„Mit dem Licht der Osterkerze verliert das Gewesene, das Dunkle seinen Schrecken.“ – Pfarrer Gerhard Pieper

Licht ins Dunkel bringen – Die Liturgie des Ostertriduums

Die Gottesdienste des Triduum Paschale (dt. die drei österlichen Tage, Ostertriduum) sind ganz anders als die normale Sonntagsmesse. Sie finden zu ungewöhnlichen Uhrzeiten statt und dauern teils erheblich länger. Aber vor allem steckt ihre Liturgie voller Symbolik, die Kernaussagen des christlichen Glaubens transportiert. Gerhard Pieper, Pfarrer des Pastoralverbundes Warburg , entschlüsselt einige von ihnen und zeigt auf, was sie für die Menschen heute bedeuten können.
Pfarrer Pieper, was verbindet die Gottesdienste von Gründonnerstag bis zur Osternacht?
An diesen Tagen wird deutlich, dass wir Gottes Passion sind. Er ist passioniert in dem Sinne, dass er uns liebt. Weil er die Menschen mag, nimmt Gott die Passion – nun mit der Bedeutung Leidensweg – auf sich. Jeder Tag des Triduums hat seinen eigenen Schwerpunkt, aber immer geht es dabei um das Thema Hingabe.
Kann man die verschiedenen Gottesdienste also als eine einzige Feier verstehen?
Im Grunde geht der Gottesdienst, der Gründonnerstag begonnen hat, in den Karfreitag über und mündet in die Osternacht. Das sieht man etwa daran, dass Karfreitag das Kreuzzeichen zu Beginn und der Schlusssegen fehlen. Im Pastoralverbund Warburg ist es zudem so, dass der Priester, der in einer Gemeinde den Palmsonntag gefeiert hat, dort auch alle weiteren Gottesdienste bis zur Osternacht feiert.
Wieso das?
Weil diese Tage eine innere Dramaturgie haben, die man nicht auseinanderreißen kann. Bei drei Priestern für 15 Kirchen im Pastoralverbund stoßen wir natürlich an Grenzen. Aber die Feiern gehören einfach zusammen. Bildlich ergibt es schließlich keinen Sinn, dass Jesus in Scherfede gefangen genommen, in Rimbeck verurteilt, in Ossendorf ans Kreuz genagelt wird und in Germete aufersteht. Die Botschaft an die Menschen ist: Leiden, Tod und Auferstehung Jesu passiert hier und jetzt.
Was ist am Gründonnerstag wichtig?
Gründonnerstag ist als stehe man nachts an einem Lagerfeuer: Von vorne werde ich angenehm gewärmt, hinten läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Denn einerseits gedenken wir der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl. Andererseits wird Jesus noch am gleichen Abend verraten und im Garten Getsemani gefangen genommen. Deshalb beginnt der Gottesdienst festlich, doch noch während des Wortgottesdienstes bricht das ab und die Orgel verstummt.

Gründonnerstag ist als stehe man nachts an einem Lagerfeuer: Von vorne werde ich angenehm gewärmt, hinten läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
Pfarrer Gerhard Pieper
Was hat es mit dem leeren Tabernakel auf sich?
Die Liturgie inszeniert die Gefangennahme Jesu, indem wir den Tabernakel leer räumen. Die geweihten Hostien werden in einem Seitenaltar oder einer eigenen Kapelle verwahrt, wo man das sogenannte Heilige Grab einrichtet – da hat jede Gemeinde ihre eigene Tradition. Das zentrale Bild ist aber: Der Tabernakel, Gottes angestammter Platz in der Kirche, steht offen und ist leer.
Der Karfreitagsgottesdienst beginnt damit, dass sich Priester und Diakon im Altarraum auf den Boden legen. Was bedeutet das?
Das nennt man „Prostratio“, was auf Deutsch „Niederwerfen“ bedeutet. Die Bibel erzählt, dass Jesus sich im Garten Getsemani zum Beten auf den Boden gekniet oder gelegt hat. Für mich ist die Prostratio der Übergang von der Verhaftung Jesu im Garten Getsemani, der wir am Gründonnerstag gedacht haben, hin zu Verhör und Verurteilung durch den Hohen Rat – das sind Geschehnisse, die in der Nacht erfolgen und in die Verurteilung durch Pilatus und die Kreuzigung am Karfreitag münden.
Was steckt da für eine Symbolik hinter?
Am Karfreitag geht es darum, still zu werden und sich selbst zurückzunehmen. Deshalb mache ich mich zu Beginn des Gottesdienstes ganz klein. In Warburg ist es so, dass der Priester kein Messgewand trägt, sondern nur eine Albe mit roter Stola. An Karfreitag feiern wir nicht. Stattdessen sind Trauer, Beklommenheit und Ohnmacht angesagt.
Welche Rolle spielt die Kreuzverehrung?
Der Brauch, das Kreuz zu verehren, erscheint uns heute seltsam. Es gibt aber einen Anknüpfungspunkt. Hier in Warburg haben wir ein großes Triumphkreuz, das vor dem Chorraum von der Decke hängt. An Karfreitag wird das abgenommen. Und dann liegt dieses Kreuz, das sonst groß und dominant über allem schwebt, zu unseren Füßen. Und das ist die Verbindung zu unserer Realität: Wenn wir einen lieben Menschen zu Grabe tragen, liegt er uns im Grab ebenso zu Füßen. Mit Blumen, die wir hinabwerfen, versuchen wir unsere Zuneigung zu zeigen. Am Karfreitag geht es nicht darum, ein historisches Kreuz zu verehren, sondern wie die biblischen Frauen am Grab zu trauern und ihrem Liebsten die letzte Ehre zu erweisen.

Passiert dann an Karsamstag bis zur Osternacht gar nichts?
In diesem Nichts passiert ganz viel. Der Karsamstag begeht die Grabesruhe. Jesus ist vom Kreuz abgenommen und begraben worden. Und darauf folgt die große Stille. Das kennen wir auch. Nach dem Tod eines lieben Menschen, weiß ich vielleicht gar nicht, wie ich das denken soll. Ist das Erlösung? Wie gehe ich mit meinem Verlust um? Da kann so eine Stille in der eigenen Trauersituation ganz schön kraftraubend und laut werden. An Karsamstag setzen wir Christinnen und Christen uns kollektiv diesem Schmerz aus. Wir müssen das Dunkel erleben, die Trauer und den Verlust, um das Licht des nächsten Morgens wirklich wahrnehmen zu können.

Dieses Licht wird dann in der Osternacht entzündet.
An einem Feuer entzünden wir eine einzelne Kerze. Diese Osterkerze tragen wir dann in die dunkle Kirche hinein. Sie ist mit einem Kreuz und den Wundmalen gestaltet, um zu zeigen, dass Christus dieses Licht, das Licht der Welt ist. Mit dem Licht der Osterkerze verliert das Gewesene, das Dunkle seinen Schrecken. Um das nachzuempfinden, hören wir im langen Wortgottesdienst eine ganze Reihe von alttestamentarischen Lesungen. Die Erschaffung der Welt, der Sündenfall, der Auszug aus Ägypten – all diese Geschichten sollen uns verdeutlichen: Das, was in dieser Osternacht passiert, ist kein singuläres Ereignis ohne Vorgeschichte. Ostern steht im Kontext einer ganzen Heilsgeschichte. Gott meint es gut mit den Menschen.
Wie wird das sichtbar?
Mit dem Gloria und der Epistel aus dem Römerbrief kippt die leidvolle Stimmung, die Erlösung ist da. Auf einen Schlag wird das Licht wieder angemacht, die Orgel erklingt und die Messdiener läuten die Schellen bis zum Ende des Glorias. Das ist der zentrale Moment, an dem das Dunkel in die Schranken verwiesen wird. Das feiern wir in jeder Messe, aber heute unter dem Vorzeichen, dass es reale Wirklichkeit ist. Deshalb heißt es in der Liturgie: „Dies ist die Nacht“.
Die frühen Christen haben in der Osternacht getauft, noch heute enthält die Liturgie eine Erneuerung des Taufversprechens – warum?
Die Erneuerung des Taufversprechens ruft uns in Erinnerung: Ja, zu diesem Gott stehe ich. Dem glaube ich. Natürlich sagen wir, dass wir an Gott glauben. Mir ist aber die Formulierung „Dem glaube ich“ wichtig, weil sie das Vertrauen ausdrückt, das in dieser Beziehung zwischen Gott und Mensch steckt. An der Osterkerze wird auch unsere Taufkerze entzündet, die – sofern sie vorher noch nicht abgebrannt ist – auch am Sterbebett steht. Christus ist uns Licht und will unser aller Leben erhellen. Das gilt für meinen Alltag, für meine Licht- und Schattenmomente, für das ganze Leben.