Ausbildung qualifizierter Kräfte ist unerlässlich.“
Uwe Gockel, Bürgermeister der Gemeinde Borchen, betonte aus kommunalpolitischer Perspektive, für eine Kommune sei die Vielzahl und Vielfalt freier Träger von Kindertageseinrichtungen wesentlich und im Hinblick auf die Finanzen unverzichtbar. Der Bürgermeister der Gemeinde Borchen verdeutlichte, dass eine Kommune in der Regel überfordert sei, sollte beispielsweise die Kirche als freier Träger ausfallen. „Als Kommune stehen wir dann zwar in der Pflicht, ein eigenes (Ersatz-)Angebot zu schaffen, doch haben wir nicht die Mittel, eine Kindertagesstätte mit Gebäude und Personal zu übernehmen.“
Auf der Seite des Erzbistums Paderborn brachten Teilnehmende aus unterschiedlichen Bereichen ihre Expertise ein: Andreas Altemeier als Leiter der Kompetenzeinheit Kindertageseinrichtungen im Erzbischöflichen Generalvikariat, und Jonas Beine, in der Kompetenzeinheit für Grundlagenarbeit zuständig, vertraten die zentrale Verwaltungsbehörde des Erzbistums Paderborn. Von Seiten der Trägergesellschaften der 500 katholischen Kindertageseinrichtungen im Erzbistum waren alle Geschäftsführer dabei: Thorsten Herrmann, Geschäftsführer von zwei Kita gem. GmbHs im Kooperationsraum West, Detlef Müller, Geschäftsführer von zwei Kita gem. GmbHs im Kooperationsraum Ost, sowie Sebastian Schrage als Geschäftsführer des Gemeindeverbands Mitte im Erzbistum Paderborn, in dem es insgesamt drei Kita gem. GmbHs gibt. Heike Deimel brachte ihre Erfahrungen als Referatsleiterin Tageseinrichtungen für Kinder beim Diözesan-Caritasverband, das Ansprechpartner für weitere katholische Einrichtungen ist, die nicht in Trägerschaft der gem.GmbHs sind, und als Mitglied der LAG Kita der freien Wohlfahrtspflege ein. Die Runde komplettierte Raimund Eilebrecht aus dem Bereich Finanzen des Erzbischöflichen Generalvikariats.
Uwe Gockel, Bürgermeister der Gemeinde Borchen, berichtete aus kommunalpolitischer Perspektive.
Zahlen
In 500 Katholischen Kindertageseinrichtungen, die von sieben gemeinnützigen GmbHs im Erzbistum Paderborn getragen werden, begleiten 7.000 Mitarbeitende 30.000 Kinder und ihre Familien.