Ein untypischer Mittwoch
Wobei er an diesem Mittwoch ein bisschen weniger trügt. Draußen strahlt die Sonne von einem marienblauen Himmel, nur hier und da ein Schleierwölkchen. Um zehn Uhr morgens war die Außengastronomie der Konditorei und Confiserie direkt gegenüber der Wallfahrtsbasilika schon besser besucht als das Gotteshaus selbst. Das Wetter sei einfach zu gut, sind sich die drei Frauen einig. Da verirrt sich niemand ins Pilgerbüro neben der alten Wallfahrtskirche. Ganz untypisch für einen Mittwoch, beteuern die drei. Aber so sei das hier eben, man könne nicht vorhersagen, was hier passiere.
Was in den Monaten von Mai bis November normalerweise passiert, ist, dass Menschen aus den verschiedensten Ecken des Landes und aus den verschiedensten Gründen nach Werl kommen. Als Gruppe oder allein, zu Fuß, per Fahrrad oder motorisiert, zum ersten Mal oder schon seit Jahrzehnten: Menschen kommen nach Werl zur Trösterin der Betrübten, dem hier verehrten Gnadenbild. Und 170 Jahre lang wurden sie vor Ort von Franziskanern in Empfang genommen. Der Orden kümmerte sich traditionell um die Wallfahrtsseelsorge.
Bruder Vitus – eine Werler Institution
Ihr Kloster lag direkt neben der Basilika mit ihrer charakteristischen Doppelturmfassade. Und wer eine Messe für einen verstorbenen Menschen lesen lassen wollte, nach langer Pilgerschaft eine Unterkunft suchte oder schlicht einen Rosenkranz brauchte, der meldete sich an der Klosterpforte. Einmal klingeln, dann öffnete sich das Schiebefenster in der Wand und das freundliche Gesicht von Bruder Vitus erschien. Bruder Vitus war in Werl eine Institution. Fast 20 Jahre lang besetzte er die Pforte und war dabei vor allem eines: ansprechbar.
Die Franziskaner verließen Werl 2019 und das Erzbistum Paderborn übernahm die Seelsorge in der Wallfahrtsstadt. Doch von Anfang an war klar: So etwas wie Bruder Vitus an der Pforte musste es weiterhin geben. Aber wie sollte das aussehen? Einfach jemand anderes auf Bruder Vitus‘ Stuhl zu setzen, ging nicht, denn das Kloster musste renoviert werden.