Das Leben von Papst em. Benedikt XVI. war geprägt von seinem theologischen Nachdenken über den Glauben an den dreifaltigen Gott und seinem Einsatz für die Kirche. Die Verbindung von Glaube und Vernunft durchzieht sein gesamtes theologisches Denken. Werke wie seine „Einführung in das Christentum“ oder die während seines Pontifikats erschienen Jesus-Bücher haben viele Gläubige und auch Anders- und Nichtgläubige angeregt. Sie legen Zeugnis ab von seinem großen theologischen Wissen, seiner intellektuellen Brillanz sowie unverwechselbaren Sprachkraft.
Den Glauben als Schatz bewahren
Es greift jedoch zu kurz, in Papst em. Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger nur den intellektuellen Gelehrten zu sehen. Sein ganzes Denken kreiste um die Kirche und den Glauben, den die Kirche als Schatz zu bewahren und weiterzugeben hat. Die Kirche war seine geistige und geistliche Heimat, ihr galt seine Freude, aber auch seine Sorge: dass sie in der Nachfolge Jesu Christi treu bleibt, dass die Kirche durch den Wandel der Zeiten hindurch Christus abzubilden vermag. Am treffendsten lässt sich dies mit den Worten der Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils formulieren: Dass die Kirche in Jesus Christus Sakrament ist, „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1).
Sein Wunsch, dass die Kirche den einen Leib Jesu Christi darstellen soll, war leitend für die Schwerpunkte, die Papst em. Benedikt XVI. in seiner Amtszeit setzte. Eine besondere Bedeutung für sein Verständnis der Kirche hatte die Eucharistie als Sakrament der Einheit. Für den emeritierten Papst war es bedeutungsvoll, dass sein Pontifikat 2005 im „Jahr der Eucharistie“ begann. Er kennzeichnete sie als „ständige Mitte und Quelle des mir anvertrauten Petrusamtes“. Er war überzeugt davon, dass das Sakrament der Eucharistie eine Stütze ist im Streben der Menschheit nach der vollen Einheit. Zu dieser Einheit gehörte für ihn auch die Einheit der Kirchen, was durch seine ökumenischen Bemühungen und Gespräche mit den reformatorischen Kirchen und den Kirchen des Ostens unterstrichen wird.
In seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hat ihm sein leidenschaftliches Bemühen um die Treue der Kirche zu ihrem Ursprung nicht nur Bewunderung eingebracht. Mitunter wurde gegen Kardinal Joseph Ratzinger der Vorwurf laut, dass ihm die „reine Lehre“ wichtiger sei als die Menschen, die diese Lehre verkünden. Die Reaktionen des emeritierten Papstes auf Vorwürfe von möglichem Fehlverhalten während seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977 bis 1982) beim Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger haben Gläubige irritiert und verunsichert. Die Worte und das Handeln von Papst em. Benedikt XVI. lassen sich möglicherweise deuten durch einen Blick in seine päpstliche Enzyklika „Deus Caritas est“. Darin machte er deutlich, wozu die Kirche aus seiner Sicht letztlich dienen soll: nämlich in der Welt eine Zeugin für die Liebe des Vaters zu sein, „der die Menschheit in seinem Sohn zu einer einzigen Familie machen will“(Deus Caritas est 19).