Durchtrainiert und wie gestählt
„Oh, der hat aber bestimmt ein Abo im Fitnessstudio!“ Diese Bemerkung habe ich von so manchem Jugendlichen in letzter Zeit gehört, wenn sie die Darstellung des auferstandenen Christus auf dem großen Altar sahen, der zurzeit in unserem Paderborner Diözesanmuseum ausgestellt ist. Manchmal führe ich Gruppen von Schülern oder junger Erwachsener zu dieser Leihgabe aus dem Naumburger Dom. Tatsächlich schaut man an diesem Altar auf einen durchtrainiert erscheinenden Körper, wie gestählt durch regelmäßige Übungen. Erst bei näherem Hinschauen entdeckt der Betrachter die Speerwunde an der Seite und die Wunden von Nägeln an Händen und Füßen. Wer ein wenig von christlicher Kunst weiß, ahnt es sofort: Hier ist Jesus Christus dargestellt, und zwar nach seiner Auferstehung. Er steht hier als fast jugendliche Gestalt mit ruhigem und zur Ruhe führendem Gesichtsausdruck. Er steht hier als Sieger – nicht nur, weil er in der linken Hand eine Siegesfahne hält, sondern auch, weil er Kraft und Leben ausstrahlt. Hier schaut der Betrachter auf jemanden, der ganz offensichtlich über Leiden und Tod triumphiert.
Erinnerung an Leid und Tod
An Leiden und Tod erinnern unter seinen Füßen verschiedene Gegenstände: Ein weißes Tuch liegt quer im Bild, zusammengeknüllt als wäre es einfach weggezogen und ohne große Beachtung dahingelegt worden. Kenner der Leidensgeschichte Jesu wissen sofort: das ist das Grabtuch, in das man den toten Leib Jesu gewickelt hatte, um ihn dann ins Grab zu legen. Unter dem Tuch schauen die dicken Nägel hervor, die man dem Gekreuzigten durch Hände und Füße getrieben hatte, um seine Schmerzen zu erhöhen. An einem dünnen Faden hängt von oben herab ein Dornenkranz – die Spottkrone, mit der die römischen Soldaten den Spottkönig Jesus verhöhnten. Und daneben sind Mohnblüten zu sehen, Blüten der Pflanze zwischen Schlaf und Tod – ein Symbol dafür, dass Gottes Sohn wie ein Mensch gestorben ist und das Schicksal des Grabes mit den Menschen geteilt hat.
Ein Bild, das Hoffnung macht
Vielleicht bekommt die Gestalt des Auferstandenen erst dadurch diese unglaubliche Wirkung. Er strahlt aus, dass all das überwunden ist: Leiden – Tod – Grab. Der durchtrainierte Körper steht für volles Leben, für Kraft und die Überwindung menschlicher Enge, der Grenzen, die um unser Leben gezogen sind. Es ist ein Bild, das die Botschaft der Osterzeit, uns deutlich vor Augen stellt und ins Herz schreibt. Es ist ein Bild, das von der allgegenwärtigen Angst vor dem Tod befreien will und Hoffnung macht.
Christi Himmelfahrt
Christen feiern noch bis Pfingsten das Osterfest. Und darin haben wir am Donnerstag – 40 Tage nach Ostern – das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Der auferstandene, der siegreiche Christus kehrt heim zu seinem Vater, von dem er ausgegangen ist.
In einem Abschnitt des Johannes Evangeliums der Bibel, in dem dieses Ereignis vorweggenommen wird, sagt Christus: „Jetzt gehe ich zu dem, der mich gesandt hat …“(Johannes 16,5).
Mir gibt das Bild dieses lebendigen Christus auf dem Naumburger Altar die Zuversicht, dass dieser Jesus uns trotzdem nahe ist und bleibt. Denn dadurch, dass er zum Vater heimkehrt, bahnt er den Menschen den Weg dahin. Das gibt mir eine Zuversicht, aus der ich leben kann: Mir steht der Weg offen, der durch den Tod zum Leben führt. Auch ich bin berufen, mit Jesus in das einzugehen, was man so unzureichend den „Himmel“ nennt. Wenn ich diese Erde verlassen muss, gelange ich erst an das eigentliche Ziel meines Lebens.
Das Fest Christi Himmelfahrt will diese Botschaft in die Welt tragen. Darum haben wir es vorgestern gefeiert. Wenn ich den auferstandenen Christus auf dem Naumburger Altar betrachte, dann weichen meine Zweifel und Unsicherheiten. Mit ihm möchte ich leben!